Bekiffte Delfine, betrunkene Igel, Rentiere auf LSDDer Drogen-Rausch im Tierreich

Ein Delphin im Wasser. (Symbolbild)
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- Das bisweilen zu beobachtende Streben nach einem Rausch durch Flüssigkeiten oder Drogen ist nicht allein ein menschliches Phänomen.
- Viele Tiere sind auch mit dabei, manche unbewusst, manche offenbar sogar auch vorsätzlich.
- Bekiffte Delfine, alkoholisierte Igel, Vögel, die betrunken umherfliegen – diese bewusstseinserweiternden Substanzen nutzt die Fauna. Ein Überblick.
Köln – Als in Wien vor ein paar Jahren mehrere Seidenschwänze, Größe 18 Zentimeter, tot vom Himmel fielen, Diagnose: Genickbruch, war ein Rätsel in der Welt. Die Lösung präsentierte Stadträtin Sonja Wehsely: Die Vögel seien „besoffen und dadurch absolut fluguntauglich“ gewesen. Sie kamen letztlich durch Kontakt mit Ästen oder Fensterscheiben unkontrolliert zu Tode. Seidenschwänze sind Zuwanderer, die eigentlich im Norden Skandinaviens, in Russland oder Kanada leben. Auf Futtersuche sind sie bis nach Mitteleuropa vorgedrungen, wo sie bisweilen in Kontakt mit überreifen Weintrauben oder Beeren geraten. Die Früchte gären in den Mägen der Tiere nach, Alkohol entsteht und damit auch ein Rausch. Die Vögel werden dabei beobachtet, dass sie immer wieder gerade diese Nahrung in ihrem speziellen Zustand zu sich nehmen – Vorsatz und Routine, glauben Forscher der University of California. Theo Pagel, der Direktor des Kölner Zoos, bezeichnet seine Anlage als „alkoholfreie Zone für Tiere“.
Früchte oder Nektar werden, bevor sie gären, in den Futtertrögen bewusst ausgetauscht. Das Phänomen betrunkener Tiere ist den Mitarbeitern des Zoos also bekannt – und auch die damit verbundenen Gefahren: „Wenn ein Vogel zum Beispiel in unserem Tropenhaus betrunken wäre, könnte er an einer Wasserstelle ertrinken. Das gilt es natürlich unbedingt zu verhindern“, sagt Pagel.

Seidenschwanz. Die Droge: Gegorene Früchte oder Beeren. Die Wirkung: Todesgefahr durch Alkohol im Flug.
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Doch abgesehen von ornithologischen Besonderheiten weiß Pagel auch von frei lebenden Schimpansen, dass sie gerne gegorene Früchte zu sich nehmen. Man könne fast davon ausgehen, dass sie es sogar bewusst machten, „weil ihnen bekannt ist, welche Wirkung das hat“ – und sie das Gefühl des Rauschs gerne häufiger erleben wollten.
Igel in der Bierfalle

Igel. Die Droge: Bier. Die Wirkung: Rausch, Gefahren ignorierend. (Symbolbild)
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Tiere mit Alkoholrausch sind auch im eigenen Garten zu beobachten. Igel etwa sind gefährdet, wenn sie eine mit Bier gefüllte Schneckenfalle entdecken. Schnecken, eine beliebte Speise der Igel, werden vom Bier angelockt. Igel stellen den ertrunkenen und ihnen ausgelieferten Weichtieren nach, nehmen sie und mit ihnen das Getränk zu sich, wie der Biologe Mario Ludwig festgestellt hat. „Sturzbetrunken“ seien die Igel danach und nicht mehr in der Lage, sich bei Gefahr einzurollen.
Dank Tausendfüßern in Trance

