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Kidnapping-ProzessAussagen von Christina Block werfen neue Fragen über mutmaßliche Entführungsaktion auf

5 min
Christina Block bestreitet, die Entführung ihrer Kinder in der Silvesternacht 2023/24 in Auftrag gegeben zu haben. (Archivbild)

Christina Block bestreitet, die Entführung ihrer Kinder in der Silvesternacht 2023/24 in Auftrag gegeben zu haben. (Archivbild)

Christina Block wird beschuldigt, die Entführung ihrer Kinder aus Dänemark beauftragt zu haben. Sie bestreitet die Anschuldigungen im laufenden Prozess.

„Danke, dass Sie mir die Gelegenheit geben, einige Worte an Sie zu richten“ - so beginnt Christina Block am 25. Juli ihre Aussage vor der Strafkammer am Landgericht Hamburg. In einer mehrstündigen Erklärung schilderte sie ihre Geschichte bis ins kleinste Detail – von der Ehe mit Stephan Hensel und der Geburt ihrer vier gemeinsamen Kinder über die spätere Scheidung und den Sorgerechtsstreit bis hin zur Entführung der beiden jüngsten Kinder aus der Obhut ihres Ex-Mannes in Dänemark.

Die Fülle an Details wirft bei den Prozessbeteiligten so viele Fragen auf, dass voraussichtlich auch der sechste Verhandlungstag am Dienstag davon geprägt sein wird.

Der Vorwurf: Auftrag zur Entführung der eigenen Kinder

Die Tochter des Gründers der Steakhaus-Kette „Block House“, Eugen Block, ist angeklagt, die Entführung ihrer Kinder in Auftrag gegeben zu haben. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft waren die damals 10 und 13 Jahre alten Kinder in der Silvesternacht 2023/24 von mehreren Männern gewaltsam ihrem Vater in Dänemark entrissen und nach Deutschland gebracht worden.

Nur wenige Tage blieben der Junge und das Mädchen in Deutschland bei ihrer Mutter. Auf einen Eilantrag des Vaters hin entschied das Hanseatische Oberlandesgericht, dass die Kinder an ihn zurückgegeben werden müssen.

Mit angeklagt ist ein 63-jähriger Anwalt der Block-Gruppe. Er soll die Entführung mit in Auftrag gegeben haben. Als einziger in Haft sitzt ein dritter Beschuldigter. Der 36-jährige Israeli soll direkt an der Rückholaktion beteiligt gewesen sein. 

Blocks Lebenspartner, der frühere Sportmoderator Gerhard Delling (66) sitzt wegen Beihilfe auf der Anklagebank, ebenso wie ein 58-jähriger Leiter eines Hamburger Sicherheitsunternehmens sowie eine Verwandte (49) von Block und deren Ehemann (55). 

Die Vorsitzende Richterin Isabel Hildebrandt duldet keinen Applaus der Zuhörer im Gerichtssaal. (Archivbild)

Die Vorsitzende Richterin Isabel Hildebrandt duldet keinen Applaus der Zuhörer im Gerichtssaal. (Archivbild)

Applaus für Block im Gerichtssaal

Christina Block hat - wie die übrigen Angeklagten - die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft zurückgewiesen: „Ich habe die Entführung an Silvester nicht in Auftrag gegeben.“ In anderen Strafprozessen lassen es Angeklagte mit einem solchen Dementi und einer kürzeren Erklärung oft bewenden. Doch Christina Block will gleich zu Anfang reinen Tisch machen. 

Am dritten Verhandlungstag erklärt sie, es sei das erste Mal seit der Wegnahme ihrer Kinder vor vier Jahren, dass sie sich umfassend dazu äußern könne. Sie kündigt an, alle Fragen beantworten zu wollen.

Zugleich betont sie, dass der Prozess für sie eine Strapaze und eine enorme Belastung sei. Ist ihr klar, was sie sich mit ihrer detaillierten Erklärung auflädt? Beim Publikum im Gerichtssaal kommt ihre Darstellung gut an, die Zuhörer reagieren mit spontanem Applaus. „Ruhe im Zuschauerraum!“, ruft die Vorsitzende Richterin, Isabel Hildebrandt, energisch dazwischen. 

Streit um Frage zu elektronischem Tagebuch

Am vierten Verhandlungstag beginnt die Befragung Blocks. Den ganzen Tag steht die Angeklagte der Richterin Rede und Antwort: Wie kam es zur Beauftragung der israelischen Sicherheitsfirma, die sich nach Blocks Angaben eigentlich nur um die IT-Sicherheit ihres Hotellerie-Unternehmens kümmern sollte, laut Anklage aber die Kinder entführte? Welche Ideen für die Rückholung gab es? Was sprach Christina Block in ihr Handy-Tagebuch? 

