Royal-Experte über wilden Wandel des Prinzen„Harry setzt dieses ganze Konstrukt in Brand“

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Prinz Harry, Herzog von Sussex, ist von der Seite fotografiert, er guckt aufgeregt.

Prinz Harry, Herzog von Sussex, veröffentlicht in Büchern seine Sicht auf das britische Königshaus und spricht dabei über intensive, persönliche Details. Auch Drogenkonsum, eine Schlägerei mit seinem Prinzenbruder und seine Zeit im Militär werden thematisiert.

Schlägerei mit William und Kokainkonsum, 25 getötete Taliban und wie er seine Unschuld verlor: Prinz Harry macht zuletzt viele Schlagzeilen. Ein Royal-Experte ordnet sie ein.

Prinz Harrys Memoiren sind noch nicht einmal veröffentlicht, da bestimmen sie schon die Schlagzeilen – nicht nur der britischen Medien. Eine Schlägerei mit Bruder William, Kokainkonsum mit 17 Jahren und 25 getötete Taliban. Was bereits aus dem Buch durchgesickert ist, schockiert viele. Auch den Royalexperten Craig Prescott.

Der Verfassungs- und Monarchieexperte von der walisischen Universität Bangor gibt im Interview mit dem Redaktions-Netzwerk Deutschland (RND) eine Einschätzung zu den neuesten Entwicklungen um den Royalaussteiger ab.

Herr Prescott, was hat Sie am meisten überrascht von den geleakten Informationen aus Harrys Buch?

Prescott: Meine Güte, ich bin überrascht, wie weit Harry gegangen ist. Ich hatte eine Diskussion über ihn und William, seinen Ausstieg aus dem Palast, die Beziehung zu den Medien und dergleichen erwartet. Ich hatte nicht erwartet, dass er darüber reden würde, wann er seine Jungfräulichkeit verlor, seinen Drogenkonsum und all diese Dinge. Das finde ich wirklich bemerkenswert. Das waren bisher keine Themen des öffentlichen Interesses. Warum er sich entschieden hat, diese Informationen freiwillig zu veröffentlichen, weiß ich nicht. Vielleicht macht es mehr Sinn, wenn wir das ganze Buch lesen.

Ja, es sind sehr private Dinge, die er da beschreibt …

Ja, Privatsphäre war auf die eine oder andere Weise immer ein Problem von Harry. Daher ist es ziemlich seltsam, dass er nun die eigene Privatsphäre nicht schützt. Dass er etwa erzählt, dass er in Afghanistan 25 Mitglieder der Taliban getötet hat, ist sehr krass. Normalerweise sprechen Mitglieder der Streitkräfte nicht über so etwas. Im Oprah-Interview sprach er über Sorgen um die Sicherheit seiner Familie.

Prinz Harry sitzt im Cockpit eines Apache-Hubschraubers.

Januar 2013, Afghanistan: Prinz Harry sitzt im Cockpit eines Apache-Hubschraubers. (Archivbild)

Es wurde früher öffentlich gemacht, dass Harry in Afghanistan war, und es wurde vermutet, dass er ein aktiver Offizier im Dienst war und als Hubschrauberpilot einiges getan haben wird. Aber durch seine eigene Bestätigung, dass er Mitglieder der Taliban getötet hat, hat er sich meiner Ansicht nach zu einem größeren Ziel gemacht als er es ohnehin schon war, was seine Sicherheitsbedenken eigentlich noch verstärken sollte.

Wir haben gesehen, dass die Taliban in der Lage waren, auf amerikanischem Boden Dinge zu tun. Es ist also nicht so, dass er sicher ist, nur weil er in Amerika ist. Ich finde diese Aussage wirklich seltsam. Es ist ein Detail, nach dem niemand gefragt hatte.

In was für einem Licht sehen Sie Harry durch all diese geleakten Geschichten aus seinem Buch?

Ich sehe die Erzählung von jemandem, der in höchst ungewöhnliche Umstände hineingeboren wurde als Mitglied der britischen Königsfamilie, dann den Tod seiner Mutter und die Folgen davon zu erleiden hatte, genauso wie die Rolle, die er spielen musste, auch in seinen Teenagerjahren. Vielleicht kamen die Drogen damals dazu und dann seine Erfahrungen in Afghanistan, wo er wahrscheinlich schreckliche Dinge gesehen hat.

Die Memoiren von Prinz Harry stehen auf einem Tisch.

