Rechtsextreme ReservistenWehrsportgruppe im Kampf um Systemüberwindung

Soldat der Bundeswehr (Symbolbild)
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Der „Tag X." sollte wohl der Tag des Umsturzes werden. Die Wehrsportgruppe, in der sich unter anderem Reservisten aus der Bundeswehr zusammengeschlossen hatten, arbeitete offenbar auf die „antidemokratische Systemüberwindung“ hin. Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ soll bei der neunköpfigen, mutmaßlich rechtsextremen Truppe dieses Ziel weit oben auf der Agenda gestanden haben. Die Suche nach Beschuldigten führte die Ermittler auch in das nordrheinwestfälische Detmold. Grundlage für den Kampf der Gruppe bilden offenbar Verschwörungstheorien aus dem rechtsextremen Lager. Unter anderem die krude Ideologie derzufolge Migranten und Flüchtlingen aus muslimischen Ländern quasi einen Austausch der Bevölkerung verfolgen. Die Reaktion der Wehrsportgruppe war - so der Verdacht - das Ansinnen, die Migrations-Frage mit Gewalt zu lösen.
Anfang September ließ die Staatsanwaltschaft Lüneburg Immobilien der Beschuldigten in Berlin, Niedersachsen und im nordrhein-westfälischen Detmold durchsuchen. Bei der Razzia wurden 250 Waffen, Waffenteile und Munition gefunden. Sechs der neun Verdächtigen waren Reservisten der Bundeswehr und ehemalige Fallschirmjäger, bei den anderen soll es sich um Feuerwehrleute und Polizeibeamte handeln. Festnahmen blieben aus.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen der Bildung einer bewaffneten Gruppe.
Sechs Schusswaffen und NS-Devotionalien
Zum Kader soll auch Heinz-Peter S. (Name geändert) aus Detmold gehören. Wie diese Zeitung erfuhr, fanden sich bei der Freundin des Westfalen sechs Schusswaffen. Allerdings konnte der Sportschütze eine Waffenbesitzkarte vorweisen. D. geriet bereits vor elf Jahren ins Blickfeld der Staatsschützer. Bei einer Zufallskontrolle stellte der Zoll eine Lieferung von NS-Devotionalien an den rechtsextremen Waffenfan sicher.
An der Spitze des Wehrsportkaders soll Jens G. aus der niedersächsischen Region Wedemark stehen. Der Oberstleutnant der Reserve firmierte auch als stellvertretender Vorsitzender der Reservistenkreisgruppe Hannover. Die Vereinigung setzt sich aus zwölf Kameradschaften und acht Arbeitsgemeinschaften mit zirka 1100 Mitgliedern zusammen. Anzeichen dafür, dass diese Reservisten ähnlich radikalen Gedanken folgen könnten wie Jens G., sind nicht bekannt.
Verantwortlich für Militärfahrzeugtreffen
Der gelernte Zimmermann leitete Schießübungen unter anderem mit dem Maschinengewehr. Zudem veranstaltete der Offizier Übungswochenenden mit Sanitäts- Absicherungs- und Orientierungsinhalten und war verantwortlich für Militärfahrzeugtreffen.
Außerdem soll der Beschuldigte Kontakte zu einem Regierungsdirektor im Bundesverteidigungsministerium unterhalten haben. Der Beamte arbeitete in einem äußerst sensiblen Bereich: Die Abteilung „Strategie und Einsätze“ kümmert sich um den Identitätsschutz von Agenten des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) sowie um Soldaten beim Kommando Spezialkräfte KSK. Der ministerielle Sektor schafft Scheinidentitäten für heikle Einsätze.
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Der Regierungsdirektor war offenbar nicht direkt in diese Aufgaben involviert. Vielmehr arbeitete er eher auf untergeordneter Ebene.
Hatte der Beamte Zugang zu geheimen Informationen?
Derzeit prüfe man, ob und inwieweit der Beamte Zugang zu geheimen Informationen aus diesem Bereich hatte, heißt es im Verteidigungsministerium. „Auch wird untersucht, ob es Abflüsse sicherheitsrelevanter Daten aus der Registratur gab.“ Nachrichtendienstliche Ermittlungen sollen nun den Sachverhalt aufklären. Unterdessen wurde der Beamte vorläufig in eine andere Abteilung abkommandiert.
Ein Sicherheitshinweis des MAD hatte die Nachforschungen ausgelöst. Eine routinemäßige Befragung legte Bezüge des Verdächtigen zu einer ultranationalen Burschenschaft nahe, die den Verfassungsschützern bekannt ist. Zugleich informierte die Staatsanwaltschaft Lüneburg das Ministerium über den Kontakt zum mutmaßlichen Wehrsportgruppen-Chef, Oberstleutnant der Reserve Jens G.. Auch hier scheint noch unklar, wie eng sich die Verbindung gestaltete.
Fremdenfeindliche Motive vermutet
Laut dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ besteht der Verdacht, dass die Wehrsportgruppe Migranten töten wollte. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft wollte sich auf Anfrage hierzu nicht äußern. Er sagte: „Es besteht ein Anfangsverdacht, dass eine fremdenfeindliche Motivation handlungsleitend gewesen sein könnte.“
Bleibt die Frage, warum die Bundesanwaltschaft angesichts solcher Hinweise den Fall nicht längst an sich gezogen hat? Ermittlungen, die sich zu Terrorverfahren auswachsen, übernehmen üblicherweise die Bundesankläger aus Karlsruhe. Auch säßen die Beschuldigten längst in U-Haft, sollte es Hinweise auf einen zeitnahen Anschlag geben.