Krankheiten ausgedachtMutter ließ Töchter in NRW unnötigerweise operieren – dreieinhalb Jahre Haft

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Ein Justizbeamter steht bei einem Prozess 2018 in einem Saal des Landgerichts in Paderborn.

Ein Justizbeamter steht bei einem Prozess 2018 in einem Saal des Landgerichts in Paderborn. Dort wurde eine Mutter zu einer Haftstrafe verurteilt, weil sie ihre Kinder unnötigerweise operieren ließ.

Sie täuschte Krankheiten bei ihren Kleinkindern vor und manipulierte Ärzte, schwere Operationen durchzuführen. Nun muss eine Mutter ins Gefängnis.

Das Landgericht Paderborn hat eine 34 Jahre alte Frau aus Büren zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt, weil sie zwei ihrer Kinder unnötigen und zum Teil schwerwiegenden Operationen ausgesetzt hat. Die Strafkammer erkannte nach fast zweimonatiger Prozessdauer auf dreifache Misshandlung von Schutzbefohlenen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Das Urteil, eine dreieinhalbjährige Haftstrafe, ist noch nicht rechtskräftig.

Die Frau hatte zwischen November 2015 und Oktober 2018 einer Tochter einen künstlichen Darmausgang legen lassen, der anderen eine Magensonde. In beiden Fällen hatte sie die gesundheitlichen Einschränkungen der Kleinkinder, die mit den Eingriffen behoben werden sollten, vorgetäuscht und die behandelnden Ärzte entsprechend manipuliert.

Landgericht Paderborn verurteilt Mutter, die eigene Kinder grundlos Operationen aussetzte

„Ich habe zu keinem Zeitpunkt etwas gemacht, was nicht abgesprochen war. Ich habe nie gewollt, dass es meinen Kindern schlecht geht“, sagte die Angeklagte laut einem Gerichtsbeobachter des „Westfalen-Blatt“ in ihrem „letzten Wort“. Die Verteidigung hatte auf Freispruch plädiert, das Gericht folgte jedoch der Argumentation sowie der Strafmaßforderung der Staatsanwaltschaft.

Die Operationen im Kleinkindalter wären für die beiden Kinder wegen möglicher Komplikationen potenziell lebensgefährlich gewesen, bis heute würden sie körperlich wie seelischen unter den Folgen der Operationen leiden.

Mutter aus Paderborn leidet wohl an Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom

Bei der jüngeren Tochter hatte die Mutter nach Überzeugung des Gerichts zudem bewusst eine Unterernährung herbeigeführt, um Ärzte von der Notwendigkeit einer Magensonde zu überzeugen. Nach Erkenntnissen einer psychiatrischen Gutachterin leidet die 34-Jährige an Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom.

Das ist eine Störung, die insbesondere Mütter dazu veranlasst, Beschwerden ihrer Kinder vorzutäuschen, manchmal sogar Symptome durch Verletzungen und Vergiftungen selbst zu erzeugen. Hauptsächlich gehe es den Betroffenen darum, sich als besonders fürsorglich und medizinisch kompetent zu inszenieren.

Kritik äußerte die Staatsanwältin im Rahmen des Prozesses allerdings auch an den behandelnden Ärzten beziehungsweise am Krankenhauswesen. Zwar habe die Mutter die Ärzte manipuliert, dass es letztlich zu den Operationen gekommen sei, läge allerdings auch an einem „Systemfehler“. (pst mit dpa)

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