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Der Lauf der ZeitZum 80. Geburtstag von Wim Wenders

4 min
Am 14. August wird Wim Wenders 80 Jahre alt. Die Dokumentation „Wim Wenders, Desperado“ zeigte den Regisseur in seltenen Archivaufnahmen. (Bild: NDR/Wim Wenders Stiftung)

Am 14. August wird Wim Wenders 80 Jahre alt. Die Dokumentation „Wim Wenders, Desperado“ zeigte den Regisseur in seltenen Archivaufnahmen. (Bild: NDR/Wim Wenders Stiftung)

Am 14. August 2025 wird Wim Wenders, der auch im Ausland neben Werner Herzog größte deutsche Regisseur, 80 Jahre alt. Eine Würdigung des „ewig suchenden“ Filmemachers, der trotz eigener Rastlosigkeit stets auch Poesie in der Ruhe fand.

Wim Wenders (zweiter von rechts) hat alles unter Kontrolle - zum Beispiel bei den Dreharbeiten zu „Paris, Texas“. (Bild: NDR/Wim Wenders Stiftung)

Wim Wenders (zweiter von rechts) hat alles unter Kontrolle - zum Beispiel bei den Dreharbeiten zu „Paris, Texas“. (Bild: NDR/Wim Wenders Stiftung)

„Paris, Texas“, ein Melodram inmitten der kalifornischen Wüste unter unendlichem Horizont, in dem ein Vater die Mutter seines Sohnes sucht und schließlich in der Kabine einer Peepshow findet: Das war lange Zeit Wim Wenders' schönster Film. Das poetische Werk wurde 1984 in Cannes mit der Goldenen Palme geehrt. An die Croisette wurde Wenders, der neben Werner Herzog im Ausland wohl angesehenste lebende deutsche Regisseur, immer wieder eingeladen. Zuletzt 2023 mit dem in Japan produzierten Film „Perfect Days“, in dem Wenders einmal mehr beweist, wie viel Poesie in ruhenden Bildern stecken kann.

Es war sein großer Durchbruch: Wim Wenders (rechts), Nastassja Kinski und Harry Dean Stanton während Dreharbeiten zu „Paris, Texas“. (Bild: NDR/Wim Wenders Stiftung)

Es war sein großer Durchbruch: Wim Wenders (rechts), Nastassja Kinski und Harry Dean Stanton während Dreharbeiten zu „Paris, Texas“. (Bild: NDR/Wim Wenders Stiftung)

Am 14. August 2025 vollendet der 1945 in Düsseldorf geborene Wilhelm Ernst „Wim“ Wenders sein 80. Lebensjahr. Er ist stets ein Regisseur geblieben, der seine Filme mit größtmöglicher fotografischer Exaktheit inszeniert, der unter Ungenauigkeiten leidet. „Heute erscheint in der Tat vieles beliebig ins Bild gesetzt. Die Regisseure sind sich ihrer Mittel nicht bewusst oder gehen davon aus, dass es dem Zuschauer egal ist, ob die Bilder gut quadriert sind oder nicht“, sagte er vor ein paar Jahren in Cannes.

Wim Wenders zählt zu den wichtigsten Filmemachern Deutschlands. (Bild: NDR/Wim Wenders Stiftung)

Wim Wenders zählt zu den wichtigsten Filmemachern Deutschlands. (Bild: NDR/Wim Wenders Stiftung)

Wenders' Filme sind fast immer Reisefilme. „Die Helden in den Filmen von Wim Wenders sind unstet, im Elend wie in der Fremde“, schrieb einst der Kritiker Wolfram Schütte anlässlich des Wenders-Films „Im Lauf der Zeit“ von 1976, der den Ruhm des Neuen Deutschen Films wesentlich mitbegründete. Wenders-Filme führen von Wien ins Burgenland (“Die Angst des Tormanns beim Elfmeter“), von New York nach Amsterdam (“Alice in den Städten“), von der Nordsee bis zur Zugspitze (“Falsche Bewegung“). Sie sind Fluchtbewegungen, die den Reisenden nach Niederlagen doch noch persönliche Erfüllung bringen. Auch in seinen Dokumentationen verlässt Wenders immer wieder die deutsche Heimat, zog etwa mit dem brasilianischen Fotografen Sebastião Salgado für das betörende und gleichzeitig verstörende Großwerk „Das Salz der Erde“ um den Globus.