Ihr Anwalt Ingo Bott, der inzwischen Otmar Kury als Pflichtverteidiger abgelöst hat, will die Frageflut bremsen. Mit formalen Argumenten kann er erreichen, dass immerhin eine Frage zurückgestellt wird. 

Boot, Hubschrauber und Maskenbildnerin

Block erklärt, dass sie und ihr Vater Detektive und Sicherheitsexperten beschäftigten, dass Rückholszenarien mit einem Boot, einem Hubschrauber oder einer in die dänische Schule ihrer Kinder eingeschleusten Lehrerin im Gespräch waren. 

Alle Prozessbeteiligten - Gericht, Staatsanwaltschaft, Verteidiger und Nebenklage - haben das Recht, die Angeklagten zu befragen. (Archivbild)

Alle Prozessbeteiligten - Gericht, Staatsanwaltschaft, Verteidiger und Nebenklage - haben das Recht, die Angeklagten zu befragen. (Archivbild)

Eine weitere Idee des beauftragten Sicherheitsunternehmens sei gewesen, eine Mitarbeiterin mithilfe einer Maskenbildnerin so zu verändern, dass sie wie die neue Ehefrau des Ex-Mannes aussehe. In dieser Verkleidung sollte die Mitarbeiterin die Kinder aus der Schule abholen. All das seien rein hypothetische Überlegungen gewesen, die im Rückblick verrückt erschienen, betont Block.

Anwalt von Ex-Mann thematisiert Sorgerechtsstreit

In ihren Ausführungen spricht die 52-Jährige immer wieder über ihre Ängste und Gefühle als Mutter und ist dabei mehrfach den Tränen nahe. Hatte sie zu Beginn noch darauf bestanden, ihre Erklärung möglichst ohne Unterbrechung vortragen zu dürfen, wirkt sie im Laufe der Befragung zunehmend erschöpft.

Am fünften Verhandlungstag ergreift erstmals der Anwalt ihres Ex-Mannes das Wort. Stephan Hensel gilt juristisch als Geschädigter, da er laut Anklage bei der Entführung der Kinder zu Boden geschlagen und verletzt wurde. Als Nebenkläger sitzt er seiner früheren Ehefrau im Gerichtssaal direkt gegenüber.

Sein Anwalt, Philip von der Meden, bringt den früheren Sorgerechtsstreit erneut zur Sprache. Warum sie nicht versucht habe, in Dänemark ein Umgangsrecht für die Kinder zu erwirken, möchte er von Block wissen. Sein Mandant habe dort vorsorglich sogar einen entsprechenden Antrag in ihrem Namen gestellt.

Philip von der Meden (links), Anwalt von Christina Blocks Ex-Mann Stephan Hensel (rechts), thematisiert im Prozess um die Entführung der Kinder den Sorgerechtsstreit. (Archivbild)

Philip von der Meden (links), Anwalt von Christina Blocks Ex-Mann Stephan Hensel (rechts), thematisiert im Prozess um die Entführung der Kinder den Sorgerechtsstreit. (Archivbild)

Die Angeklagte antwortet, dass das nur ein Lockmittel für sie sein sollte, mit dem sie ihren Rechtsanspruch in Deutschland aufgegeben hätte. Verteidiger Bott versucht, die Fragen von Meden abzuwehren. Schließlich bittet Block um eine Pause. Die Richterin beendet den Prozesstag rund eine Stunde eher als geplant. 

Nach einem Wochenendbesuch im August 2021 hatte der Vater die Kinder bei sich behalten. Im Oktober 2021 hatte das Hanseatische Oberlandesgericht der Mutter vorläufig das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht zugesprochen. Zugleich verpflichtete das Gericht den Vater zur Herausgabe der Kinder. Vor dänischen Gerichten konnte Block ihren Anspruch nicht durchsetzen.

Noch 30 Verhandlungstage terminiert

Am Dienstag wird sich die 52-Jährige erneut den Fragen des Nebenklagevertreters stellen. Anschließend erhalten die Verteidiger der insgesamt sieben Angeklagten das Fragerecht. Auch wenn sie vermutlich kein Interesse daran haben, die Hauptangeklagte unter Druck zu setzen, steht Block vor der Entscheidung, ob sie weitere Details preisgeben will – mit dem Risiko, dadurch zusätzliche Nachfragen anderer Verfahrensbeteiligter auszulösen.

Die Strafkammer hat noch 30 weitere Verhandlungstage angesetzt. Da zwei Termine zu Beginn ausgefallen sind, könnte sich der Prozess bis ins kommende Jahr verlängern.  (dpa)