In manchen Haushalten ist das Geld irgendwann so knapp, dass es für Mensch und Tier nicht mehr reicht. In solchen Fällen hilft die Tiertafel Kiel. Ein Besuch.
Zu Gast bei der Tiertafel„Da verhungere ich lieber selbst“

Bei der Tiertafel Kiel holt Beatrix Dresel Roesler (76, links) jeden Monat Futter für ihre Katze Peggy, denn sie lebt von der Grundsicherung und ist froh über die Unterstützung. Iris Westhowe, Vorsitzende der Kieler Tiertafel, verteilt die Futterspenden.
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Vor dem Laden der Kieler Tiertafel stehen die Leute an diesem Nachmittag Schlange. Trotz Regen und Kälte. Einige spannen Regenschirme auf, andere ziehen sich Kapuzen über den Kopf. Die mitgebrachten Einkaufstaschen sind noch leer. Drinnen verteilen Iris Westhowe und ihre Mitstreiter kostenlos Tiernahrung und -zubehör an die Wartenden.
Beatrix Dresler Roesler war schon vor allen anderen da. In ihrem gelben Regenmantel steht sie an dem Tresen des Ladenlokals der Tiertafel. „Ich bin so froh, dass ich hier unterstützt werde“, sagt sie. „Es ist ja alles so teuer geworden.“ In den Regalen hinter dem Tresen türmen sich unzählige Dosen und Pakete mit Futter für Hunde und Katzen, Vögel, Nager und Fische. In dem Lager dahinter sieht es aus wie in einer Tierhandlung: Leinen, Geschirr, Körbchen, Spielzeug – was das Tierhalterherz begehrt.
Futter für drei Wochen pro Monat
Einmal pro Monat können sich Menschen wie Beatrix Desler Roesler etwas für ihr Tier abholen. Die 76-Jährige lebt allein und von der Grundsicherung. Das Geld reicht kaum für sie selbst. Jeden Monat bekommt sie daher Katzenfutter und Leckerli von der Kieler Tiertafel. „Aber nur für drei Wochen, in der letzten Woche des Monats muss ich das Futter kaufen.“
Das ist das Prinzip der Tiertafel Kiel: „Es gibt keine Vollverpflegung, sondern immer nur Futterzuschuss, sodass es für drei Viertel des Monats reicht“, berichtet die Vereinsvorsitzende der Kieler Tiertafel, Iris Westhowe. „Denn die Halter tragen die Verantwortung für ihre Tiere.“ Zudem müsse jeder seinen finanziellen Engpass nachweisen.
Die meisten Kunden der Tiertafel seien Rentner mit wenig Geld. Ohne die Spenden müssten sie ihre Tiere abgeben, dabei seien sie oftmals das Einzige, was die Menschen noch hätten, erzählt Westhowe.
Das bestätigt Antje Stelling. Im August sei ihr Mann gestorben. „Mein Seelentröster ist meine Hündin Lana“, verrät die 72-Jährige. Sie sei der Tiertafel dankbar, dass sie den Hund trotz geringer Rente weiter gut versorgen könne.
Für Rentnerin Gabriele Kauder ist hingegen ihre Katze Ivy der wichtigste Begleiter: „Ich lebe allein, man wird gebraucht.“ Für ihre eigenen Lebensmittel geht die 69-Jährige zur Tafel in Gaarden. Trotzdem ist es am Ende des Monats oft eng. „Für meine Katze würde ich auf die Wurst auf dem Brot verzichten“, sagt sie. Ihre Freundin Monika Gaedke (71), die ebenfalls auf die Tafel in Gaarden angewiesen ist, denkt genauso: „Ich gebe mein letztes Hemd für meine Katze Minka, da verhungere ich lieber selbst.“
Auch wenn Antje Stelling es wollte, sie könnte sich das Geld für ihre Hündin Lana kaum vom Mund absparen. Denn Lana ist herzkrank. Und Stellings Rente nach dem Tod ihres Mannes zu klein für die teuren Tabletten, die der Hund braucht.
Daher zahlt die Tiertafel die Medizin. Nicht nur Medikamente, auch Tierarztkosten übernimmt die Tiertafel für viele Halter. 2024 habe der Verein insgesamt 28.000 Euro für medizinische Leistungen gezahlt. „Wir sind ein Tierschutzverein“, betont Westhowe. Es gehe darum, dass die Tiere nicht leiden müssen.
Daher hat Iris Westhowe mit ihrem Team größere Räume organisiert. So können künftig eine Tierärztin und eine Tierheilpraktikerin regelmäßig vor Ort sein, um die Tiere zu untersuchen. Durch die Kontrollen erhofft sich der Verein, Tierarztkosten einzusparen. „Denn Vorsorge ist besser als heilen“, sagt Westhowe. „Manche Tiere leiden still.“
Tiertafel Kiel hofft auf Geldspenden
Auch für die 15 Ehrenamtler der Tiertafel wird die Situation besser. Denn in den alten Räumen gab es ein Schimmelproblem. Das neue Landelokal liegt „An der Schanze 51″ – und damit nur ein paar Meter entfernt. Auf den fast 160 Quadratmeter gibt es viel mehr Lagerfläche als zuvor. So könne die Kieler Tiertafel größere Futterspenden von der Industrie entgegennehmen.
Wann die neuen Räume fertig umgebaut sind, steht noch nicht fest. Klar ist, dass weiterhin jeden Freitag Futter und Zubehör an Bedürftige ausgegeben wird. „Die Kosten durch die neuen Räume steigen, wir hoffen auf Geldspenden, damit der Verein die Umbauten und die höheren Mietkosten bezahlen kann“, sagt Westhowe.
Bevor am Freitag die ersten Bedürftigen anstehen, um sich mit Futter einzudecken, nimmt Westhowe Sachspenden entgegen. Von Menschen wie Zineta McNair. Vor wenigen Tagen ist ihre Bulldogge Lilly gestorben. „Sie war mein Engel und wie ein Kind für mich“, berichtet die 48-Jährige, während sie eine große Kiste abstellt.
Sie leide so unter dem Tod der Hündin, dass sie nun alles, was an das Tier erinnert, verbannen möchte. Aus der Kiste zieht sie mehrere Pullover, Mäntel, Spielzeug, sogar einen Pyjama („Darin sah sie so goldig aus“) und einen Bademantel. Sie will alles spenden. Aber nicht an irgendwen, sondern ihr sei es wichtig, sagt sie, „dass Lillys Sachen jemand bekommt, der wenig Geld hat“.
Dieser Artikel erschien zunächst bei den „Kieler Nachrichten“ – Partner im RedaktionsNetzwerk Deutschland.