Wenders' erstes Meisterwerk

Wenders drehte immer wieder in den USA - so auch im Fall von „Don't Come Knocking“. (Bild: NDR/Wim Wenders Stiftung)

Wenders drehte immer wieder in den USA - so auch im Fall von „Don't Come Knocking“. (Bild: NDR/Wim Wenders Stiftung)

„Im Lauf der Zeit“ wurde zu Wenders' erstem Meisterwerk: Ein Reparateur von Kinoprojektoren, ein Arzt am Sterbebett des Kinos gewissermaßen, und einer, der seine Frau verlassen hat und nun an die Elbe fährt, begegnen hier einander und tingeln gemeinsam - auf einer „Reise nach innen“ - an der innerdeutschen Grenze entlang. Landschaften, Tageszeiten, die Zeit selbst ziehen den Zuschauer in ihren Sog. Wenders drehte elf Wochen „on the road“, suchte die Drehorte spontan, schrieb Dialoge nächtens um. Er filmte schon damals mit viel Wagemut.

Mit Dennis Hopper in der Hauptrolle drehte Wenders (links) das Krimidrama „Der Amerikanische Freund“. (Bild: NDR/Wim Wenders Stiftung)

Mit Dennis Hopper in der Hauptrolle drehte Wenders (links) das Krimidrama „Der Amerikanische Freund“. (Bild: NDR/Wim Wenders Stiftung)

Nach der Patricia-Highsmith-Verfimung „Der amerikanischen Freund“ von 1977, seiner ersten internationalen Koproduktion, holte ihn Francis Ford Coppola nach Hollywood. Was der Höhepunkt einer Regiekarriere hätte werden sollen, geriet allerdings zum Beinahe-Flop: Nach jahrelanger Vorarbeit und den fast abgeschlossenen Dreharbeiten zum Neo-Noir-Film „Hammett“ stieg Coppola aus. Nur mit Mühe gelang es Wenders, seinen eigenen, kleineren Film fertigzustellen. Als er später mit dem in Portugal gedrehten „Der Stand der Dinge“ mit Hollywood abrechnete, wurde er dafür in Venedig mit dem Goldenen Löwen belohnt. Im „Himmel über Berlin“ schwebten geradezu seherisch Bruno Ganz und Otto Sander als Engel über der geteilten Stadt. Folgerichtig gab es den Regiepreis in Cannes.

Der große Grübler

Sein vielleicht schönster Film: Bruno Ganz in Wenders' „Der Himmel über Berlin“. (Bild: NDR/Wim Wenders Stiftung)

Sein vielleicht schönster Film: Bruno Ganz in Wenders' „Der Himmel über Berlin“. (Bild: NDR/Wim Wenders Stiftung)

Den „größten Grübler unter Deutschlands Regisseuren“ nannte man den teils in Los Angeles, teils in Berlin lebenden Regisseur bisweilen. Wenn man ihn sehr langsam und bedächtig sprechen hört, mochte man ihn in einer lauten und schnelllebigen Zeit leicht unterschätzen. Dennoch wurde der theologische Ehrendoktor der Sorbonne international zur cineastischen Kultfigur. Vermehrt verlegt er sich zuletzt auch auf hochwertige Dokumentationen - über den berühmten „Buena Vista Social Club“, über Pina Bausch (“Pina“) und eben über den Papst. Wenn er erklärt, dass etwa sein Film „Land of Plenty“ genauso teuer war wie eine große Hollywood-Produktion an einem halben Drehtag, dann schwingt immer noch die alte Hassliebe zu Hollywood mit. „Aber diese Peanuts verschaffen mir Freiheit“, so brachte er es einmal auf den Punkt und schwärmt zugleich für Digitalfilme mit kleinem Budget. Und selbst der Leinwand will der bildgewaltige Filmschöpfer kein Monopol zugestehen: Ausgefeilte, durchdachte Bilder halten ihm zufolge selbst das Kleinformat eines Tablets aus.

Kein Maler oder Filmemacher ohne Musen: Privat hatte Wenders fast so viele Frauen an seiner Seite wie er Filme inszenierte. Inzwischen ist er mit der Berliner Fotografin Donata Wenders in dritter Ehe verheiratet und gibt mit ihr gemeinsame Fotobände heraus. Fotografieren, „Schreiben mit Licht“, ist seine zweite Leidenschaft.

Anlässlich seines 80. Geburtstags zeigt ARTE am Montag, 18. August, um 22:35 Uhr den Dokumentarfilm „Wim Wenders: Der ewig Suchende“ von Marcel Wehn. Der Film geht der Frage nach, wie sich Wenders' Reiselandschaft und seine Begeisterung für verschiedene Künste auf sein filmisches Werk auswirken. „Der ewig Suchende“ ist außerdem bis 8. November 2025 in der Mediathek des Senders verfügbar. (tsch)