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Kommentar zu Tiktok-Trend auf NRW-SchulhöfenDieser angebliche „Arschbohrer“-Scherz macht fassungslos

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Lesezeit 3 Minuten
Illustration TikTok-Phänomen Arschbohrer an NRW-Schulen

Illustration: Zartbitter

An NRW-Schulen hat sich ein übergriffiges Tiktok-Phänomen verbreitet.

Die Grabschereien in nordrhein-westfälischen Schulen sind kein Scherz, sondern sexuelle Gewalt, meint unser Autor.

Was soll lustig daran sein, offene Ketchuptüten unter die Toilettenbrille zu legen? Oder so zu tun, als ob eine Bombe im Rucksack ist, damit die Umstehenden Todesangst ausstehen? Schon die Horrorclowns, die vor Jahren ahnungslose Passanten erschreckt haben, waren bestenfalls nervend.

„Pranks“, angebliche Scherze also, die unter anderem im Internet stattfinden, waren immer schon Geschmackssache. Was jetzt aber mit dem sogenannten Arschbohrer passiert, geht weit über die üblichen Dummheiten hinaus. Es ist schlichtweg sexuelle Gewalt und kein absurder Spaß, wenn man jemandem seine Finger zwischen die Pobacken rammt. Dass dies auf nordrhein-westfälischen Schulhöfen mittlerweile schon zur Normalität gehören soll, macht fassungslos.

Eltern und Lehrpersonal müssen sich einmischen

Kinder und Jugendliche haben in ihrer Entwicklung ein vermehrtes Interesse auch an Sexualität und den damit verbundenen Aspekten wie dem Austarieren von körperlichen und sexuellen Grenzen. In dieser Phase, in der die Seele und das Bewusstsein noch nach Orientierung suchen, können virale Trends eine besondere Anziehungskraft ausüben.

Wenn dann, wie im vorliegenden Fall, fremdverletzendes Verhalten sowie sexuelle Grenzüberschreitungen als Späßchen deklariert werden, muss dringend gegengesteuert werden. Das Thema sollte besprochen werden, im Schulunterricht wie im Elternhaus – um die Grabschereien anschließend zu verbieten. Moderiert werden könnten die Diskussionen von Hilfsvereinen wie Zartbitter. Aber auch der Elternbrief einer Paderborner Grundschule, in dem das Problem drastisch beschrieben wurde, ist ein geeigneter Vorstoß. Und klar, dass die Social-Media-Plattformen, über die die Übergriffe verbreitet und sozusagen auch noch „beworben“ werden, endlich ihrer Verantwortung nachkommen und deartige Videos und Hashtags sperren, ist längst überfällig. 

Kein Unrechtsbewusstsein

Denn viele Kinder und Jugendliche sind sich vermutlich gar nicht bewusst, dass sie Unrecht tun. Und die Opfer des Übergriffs trauen sich oft nicht, dies einem Erwachsenen anzuvertrauen. Einerseits wohl aus Schamgefühl und andererseits, weil eine solche Aktion in der Clique doch längst als üblich gilt. Doch mit dem Lachen der Umstehenden ist die Geschichte für einige der Betroffenen noch lange nicht zu Ende. Denn wenn das Ganze mit dem Handy gefilmt wurde, wird die Demütigung und belastende Ohnmachtserfahrung am Internetpranger oft noch öffentlich und für lange Zeit für jeden abrufbar.

Wer das akzeptiert, lässt zu, dass sich Maßstäbe verschieben. Und der muss sich auch nicht wundern, dass es unter diesem Eindruck in Einzelfällen auch zu extremen Eskalationen kommen kann. Zartbitter betreute vor Kurzem einen Jugendlichen, der sich gegen den „Bohrer“ gewehrt hat. Und der dann von anderen gewaltsam festgehalten und entkleidet wurde, um ihm einen Gegenstand einzuführen. Vergewaltigung, so nennen Experten einen solchen Vorgang. Zurecht!


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