Angela Merkel findet: Wir sollten mehr mit den Menschen sprechen, die in den vergangenen Jahren als Geflüchtete nach Deutschland kamen. In einer neuen ARD-Doku tut die Altkanzlerin nun genau das.
Im ARD-Gespräch mit Geflüchteten nennt Merkel das Verhalten einiger Deutscher „beschämend“

Angela Merkel (links) trifft sich mit Geflüchteten wie Mahsa Narimani (rechts). (Bild: WDR)
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„Hier setzt sich gleich Frau Merkel - direkt neben mich!“, freut sich Akram Al Homsy. Auch Mahsa Narimani ist „ein bisschen aufgeregt“ vor der Begegnung, die der WDR bereits vor einigen Monaten im syrischen Restaurant Malakeh in Berlin Schöneberg aufgezeichnet hat. Im Ersten ist das Gespräch zwischen Angela Merkel und mehreren Geflüchteten nun im Rahmen der Dokumentation „Danke, aber ... Zehn Jahre nach Merkels Versprechen“ zu sehen.
„Wir sprechen ja oft über Menschen, die zu uns kamen, aber vielleicht nicht oft genug mit Menschen, die zu uns kamen“, glaubt die Altkanzlerin. Bei dem einstündigen Treffen stellt sie klar, dass sie noch immer zu ihrer Durchhalteparole „Wir schaffen das“ steht. „Wenn ich jetzt nach 2015 zurückgehe, dann würde ich die Entscheidung in der Situation, wie sie damals war, wieder so treffen“, sagt sie.
„War Ihnen nicht klar, dass nicht alle jubeln werden?“

Mahsa Narimani und Sadegh Ranjbar haben sich in Buxtehude ein neues Leben aufgebaut. (Bild: WDR)
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Aufmerksam hört Merkel zu, als Mahsa Narimani von ihrer Ankunft in Deutschland berichtet. Die 27-Jährige flüchtete vor einigen Jahren als Hochschwangere mit ihrem Partner Sadegh Ranijbar aus dem Iran. Als ihr Bus von Demonstranten belagert wurde, habe sie zunächst gedacht: „Die kommen, um uns Willkommen zu sagen!“ Dann jedoch sei ihr schlagartig klargeworden, dass die Menge ihnen nicht freundlich gesinnt war: „Die Leute haben Schneebälle an den Bus geworfen. In dem Moment habe ich gemerkt: Oh man, etwas ist schiefgelaufen.“
Die ehemalige Bundeskanzlerin findet: „Das ist beschämend.“ Selbst im Falle einer Abweisung sei es hierzulande „die Pflicht, dass wir mit den Menschen vernünftig umgehen, dass wir sie als Menschen behandeln, dass wir freundlich zu ihnen sind“. Einer der Anwesenden hakt nach: „Aber war Ihnen nicht klar, wenn man so viele Leute reinlässt, dass dann auch nicht alle jubeln werden?“ Auch hierauf hat Merkel eine klare Antwort: „Ich habe nicht gesagt, wir schaffen das, weil ich geglaubt habe, es ist gar nichts Besonderes. Ich wusste ja, dass das eine ganz besondere Situation ist. Aber dann Menschen anzupöbeln - das ist nicht gut.“

In einem syrischen Restaurant in Berlin spricht Angela Merkel mit Menschen, die einst nach Deutschland flüchteten. (Bild: WDR/Mirko Polo)
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Gemeinsam haben alle von Merkels Gesprächspartnerinnen und -partnern, dass sie einst voller Hoffnung nach Deutschland flohen. Akram Al Homsy etwa kam vor zehn Jahren nach Wuppertal. Dort lebt der gebürtige Syrer bis heute. An den Krieg in seiner alten Heimat habe er schreckliche Erinnerungen, die traumatischen Erlebnisse führten sogar zu einer Sprechstörung: „Ich habe unfassbar viel gestottert durch das, was ich erlebt habe. Auf Arabisch stottere ich immer noch - auf Deutsch witzigerweise nicht“, erzählt er Angela Merkel.
„Wir haben es geschafft“
Über eine UN-Auswahl konnten der 27-Jährige und seine Angehörigen legal flüchten und ihre neue Heimat in Europa sogar selbst aussuchen. Auf Deutschland sei die Wahl gefallen, weil seine Großmutter „Oliver Kahn liebe“. Überrascht gewesen sei er, als er kurz nach seiner Ankunft einen dreitägigen Integrationskurs besucht habe: „Sie haben uns gesagt: Adolf Hitler ist kein Held. Für mich war das ein bisschen ein Schock. Denn in Syrien, im Diktaturstaat, hat man uns genau das beigebracht: Hitler ist ein Held.“
In Deutschland hat Al Homsy die Realschule abgeschlossen. Seither arbeitet er als Masseur und medizinischer Bademeister. Nun macht er eine Ausbildung zum Physiotherapeuten - und kommt zudem einem Kindheitstraum ein Stückchen näher: In Wuppertal hat er eine Rolle in einem Theaterstück ergattert. Und träumt weiter: „Ich möchte gerne im 'Tatort' spielen dürfen“, verrät er. „Vor allem in Münster.“
Auch Mahsa Narimani ist dankbar. „Als Frau habe ich ein ganz anderes Leben“, erklärt sie. „Ohne Kopftuch über die Straße zu laufen, war eine Freiheit für mich.“ Ihr Partner Sadegh Ranjbar, der derzeit als Fräser und Programmierer arbeitet, will sich nun ebenfalls einen Traum erfüllen - und sich mit einem eigenen Limousinenbusiness selbstständig machen. Gemeinsam mit ihren zwei Kindern leben Narimani und Ranjbar in einer Wohnsiedlung in Buxtehude, bringen ihren Sohn ins Fußballtraining, die Tochter zum Klavierunterricht. Angela Merkel habe recht gehabt, sagen sie: „Wir haben es geschafft.“
Das Erste zeigt „Danke, aber ... Zehn Jahre nach Merkels Versprechen“ am Montag, 25. August, um 21 Uhr. In der ARD Mediathek ist die Dokumentation bereits vorab zu sehen. (tsch)