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„42 Jahre lang glaubte man, ich sei tot“Als Baby entführter Mann trifft nach 42 Jahren auf seine Mutter

3 min
Auf diesem von Constanza Del Rio/Nos Buscamos zur Verfügung gestellten Bild sitzt Jimmy Thyden, rechts, mit Maria Angelica Gonzalez, seiner chilenischen leiblichen Mutter, als sie sich am 17. August 2023 in Valdivia, Chile, zum ersten Mal treffen.

Auf diesem von Constanza Del Rio/Nos Buscamos zur Verfügung gestellten Bild sitzt Jimmy Thyden, rechts, mit Maria Angelica Gonzalez, seiner chilenischen leiblichen Mutter, als sie sich am 17. August 2023 in Valdivia, Chile, zum ersten Mal treffen.

Der Fall von Jimmy Thyden und seiner Mutter berührt aktuell die USA und Chile. Nach Jahrzehnten haben sie sich wiedergefunden.

Der US-Amerikaner Jimmy Lippert Thyden hatte immer geglaubt, keine lebenden Blutsverwandten zu haben. Dann stieß er auf einen Artikel in „USA Today“ über einen Kalifornier, der seiner Mutter in Chile weggenommen und illegal von amerikanischen Eltern adoptiert worden war. Das brachte den 42-Jährigen zum Nachdenken: Könnte ihm das Gleiche passiert sein?

Als Baby verschleppt – Opfer der Pinochet-Diktatur

Mithilfe der gemeinnützigen Organisation Nos Buscamos gelang es Thyden, seine leibliche Mutter ausfindig zu machen. Nos Buscamos arbeitet seit zwei Jahren mit der Genealogie-Plattform MyHeritage zusammen, die DNA-Testkits für den Heimgebrauch zur Verteilung an chilenische Adoptierte und mutmaßliche Opfer von Kinderhandel in Chile anbietet. Jimmy Thydens DNA-Test bestätigte, dass er zu 100 % Chilene ist, und führte ihn mit einem Cousin ersten Grades zusammen, der ebenfalls die MyHeritage-Plattform nutzt.

Thyden schickte seinem Cousin die Adoptionspapiere mit der Adresse seiner leiblichen Mutter und einem in Chile sehr häufigen Namen: María Angélica González. Wie sich herausstellte, hatte sein Cousin eine María Angélica González mütterlicherseits in der Familie und half ihm, die Verbindung herzustellen.

Mitte August war es endlich so weit: Thyden reiste von den USA nach Chile, um nach 42 Jahren seine leibliche Mutter kennenzulernen.

María Angélica González und ihr Sohn waren Opfer des Kinderhandels, der während der Pinochet-Diktatur weit verbreitet war. Über den Fall hatte ebenfalls zuerst „USA Today“ berichtet.

„Mein Sohn, du kannst dir nicht vorstellen, wie viele Tränen ich für dich vergossen habe, wie viele schlaflose Nächte ich verbracht und zu Gott gebetet habe, dass er mich lange genug leben lässt, um herauszufinden, was mit dir passiert ist“, sagte Thydens leibliche Mutter, die in der Großstadt Valdivia im Süden Chiles lebt.

Vor 42 Jahren entführt: DNA-Test klärt den Fall zweifelsfrei

Thydens leibliche Mutter ahnte lange Zeit nicht, dass ihr Kind noch irgendwo lebt. Nach der Geburt wurde ihr lediglich gesagt, Thyden sei als Frühchen gestorben.

„Die Vorgehensweise war sehr einfach: Kinder wurden entführt und verkauft“, erklärt Constanza Del Rio von der Organisation „Nos Buscamos“ gegenüber „USA Today“. „Es ging nicht darum, die Kinder vor Armut oder Hunger zu schützen. Das war die Fassade, die sie aufrechterhielten – das, was sie vorgaben. Die Wahrheit ist, dass diese Kinder aus bedürftigen Familien gerissen wurden, von ahnungslosen Frauen, die sich nicht wehren konnten.“

Thyden veröffentlichte einige Bilder vom emotionalen Wiedersehen auf seinem Instagram-Kanal mit den Sätzen: „Like und TEILE dies, damit Kinder auf der ganzen Welt die Wahrheit erfahren. 42 Jahre lang glaubte man, ich sei tot.“

Als Baby entführter Amerikaner trifft in Chile auf große Familie

Thyden, der mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern in Ashburn, US-Bundestaat Virginia, lebt, sagte gegenüber „USA Today“, es sei unglaublich gewesen, seine Mutter zu treffen, aber es sei eine schwierige Zeit für ihn, sie und den Rest der Familie, einschließlich einer Schwester und vier Brüdern, kennenzulernen.

Die Wahrheit ist, dass diese Kinder aus bedürftigen Familien gerissen wurden, von ahnungslosen Frauen, die sich nicht wehren konnten.
Constanza Del Rio von „Nos Buscamos“

Thyden ist einer der wenigen, denen die Wiedervereinigung mit ihrer leiblichen Familie gelungen ist. Doch bei aller Freude bedauert der 42-Jährige, dass die chilenischen Adoptivkinder kaum Unterstützung erhalten, um ihre Verwandten in der fremden Heimat kennenzulernen.

Nach Schätzungen von Menschenrechtsorganisationen wurden in Chile zwischen 1960 und 1990 etwa 20.000 Babys gewaltsam entführt. Diese Kinder wurden von ahnungslosen Eltern im Ausland adoptiert.

An dieser illegalen Praxis sollen Nonnen, Priester, Ärzte, Hebammen, Sozialarbeiter und sogar Richter beteiligt gewesen sein. Erstmals wurde 2014 darüber berichtet, nachdem die investigative Nachrichtenagentur „Ciper“ die Fälle intensiv recherchiert hatte. (mit AP)