#OutInChurchLesbische kfd-Chefin prangert kirchliche Doppelmoral an

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Brigitte Vielhaus

Frau Vielhaus, Sie haben sich der Initiative #outinchurch nicht heterosexueller Menschen im Dienst der katholischen Kirche angeschlossen. Warum eigentlich „in church“, in der Kirche, und nicht raus aus der Kirche als einer Organisation, die schwulen, lesbischen, queeren Menschen gleiche Rechte verweigert?

Brigitte Vielhaus: Ich sehe die Spannung und die Ambivalenz. In meinem Sportverein zum Beispiel kapiert niemand mehr, warum ich mit meiner Biografie und Lebensform noch „bei der Kirche“ mitmache. Im Grunde ist das auch nicht zu verstehen. Aber ich stehe dazu.

Warum?

Mich hält die Kraft des gelebten Glaubens in den Gemeinden und Verbänden, etwa der kfd. Wenn das ganze Kirchengefüge, wie wir es kennen, zusammenbrechen sollte, dann wird dort auch ein Neuanfang möglich werden. Diese Überzeugung hat mich mein ganzes Leben getragen, und deshalb bleibe ich #outinchurch“. Ich bewundere, dass sich dort so viele Menschen gefunden haben, die sich zu ihrer sexuellen Identität und zu ihrer Lebensform bekennen.

Eigentlich etwas völlig Normales.

Insofern mutet eine solche Aktion schon auch skurril an.

Was ist das Skurrile daran?

Dass es solch eines Aufschlags in der katholischen Kirche überhaupt bedarf. Dass man meint, etwas bekennen, erklären, rechtfertigen oder verlangen zu müssen, was nun mal völlig normal ist – und was ich selbst seit Jahr und Tag auch völlig selbstverständlich lebe. Diese Initiative jetzt macht Menschen frei. Aber sie kann auch Druck machen. Ich rate dazu, niemanden zu überfordern oder zu strapazieren, der oder die jetzt noch nicht aus der Deckung kommt, in der man sich vielleicht seit langem eingerichtet hat.

Wird „Skurrilität“ dem Leidensdruck gerecht, den die Protagonistinnen und Protagonisten der Initiative jetzt auch öffentlich bekundet haben? In der begleitenden ARD-Doku sind viele Tränen geflossen.

Ich weiß. Und ich weine sie mit aus Solidarität mit all denen, die in der Kirche nicht sie selbst sein dürfen. Da geht es ja nicht nur um Homosexualität oder Transgender, sondern zum Beispiel auch um die wiederverheirateten Geschiedenen in der Kirche. All diese Leidensgeschichten schreien zum Himmel – und nach Veränderung. Auch deshalb ist der Aufschrei von #outinchurch richtig. Und deshalb bin ich dabei.

Das ist #Outinchurch

Am 24. Januar starteten 125 nicht-heterosexuelle katholische Menschen die Outing-Aktion #outinchurch. Am selben Tag zeigte die ARD eine Dokumentation des Investigativ-Journalisten Hajo Seppelt über die Diskriminierung von Mitarbeitenden durch die katholische Kirche und das kirchliche Arbeitsrecht.

Ein Manifest von #outinchurch und eine Petition wird von inzwischen mehr als 90.000 Unterzeichnern getragen (Stand: Freitag 11 Uhr). Auch mehr als 20 katholische Verbände und Organisationen traten der Initiative bei. Eine Reihe von Bischöfen stellte sich ebenfalls hinter die Anliegen der Initiative.

Die Forderungen der Initiative #outinchurch sind auch Thema auf der Plenartagung des „Synodalen Wegs“, eines Reformprozesses der katholischen Kirche, von Donnerstag bis Samstag in Frankfurt am Main. (jf)

Hatten Sie selbst auch zu leiden?

Ich hatte noch nie Grund, mich zu verstecken. Weder in meiner Familie noch im Beruf oder in meinem privaten Umfeld.

Ihre Arbeitgeberin, die „Katholische Frauen-Gemeinschaft“ (kfd), wusste von Ihrer lesbischen Beziehung?

Klar. Und wer mich gefragt hat, hat auch eine ehrliche Antwort bekommen.

Ihr Verband sitzt in Düsseldorf. Wusste auch Ihr Erzbischof in Köln Bescheid?

Nein, nicht dass ich wüsste. Allerdings kann ich mir vorstellen, dass es noch vor zehn Jahren bei einem solchen Statement deutliche Missbilligungen des Kardinals gegeben hätte.

