Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

ARD-Doku über Pistorius' „Soldat Nr. 1“So will er ein „Worst-Case-Szenario“ mit Russland verhindern

4 min
Verteidigungsminister Boris Pistorius (links) pflegt ein Vertrauensverhältnis zu Carsten Breuer. (Bild: NDR / Lucas Stratmann)

Verteidigungsminister Boris Pistorius (links) pflegt ein Vertrauensverhältnis zu Carsten Breuer. (Bild: NDR / Lucas Stratmann)

Er ist „eine der wichtigsten Leute“ von Verteidigungsminister Boris Pistorius: Carsten Breuer, Generalinspekteur der Bundeswehr, soll Deutschland durch militärisch unsichere Zeiten manövrieren. Wie er das schaffen will und was ihn „beunruhigt“, erklärte er in einer ARD-Doku.

Spätestens mit der Rückkehr der Wehrpflicht ist die Bundeswehr wieder in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Blickt man auf die volatile weltpolitische Lage und nimmt man das Sondervermögen für die Armee dazu, scheint klar: Ohne Verteidigungsfähigkeit droht Europa und Deutschland Ungemach. „Wir sind in einem Zustand, der nicht mehr ganz Frieden, aber auch noch nicht ganz Krieg ist“, umreißt Carsten Breuer, Generalinspekteur der Bundeswehr, die Lage. Für die TV-Doku „ARD Story: Soldat Nr. 1 - Der General und die Zeitenwende“ ließ sich Breuer erstmals umfassend von einem Kamerateam begleiten.

Man ist hautnah dabei, während Breuer zwischen Südlibanon, der Ukraine und der Münchner Sicherheitskonferenz hin- und herpendelt. Stets im Gepäck ist die angespannte Situation mit Russland. Man stehe an der „Bruchkante einer neuen Weltordnung“, erklärt Breuer seine Sicht auf die Dinge. Um sich dieser Gefahr zu stellen, brauche es innerhalb der Gesellschaft ein neues Bewusstsein. „Wir haben über Jahre hinweg Sicherheit outgesourced“, meint Breuer und fordert eine Trendwende.

Boris Pistorius sieht Carsten Breuer als „einen meiner wichtigsten Leute“

Auch mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (rechts) befindet sich Carsten Breuer im stetigen Austausch. (Bild: NDR / Willem Konrad)

Auch mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (rechts) befindet sich Carsten Breuer im stetigen Austausch. (Bild: NDR / Willem Konrad)

Um diese zu erreichen, geht der oberste militärische Berater der Bundesregierung voran, zeigt Präsenz - auch im medialen Geschehen. Breuer sehe sich „als Kommunikator“, skizziert er am Rande eines Talkshow-Auftritts bei Sandra Maischberger. „Wir haben eine große äußere Bedrohung, und wir haben aus meiner Sicht noch nicht die Aufmerksamkeit aus der Bevölkerung.“ Von seinem Vorgesetzten, Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius, genießt er volle Rückendeckung. Als „Transmissionsriemen zwischen Politik und Truppe“ sei Breuer „einer meiner wichtigsten Leute“, betont der SPD-Mann.

Beide fahren eine gemeinsame Linie, auch in der transparenten wie schonungslosen Kommunikation nach außen. Zusammen prägten sie die Zielsetzung, Deutschland müsse wieder kriegstüchtig werden. „Er hat aufgerüttelt“, erklärt Pistorius den Vorstoß seines Vertrauten, mit 2029 auch ein konkretes Datum zu nennen. Das entfalte zudem Signalwirkung in Richtung Moskau, fügt Sicherheitsexpertin Claudia Major an: „Es ist eine Aufgabe für uns, die Streitkräfte, die Gesellschaft und die Industrie so einsatz- und handlungsfähig zu machen, dass das russische Kalkül sein muss: Ein Angriff lohnt sich nicht, weil die Kosten höher wären als die Gewinne, die sich Moskau erhofft.“

In Krisengebieten, wie hier in Litauen nahe der russischen Grenze, holt sich Carsten Breuer (links) wichtige Lageberichte ein. (Bild: NDR / Lucas Stratmann)

In Krisengebieten, wie hier in Litauen nahe der russischen Grenze, holt sich Carsten Breuer (links) wichtige Lageberichte ein. (Bild: NDR / Lucas Stratmann)

Ein Zeichen der Stärke in Richtung Kreml hält auch Militärexperte Sören Neitzel für unabdingbar. Die Wahrnehmung eines schwachen Westens, die teilweise im Kreml vorherrsche, dürfte man „nicht befördern, sonst befördern wir eine militärische Konfrontation“. Dass ausgerechnet jetzt mit US-Präsident Donald Trump eine unberechenbare Variable in der vordersten Reihe der Weltpolitik mitmische, sei „etwas, was mich beunruhigt“, räumt Carsten Breuer ein. Major beobachtet gar eine „sehr alarmistische Stimmung“.

Politikwissenschaftlerin skizziert Worst-Case-Szenario: „Dann reißen wir die anderen mit rein“

Entsprechend zentral sei es aktuell, die „Einheitlichkeit der Nato“ um jeden Preis zu wahren, appelliert Breuer. Daraus ergebe sich nach Meinung von Claudia Major die Notwendigkeit einer glaubhaften Abschreckung. Gleichermaßen setze sich Deutschland mit den ambitionierten Plänen rund um Sondervermögen und Militarisierung auch unter Druck, denn: „Wenn Deutschland das gut macht, kann es viele andere Partner befähigen. Wenn es die Phase der Neuaufstellung gegen die Wand fährt, reißen wir die anderen mit rein.“

Es sei ein Dilemma, so argumentiert Sören Neitzel in der Doku der Filmemacher Willem Konrad und Lucas Stratmann, dass man Putin schlicht „nicht in den Kopf schauen“ könne. Man stehe an einer „Wegscheide der transatlantischen Beziehung“, auch wegen der kräftezehrenden Unterstützung der Ukraine: „Es ist eine doppelte Herausforderung, gleichzeitig die eigenen Streitkräfte kriegstüchtig zu machen und die Ukraine mit Material auszustatten. Das ist eine Herkulesaufgabe.“

Trotz der verzwickten Lage ist Carsten Breuer sichtlich darum bemüht, Zuversicht auszustrahlen. „Ja, wir sind bedroht, aber ja, wir können etwas dagegen tun“, betont er im 45-minütigen Film. Man dürfe es schlicht nicht zulassen, dass das „Worst-Case-Szenario“ eines zerbrochenen Zusammenhalts in der Nato eintrete: „Dann öffnet man geografisch und politisch Europa.“ So emotional die Debatte teilweise auch geführt werde, sei ein „faktenbasierter“ Ansatz sehr wichtig, so Breuer. (tsch)