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Leserbriefe zur Debatte um PflichtdienstWie sinnvoll ist eine Zwangsverpflichtung?

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Ein junger Mann hilft im Rahmen des Bundesfreiwilligendiensts beim Transport eines Rollstuhlfahrers.

Sollte ein Pflichtdienst eingeführt werden? – Alexandra Ringendahl (Pro) und Thorsten Breitkopf (Contra) im Streitgespräch der Woche (17.9.)

Mit Zwang erreicht man gar nichts

Entscheidungskriterium kann doch nicht sein, ob ein Pflichtjahr jemandem schadet, sondern wem es nützt. Die Antwort gibt Thorsten Breitkopf in seiner Contra-Argumentation, der ich voll und ganz zustimme, schlüssig und eindeutig: niemandem! Weder den Betroffenen, noch der Gesellschaft, noch der Wirtschaft. Im Gegenteil, die Kosten-Nutzen-Rechnung würde mit großer Wahrscheinlichkeit negativ ausgehen.

Wie unsinnig diese Forderung ist, erkennt man noch deutlicher an der doch eher hilflosen Pro-Argumentation. Weil Frau Ringendahl mit ein paar Abiturienten gesprochen hat, die unerwartet vor der Frage stehen, wie es denn jetzt weitergehen soll, müssen alle zu ihrem „Glück“ gezwungen werden? Also auch Haupt- und Realschüler, die im schlechtesten Fall dringend darauf angewiesen sind, zeitnah ins Erwerbsleben zu starten, um etwas zum Familieneinkommen beizutragen, oder Azubis, deren Chefs angesichts des Fachkräftemangels sehnsüchtig darauf warten, sie endlich als vollwertige Arbeitskräfte einsetzen zu können?

Wer eine Orientierungsphase braucht, dem soll sie auch ermöglicht werden, da bin ich bei Frau Ringendahl. Und wer sich unschlüssig ist, ob ein Freiwilliges Soziales Jahr das Richtige für ihn ist, der soll aktiv mit attraktiven Inhalten und Konditionen geworben werden. Da ist sicherlich noch Luft nach oben. Ich bin für jeden dankbar, der sich aus Überzeugung sozial engagiert. Aber bitte immer freiwillig. Durch Zwang erreicht man mit Sicherheit keine sozialere Einstellung bei den Jugendlichen.Udo Lang Bad Münstereifel

„Pflichtdienst“ weckt ungute Erinnerungen

Ich – Jahrgang 1930 – kenne für das „verpflichtende Dienstjahr“ noch einen anderen Begriff: Arbeitsdienst.Kurt Harbodt Hennef

Staatsbürger haben Rechte, aber auch Pflichten

Herr Breitkopf zeigt als Wirtschaftsredakteur deutlich, wo der Schwerpunkt seiner Interessen liegt. Die Pflichten, die es in einem demokratischen Staat gibt, Zwang zu nennen, spricht für eine merkwürdige Auffassung. Wenn die Wehrpflicht für Herrn Breitkopf Zwang war, ist dann die Pflicht, nur mit einem Führerschein Auto fahren zu dürfen, auch Zwang? Es gibt in unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht nur Freiheiten, sondern auch Pflichten. Oder sind das Zwänge? Offensichtlich haben Zeit und Art seines „Zwangsdienstes“ bei der Bundeswehr Herrn Breitkopfs Auffassung von Pflichterfüllung für seinen Staat stark beeinflusst.Horst Hartl Neunkirchen-Seelscheid

Pflichtjahr zur Orientierung und persönlichen Entwicklung nutzen

Monetär und neoliberal verkopften Menschen wie dem Chef der Wirtschaftsredaktion, Thorsten Breitkopf, sind Sichtweisen, die Natur- und Menschenliebe sowie Empathie offenbaren, völlig fremd; Wirtschaft, Profit, „der Markt“ gehen immer vor dem Menschen, und dieser hat sich auf seinem Bildungsweg von klein auf gefälligst nach den Bedürfnissen des bestehenden Wirtschaftssystems „Kapitalismus“ zu richten und sich schnellstmöglich ein- und unterzuordnen.

Die neoliberale Denkweise will das Unrecht und die Zerstörung, die dieses System auch am Menschen anrichtet, nicht sehen. Dabei ist nicht Geld, sondern Für-Einander-Da-Sein und Rücksichtnahme für Mensch und Natur der Kitt der Gesellschaft. Wer die Schule beendet hat, der sollte etwas innehalten, sich in dieser unübersichtlichen Welt orientieren dürfen, Zeit dafür haben; ein Jahr in einem Bereich, der individuell nach Interesse ausgewählt werden kann, erweitert den Horizont und hilft, sich in dieser „Pause“ selbst besser kennenzulernen, ehe man sich für einen möglicherweise falschen Berufsweg entscheidet.

Ob Pflicht oder nicht, wenn nicht sofort, dann werden die Meisten später erkennen, dass genau das die Freiheit war, die sie zur persönlichen Entwicklung brauchten. Das sieht die Vertreterin der Pro-Argumentation Alexandra Ringendahl genau richtig!Martina Frimmersdorf Leverkusen

Pflichtdienst stärkt gesellschaftlichen Zusammenhalt

In der Stellungnahme von Herrn Breitkopf ist sehr viel von Freiheit zu lesen und dass jungen Menschen ein ganzes Jahr oder viele Monate ihres Lebens geraubt würden. In den 18 Monaten, die ich Grundwehrdienst geleistet habe, habe ich sehr viel über mich und die Gesellschaft im Allgemeinen gelernt. Ich habe Menschen aus allen Schichten der Republik kennengelernt.

Ohne den Grundwehrdienst wäre ich in meiner eigenen gesellschaftlichen Schicht wahrscheinlich „hängengeblieben“. Eine Einschränkung meiner Freiheit habe ich nicht empfunden. Mir hat auch keiner Monate meines Lebens geraubt. John F. Kennedy hat einmal gesagt: Frage dich, was du für dein Land tun kannst und nicht, was dein Land für dich tun kann. In diesem Sinne: Sehr gerne Pflichtdienst, auch Grundwehrdienst.Wolfgang Schulte Köln