Welche Reaktionen gab es auf Ihr Statement?

Es kam sehr viel Positives und Unterstützendes von verschiedenen Seiten. Der Bundesvorstand der kfd-Vorstand steht voll zu mir. Aber das ist nicht überall so, und diese Unsicherheit gehört für jeden queeren Menschen im Dienst der Kirche auf die Angst-Seite. Ich selbst habe mich zwar nie in akuter Gefahr gefühlt, aber ich müsste lügen, wenn ich sagte, ich war ohne Ängste.

Was waren das für Ängste?

Ich hatte manchmal Sorge um meine Familie. Das hat mich im öffentlichen Auftreten dann etwas zurückhaltend sein lassen. Andererseits habe ich Berufliches und Privates immer getrennt. Meine Partnerin und ich hatten gar nicht das Bedürfnis, gemeinsam offiziell in Erscheinung zu treten. Mein Verband, die kfd, kämpft seit Jahrzehnten gegen Geschlechterdiskriminierung. Insofern war das immer ein gutes und richtiges Umfeld für mich. Mit #outinchurch war jetzt der Moment gekommen, zu sagen: „Da musst du mitmachen, sonst bist du nicht mehr glaubwürdig.“

Als die kfd sich 1999 für Frauen im Priesteramt und die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften ausgesprochen hat, drohte die Bischofskonferenz mit Geldentzug und der Aberkennung des Katholisch seins. Da sind die Angstszenarien für queere Mitarbeitende doch sehr real.

Geschäftsführerin der kfd bin ich erst seit 2018. Aber natürlich hat der Druck der Bischöfe damals massiv Ängste geschürt. Umgekehrt aber auch Widerstand. Das gehört zusammen.

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Für wie wahrscheinlich halten Sie Reformen in Sachen Geschlechtergerechtigkeit auf dem laufenden „Synodalen Weg“ der katholischen Kirche in Deutschland?

Zumindest beim kirchlichen Arbeitsrecht, einer spezifisch deutschen Materie, muss und wird etwas passieren. Die diskriminierenden Klauseln in den Arbeitsverträgen müssen fallen. Das haben auch zahlreiche Bischöfe und Generalvikare inzwischen so deutlicherklärt, dass sie ihre letzte Glaubwürdigkeit verlieren, wenn das jetzt nicht „Schwarz auf Weiß“ folgt. Aber auch die menschenfeindlichen Aussagen des römischen Lehramts dürfen keinen Bestand haben.

Dieses Lehramt verbietet Segnungen homosexueller Paare, weil Gott – so wörtlich – „die Sünde nicht segnet und sie nicht segnen kann“. Oder es untersagt die Priesterweihe für homosexuelle Männer, weil sie gehindert seien, „korrekte Beziehungen zu Männern und Frauen aufzubauen“.

Schlimm, ganz schlimm! Solche Aussagen sind falsch und werden widerlegt von der Liebe und der Kraft der Menschen. Die Kirche irrt mit dieser Haltung. Und lebt zugleich eine Doppelmoral, die selbst zum Himmel schreit.

Welche gelebte Doppelmoral?

Es ist doch ein offenes Geheimnis, dass viele Kleriker in Beziehungen leben – dem priesterlichen Zölibat zum Trotz. Das haben die Menschen in den Pfarrgemeinden immer schon gewusst. Aber das wurde weggeschwiegen, um des Erscheinungsbilds der Institution nach außen. Dasselbe Systemschweigen wie im Missbrauchsskandal. Auch das muss jetzt enden.

In der Vollversammlung des Synodalen Wegs hat die Sitzordnung Sie neben dem Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer vorgesehen, dem wohl entschiedensten Reformgegner. Wie geht das so, drei Tage Seit‘ an Seit‘?

Mit dem Anfangsbuchstaben unserer Namen treibt das Schicksal – oder das Alphabet – uns ungewollt zusammen. Ich bin katholisch, er ist katholisch. Wenn ich für Vielfalt einstehe, muss das auch für die Spielarten und die Weite des Katholischen gelten. Bischof Voderholzer und ich werden inhaltlich kaum zusammenkommen. Aber: Wir bleiben in der Synodalversammlung in räumlicher Nähe. Er bleibt, und ich bleibe auch, Denn so eine wie ich, die hat der Kirche auch viel zu geben.

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