Neue Studie gibt AntwortenMythos „Schöntrinken“ – Steigt die Attraktivität der Mitmenschen durch Alkoholkonsum?

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Junge Menschen sitzen in einer Bar und trinken Bier. (Symbolbild)

Junge Menschen sitzen in einer Bar und trinken Bier. (Symbolbild)

Je später der Abend, desto schöner die Gäste – hat Alkoholkonsum etwas mit dieser Redewendung zu tun? Eine Studie hat das untersucht.

Eine neue Studie, veröffentlicht vom Journal of Studies on Alkcohol and Drugs, ist der Frage nachgegangen, ob sich Menschen mit Alkohol Mitmenschen tatsächlich „schöntrinken“ können. Das Ergebnis überrascht – und widerspricht in Teilen früherer wissenschaftlicher Studien. Es legt nahe, dass Alkoholkonsum zwar die Wahrscheinlichkeit erhöht, eine Person anzusprechen, die man bereits attraktiv findet, aber keinen Einfluss auf die Bewertung der Attraktivität selbst hat.

Durchgeführt wurde die Studie unter der Leitung von Molly Bowdring vom Stanford Prevention Research Centre an der Universität Stanford in den USA. Der Ablauf sah vor, dass je zwei befreundete Männer, zwischen 21 und 27 Jahre alt, die Attraktivität ihnen gezeigter Frauen zunächst im nüchternen Zustand und in einer weiteren Sitzung leicht alkoholisiert bewerten.

Kann man sich seine Mitmenschen „schöntrinken“? – Studie gibt Antworten

Anders als in früheren Studien bekamen die Männer dabei jeweils auch die Aussicht, die von ihnen bewerteten Frauen potenziell zu treffen. Die Frauen wurden ihnen auf Fotos und Videos gezeigt, bewertet wurde auf einer mehrstufigen Skala.

Nachdem die Bewertungen abgegeben worden waren, wurden die Männer gebeten, diejenigen Frauen auszuwählen, mit denen sie sich am liebsten treffen würden. Die befreundeten Männer führten die Bewertungen laut Studie immer gemeinsam durch, um der sozialen Interaktion einer realen Trinksituation möglichst nahezukommen.

Alkohol macht Mitmenschen nicht attraktiver: Studie kommt zu überraschendem Ergebnis

Das überraschende Ergebnis: Laut der Forscher hätten sie keine Anzeichen dafür feststellen können, dass die Männer angetrunken anders bewertet hätten als nüchtern. „Der bekannte Effekt der ‚Bierbrille‘ durch Alkohol taucht manchmal in der Literatur auf, aber nicht so konsequent, wie man erwarten könnte“, so Professor Sayette von der Universität von Pittsburgh.

Der bekannte Effekt der ‚Bierbrille‘ durch Alkohol taucht manchmal in der Literatur auf, aber nicht so konsequent, wie man erwarten könnte.
Professor Sayette von der Universität von Pittsburgh

Ganz ohne Einfluss blieb der Alkoholkonsum in Bezug aufs Flirten nicht. Die Forscher fanden laut Studie heraus, dass es angetrunkene Probanden durchaus eher den Wunsch äußerten, die von ihnen als attraktiv eingestuften Frauen tatsächlich auch zu treffen. Der Alkohol machte sie also mutiger.

Alkoholkonsum stärkt Vertrauen in Interaktionen

Unter Alkoholeinfluss war die Wahrscheinlichkeit, eine der vier attraktivsten Kandidatinnen im realen Leben zu treffen, 1,7-mal höher als nüchtern. Die Forscher vermuten demnach, dass Alkohol nicht die Wahrnehmung von Attraktivität verändert, sondern eher das Vertrauen in Interaktionen stärkt und die Männer motiviert, für sie attraktive Frauen auch treffen zu wollen.

Ist das Schöntrinken also nur ein Mythos? Klar mit „nein“ beantworten kann die Studie diese Frage nicht. Den Probanden wurde in der Studie lediglich ein alkoholisches Getränk (bis zu einem maximalen Blutalkoholgehalt von 0,08 Promille) verabreicht – ob und inwiefern sich die Bewertung beispielsweise im Vollrausch verändert, untersuchten die Wissenschaftler nicht.

Frühere Studien kommen teilweise zu anderen Ergebnissen

Frühere Studien waren durchaus zu dem Ergebnis gekommen, dass alkoholisierten Versuchspersonen ihnen gezeigte Gesichter durchweg attraktiver bewerteten – unabhängig vom Geschlecht oder der sexuellen Neigung.

„Alkoholkonsum erhöht die Bewertung der Attraktivität von Gesichtsreizen, und dieser Effekt ist nicht selektiv für Gesichter anderen Geschlechts“, schlussfolgerten Marcus Munafò und Kollegen in einer 2008 veröffentlichten wissenschaftlichen Untersuchung. Im Vergleich zu Probanden mit einem Placebogetränk bewerteten leicht alkoholisierte Versuchspersonen die Gesichter durchweg attraktiver, so das Fazit im Fachblatt „Alcohol and Alkoholism“.

Wo die Gründe für diese veränderte Wahrnehmung lägen, sei noch nicht klar, sagten die Forscher nach einem Bericht des Magazins „New Scientist“. Bisher waren Psychologen davon ausgegangen, dass die enthemmende Wirkung des Alkohols bei der Beurteilung der Attraktivität vor allem die sexuellen Aspekte in den Vordergrund rücke.

Französische Forscher konstatierten nach einer Studie zur Einschätzung von Attraktivität unter Alkoholkonsum im „Journal of Psychology“, dass allein der Glaube, unter Alkoholeinfluss zu stehen, die Bewertung – auch der eigenen Attraktivität – beeinflusse.

Die Wissenschaft ist sich also bislang nicht ganz einig, inwiefern Alkoholkonsum die Bewertung der Attraktivität anderer Menschen verändert. (pst)

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