Nach VergewaltigungenUniklinik Bonn bietet Opfern anonyme Untersuchung an

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Keyver-Paik

Mignon-Denise Keyver-Paik berät Patientinnen, die Spuren anonym sichern lassen wollen. 

Bonn – Etwa ein bis zweimal im Monat kommt es vor, dass eine Frau nach einer Vergewaltigung in die Uniklinik in Bonn kommt und nach einer anonymen Spurensicherung fragt. Meist ist es nachts, die Zeit drängt, die Spuren müssen gesichert werden.

„Kommen Sie in drei Tagen wieder“, kann Mignon-Denise Keyver-Paik dann nicht sagen. Egal, wie voll die Ambulanz ist. Egal, wie hektisch der Betrieb. Die Leiterin der Abteilung für Gynäkologie und Gynäkologische Onkologie nimmt sich Zeit. Mindestens eine Stunde, schneller geht es nicht. Denn was jetzt wichtig ist, ist Ruhe. Und vor allem Präzision.

Genaue Aufnahme der Spuren

Keyver-Paik misst die Verletzungen aus, macht Fotos, sichert DNA-Spuren. Sie hört zu, ganz genau. Was ist passiert? Wie lange ist die Tat her? Hat sich die Patientin nach der Tat gewaschen? Sie berät, wie kann es weitergehen. Und dann, wenn die Untersuchung abgeschlossen ist, sie der Patientin saubere Unterwäsche oder manchmal auch die Pille Danach gegeben hat, verpackt Keyver-Paik die Spuren. Ganz sauber.

So, dass sie am nächsten Morgen in das Institut für Rechtsmedizin gebracht werden können. Dort – nur mit einer Ziffer versehen – werden sie für die nächsten zehn Jahre gelagert. Alles bleibt anonym: Die Polizei erfährt nichts. Nichts von Untersuchung. Nichts von der Tat. Wer Opfer sexualisierter Gewalt geworden ist und aus Scham oder Angst erst einmal keine Anzeige erstatten will, hat so die Möglichkeit, auch später auf die Tatspuren zurückgreifen zu können.

Seit langem weisen Mediziner, Wissenschaftler und Frauenberatungsstellen darauf hin, dass es in NRW an Kliniken und geschulten Ärzten für die anonyme Spurensicherung fehle. Vor einigen Wochen gab es dazu eine Anhörung im Düsseldorfer Landtag. Auch an verbindlichen Regeln fehlt es: Wie sollen die Untersuchungen finanziert werden? Wie werden die Beweisspuren transportiert und gelagert?

Standards werden bundesweit erst seit kurzem diskutiert

Bundesweit wird seit dem vergangenen Jahr über Standards nachgedacht. Bis es soweit sei, brauche es jedoch erst einmal eine Lösung für Nordrhein-Westfalen, fordert Conny Schulte vom Landesverband autonomer Frauen-Notrufe.

Der Ausbau der anonymen Spurensicherung steht zwar im Koalitionsvertrag. Wie es mit der Umsetzung weitergehen soll, ist jedoch noch nicht vollständig geklärt.

CDU und FDP haben die Landesregierung jetzt in einem Antrag dazu aufgefordert, mehr Anlaufstellen zu schaffen und das Angebot, das sich bisher hauptsächlich an betroffene Frauen richtet, auch auf Männer auszuweiten. Außerdem soll laut Susanne Schneider, Sprecherin der FDP-Landtagsfraktion NRW für Gesundheit und Gleichstellung, geprüft werden, ob auch ärztliche Leistungen übergangsweise durch das Land übernommen werden können.

Ärzte arbeiten bisher unbezahlt

Weil die Untersuchung aus Anonymitätsgründen nicht über die Krankenkasse abgerechnet werden kann, arbeiten Ärzte in der gynäkologischen Ambulanz bisher unbezahlt. Seit dem Jahr 2015 gibt es vom Land zwar eine finanzielle Unterstützung für die Kooperationen zwischen den Opferschutzverbänden, den Kliniken, der Staatsanwaltschaft und der Polizei.

Die ärztlichen Leistungen und die Analyse der Spuren im Labor werden aber nicht gefördert. Gerade in ländlichen Regionen müssten Opfer lange Wege in Kauf nehmen, um sich untersuchen zu lassen, so die Gynäkologin Keyver-Paik.

Denn die Untersuchung könne nur von einem Oberarzt, einem Facharzt oder einem extra geschulten Assistenzarzt durchgeführt werden. Ansätze und Modelle zur anonymen Spurensicherung existieren in NRW seit 2001. Heute gibt es in etwa 23 Städten und Kreisen Kooperationen, die eine derartige Untersuchung ermöglichen.

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