Das größte Weinfest der WeltNur alle 20 Jahre wird in Vevey gefeiert

Parade am Genfer See
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Vevey – In der Schweiz gehen die Uhren anders, aber dafür exakt. Dafür ist das Land bekannt, weniger bekannt – zumindest im Ausland – ist dass die Schweiz eine Wein-Nation ist, die sich alle 20 Jahre mit einem farbenfrohen Spektakel feiert. In diesem Sommer spielt es sich zum zwölften Mal in Vevey ab.
Die „Fête des Vignerons“, das Winzerfest, hält die 20 000-Einwohner-Stadt, pittoresk gelegen am Genfer See, für drei Wochen im absoluten Ausnahmezustand. Es gibt Umzüge, Weinstände, kulinarische Tafeln – und als Herzstück eine gigantische Bühnenschau, die fast jeden Tag zu sehen ist.

Für das Spektakel wird eigens eine Arena aufgebaut.
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„Seit drei Jahren freuen meine Freunde und ich uns auf dieses Ereignis“, erzählt Basile Neyroud. Der Winzersohn ist einer von 5500 Laien-Darstellern, die schon am frühen Morgen die Straßen des Ortes in ihren bunten Kostümen sprenkeln und die Besucher auf die anstehende Vorstellung einstimmen.
Arena auf den Markplatz gebaut
Da gibt es Herren in rotweißen Pluderhosen mit stattlichen Helmen und Hellebarden, Damen in farbenfrohen Gewändern und an Kamellebüggel erinnernde Umhängetaschen mit großen Sonnen darauf. Gestalten in silbernen Umhängen sitzen in den Cafés am Markplatz, auf dem ein riesiges, eigens aufgebaute Stahl-Ungetüm thront: Die Festspiel-Arena, die 16.000 Zuschauer fasst.

Winzer Basile Neyroud ist eine Spielkarte.
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Schon als Sechsjähriger war Basile dabei, „Ich hatte irgendwas Grünes an, an viel mehr erinnere ich mich nicht.“ Das Besondere am Winzerfest: Es findet nur alle 20 bis 25 Jahre statt, das letzte war im Jahr 1999. Diesmal ist er die Karo 10. „Ich bin in der Spielkarten-Gruppe“, sagt Neyroud. 300 Leute sind allein in seiner Szene, sein Kostüm hat ihn 400 Franken gekostet, dafür hat er einen Gutschein im Wert von 300 Franken für Verpflegung bekommen.
Wer Teil des Winzerfestes sein will, dem geht es ganz offensichtlich nicht um Geld, sondern um Identität. „Für mich ist es eine Herzensangelegenheit, denn es spiegelt meinen Beruf, das was ich tagein tagaus tue.“ Basile tritt in die Fußstapfen des Vaters, will einmal den Weinberg im Örtchen Chardonne in der Nähe von Vevey übernehmen. Er ist studierter Oenologe und in Frankreich im Burgund den Kellermeistern über die Schulter geschaut.
Seit 2016 ist das Fest Weltkulturerbe
Die zwölfte „Fête des Vignerons“ dauert noch bis zum 11. August. Erstmals gefeiert wurde es im 17. Jahrhundert. Die großen Weinguts-Eigentümer wollten sich damit bei ihren Angestellten bedanken und die besten unter ihnen auszeichnen. Es findet einmal pro Generation statt, damit jeder Winzer einmal in seinem Arbeitsleben daran teilnehmen kann.
Seit 2016 ist die Fête des Vignerons immaterielles UNESCO-Weltkulturerbe. Auch die terrassierten Rebberge rund um Vevey sind Weltkulturerbe.
www.fetedesvignerons.ch
Für die Rolle beim zweieinhalb stündigen Spektakel hat sich Neyroud vor einem Jahr schon beworben, seit Januar probte er jede Woche seinen Part. Die Spielkarten sind ein Synonym für den Weinbau, denn auch der Winzer muss verschiedene Spielvarianten auf Lager haben, flexibel reagieren können, seine Karten werden bei jedem Jahrgang neu gemischt. Da machen sich als Reblaus oder Krähen kostümierte Darsteller an den Weinreben zu schaffen, als Frost oder Gewitter verkleidete Schauspieler bedrohen die Ernte.
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Die Besucher sehen eine knallbunte Vorführung, in der Regisseur Daniele Finzi Pasca ein Jahr im Weinberg Revue passieren lässt. Der aus dem Tessin stammende Finzi Pasca arbeitet für den Cirque du Soleil und hat die Abschlusszeremonien der Olympischen Winterspiele in Turin und Sotschi choreographiert.
Einzug der Rindviecher
Auch beim Winzerfest werden wie bei Olympischen Spielen Medaillen verliehen, die besten Rebberg-Arbeiter werden ausgezeichnet. Die Auszeichnung ist einer der Höhepunkte fester des Festes genau wie der „Ranz des Vaches“: Der Einzug der Kuhhirten aus dem Nachbarkanton Fribourg samt ihren Rindviechern. Neun Tenöre begleitet von zwei Dutzend Alphörnern intonieren eine schweizweit bekannte Hymne, deren Ursprung bis ins 16. Jahrhundert reicht. Der Refrain „Lyoba“ ist weit über die Arena hinaus zu hören.

Einzug der Kuhhirten
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Für Basile Neyroud, geht es zum Schlussbild wieder in die Arena, alle 5500 Darsteller versammeln sich noch einmal im gigantischen Oval und auf den Zuschauerrängen, um gemeinsam zu singen und zu feiern. Würde er sich nicht wünschen, dass das Fest öfter als nur alle 20 Jahre stattfindet? „Nein, das würde zu sehr stören, die Stadt braucht doch ihren Marktplatz.“ Zu lange sollen die Uhren dann doch nicht anderes gehen in Vevey.