Mohrenmakis. Die Droge: Insektengift. Die Wirkung: Wandeln wie in Trance.
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Doch nicht nur Alkohol spielt eine Rolle im Leben gewisser Tiere. Mohrenmakis etwa werden hin und wieder mit benebelten gelben Augen und Pupillen auf Ästen oder Baumnischen entdeckt. Der Grund: Kurz zuvor haben sie besondere Tausendfüßer mit einem Biss gepikst und ihnen auf diese Weise ein Gift entlockt. Das versetzt die Primaten in einen tranceartigen Zustand, den sie sich immer mal wieder gönnen. Ein Nebeneffekt, denn eigentlich bewirkt das Gift, dass die Mohrenmakis mehr Speichel entwickeln, mit dem sie sich einreiben, um Moskitos von sich fernzuhalten.
Rentiere auf LSD
Rentiere wiederum, berichtet Mario Ludwig, seien im Winter bewusst auf der Suche nach Fliegenpilzen, die sie high machten und Halluzinationen weckten – vergleichbar mit dem Effekt, den LSD bei Menschen bewirkt. „Nach dem Pilzkonsum schwanken sie, haben einen unsicheren Tritt und geben seltsame Geräusche von sich“, berichtet der Experte. Ludwig weiß auch von Menschen, die von dem Rentier-Trip profitieren: „Es gilt als sicher, dass indigene sibirische Völker den Urin der Tiere tranken, um selbst einen Rausch zu bekommen.“ Die Flüssigkeit sei weniger giftig für den Menschen, habe aber eine höhere halluzinogene Wirkung.
Kängurus und Jaguare im Delirium

Jaguar. Die Droge: Eine Lianenart. Die Wirkung: Intensiver Rausch
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In Tasmanien wiederum setzen Kängurus den Produzenten von legal für die Pharmaindustrie angebauten Schlafmohnfeldern zu. In den reifen Mohnkapseln seien Morphin und Codein enthalten – „das zieht einige Kängurus magisch an“, hat Ludwig beobachtet. Anschließend seien sie derart entrückt, dass sie mit ihren Füßen die Mohnfelder zertrampelten. Und wenn Jaguare in den Urwäldern Südamerikas auf der Lianenart „Banisteriopsis caapi“ herumkauen, erhalten sie bei intensivem Konsum einen Rausch. Die Pflanze enthält Hemalin, das auch in der Pharmaindustrie verwendet wird, etwa für Antidepressiva. Die Jaguare scheinen von der Wirkung ihres Krauts zu wissen, denn sie kauen es mit Vorliebe.
Torkelnde Elefanten
Das torkelnde Verhalten von Elefanten, zu sehen in dem Film „Die lustige Welt der Tiere“ aus dem Jahr 1974, hat seine Ursache nicht in dem Genuss von gegorenen Früchten des Marula-Baums, wie es dort suggeriert wird. Dafür seien die riesigen Tiere einer Studie der Universität von Bristol zufolge schlicht zu schwer. Eine Erklärung für das enorme Schwanken der Elefanten in dem Film: Sie fressen unter anderem die Rinde des Marula-Baums. Dort aber leben auch die Larven kleiner Holzkäfer, die Substanzen enthalten, die wie ein Nervengift wirken – und auch Elefanten wanken lassen. Die seien der Studie zufolge also nicht betrunken gewesen, sondern high von einem Käferextrakt.
Delfin-Junkies
Dokumentarfilmer der britischen BBC drehten 2014 Bilder von Großen Tümmlern, die so bedächtig auf einem Kugelfisch kauten, dass der dabei nur kleine Mengen des hochgiftigen Tetrodotoxin absonderte, von dem ein Milligramm ausreicht, um einen erwachsenen Menschen zu töten. Die Tümmler wussten offenbar genau, welche Menge sie sich von dem Stoff gefahrlos genehmigen konnten, außerdem reichten sie den Gefangenen wie einen Joint herum. „Nach einer Weile fallen die bekifften Tiere in einen tranceähnlichen Zustand und lassen sich ohne jede Körperspannung an der Wasseroberfläche treiben“, erklärt Biologe Mario Ludwig.
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Erstaunliche Drogenkarrieren gibt es also in der Welt der Fauna. Und noch mehr könnten bald folgen. Denn die Drogenforschung bei Tieren stecke laut Ludwig „noch in den Kinderschuhen“.