Die Memoiren von Prinz Harry wird in viele Sprachen übersetzt, hier die spanische Ausgabe, die übersetzt "Im Schatten" bedeutet.

Vielleicht sieht man in diesem Buch einen Menschen, der tatsächlich Probleme hat und vielleicht immer noch damit zu kämpfen hat. Harry hatte ein sehr ungewöhnliches und herausforderndes Leben, und da ist es vielleicht unvermeidlich, dass er Schwierigkeiten hat und anders mit den Dingen umgeht.

Denken Sie, das Buch bedeutet das Ende der Beziehungen zwischen Harry und dem Rest der königlichen Familie?

Es ist sehr schwer vorstellbar, dass Harry in irgendeiner bedeutenden Weise zur royalen Familie zurückkehren kann. Ich denke, dass er immer noch an der Krönung von Charles teilnehmen kann. Aber generell glaube ich nicht, dass es für ihn als arbeitendes Mitglied der königlichen Familie einen Weg zurück gibt. Für William ist es sicher, und für Charles vielleicht auch, ein Vertrauensbruch, dass private Gespräche in dem Buch öffentlich gemacht werden. Alle Mitglieder der königlichen Familie wahren ihre Privatsphäre sehr sorgfältig.

Prinz William hat seinen Familienstolz mit seinen Kindern und mit Catherine immer sehr sorgsam gehütet. Deshalb werden nur Bilder seiner Kinder veröffentlicht, die in der Regel von Catherine aufgenommen wurden, und die Kinder werden nur bei bestimmten Angelegenheiten öffentlich gezeigt. Prinz Harry setzt dieses ganze Konstrukt in Brand. Inzwischen ist für William ein privates Gespräch mit seinem Bruder nie ganz privat, weil Harry es öffentlich machen könnte. Das wird auch für andere Mitglieder der königlichen Familie schwierig zu bewältigen sein. Harry möchte offenbar eine öffentliche Antwort auf seine Vorwürfe, aber die Monarchie funktioniert so nicht.

Das sollte Harry eigentlich wissen, oder?

Ja, das ist in vielerlei Hinsicht sein Problem, dass er versucht, das dennoch zu bekommen. Ich glaube nicht, dass er jemals eine öffentliche Entschuldigung bekommen wird. Denn es ist, vielleicht anders als bei der Schlägerei mit William, von der wir nun erfahren haben, immer noch noch nicht hundertprozentig klar, was die königliche Familie oder die Monarchie als Institution ihm angetan hat. Er hat bisher nicht ausgeführt, welche Gerüchte und Falschmeldungen von anderen Mitgliedern der königlichen Familie an die Medien gegeben wurden. Das ist eine weitere Schwierigkeit, die die königliche Familie hat: Worauf genau sollen sie reagieren? Es ist alles vage.

Sie haben eben die Krönung von Charles angesprochen. Glauben Sie wirklich, Harry kann dort nach all den Vorwürfen noch auftauchen?

Bisher sieht es so aus, als hätte er eine Einladung zur Teilnahme an der Krönung. Es wurde erwartet, dass er als Mitglied der königlichen Familie und als Herzog teilnimmt. Wenn das Protokoll der Krönung von 1953 befolgt wird, wäre zu erwarten, dass Harry dem König huldigt oder zumindest dem König die Treue hält. Das scheint unter diesen Umständen ziemlich schwierig zu sein. Vielleicht hält er sich also von der Krönung fern, was für den König aber auch eine Brüskierung wäre, da man von der königlichen Familie die Anwesenheit all derer erwartet, die alt genug sind. Es würde zeigen, dass Harry distanziert und entfremdet von der Familie ist. Es bringt Parallelen zu Edward VIII. auf, der von der Familie distanziert und entfremdet lebte, nachdem er abgedankt hatte, und der seine Tage hauptsächlich in Paris verbrachte als eine Art Kuriosum. Vielleicht wird aus Prinz Harry auch eine Art Kuriosum in Amerika.

Harry hat auch zwei Interviews zum Buch gegeben, die am Sonntag erscheinen sollen. In einem Trailer sagt er unter anderem, dass er sich seinen Vater und Bruder zurückwünscht. Wie passt das mit all den Vorwürfen zusammen?

Da kommen wir wieder zu dem Punkt, dass es, wenn er seinen Bruder und Vater zurückhaben will, völlig falsch zu sein scheint, die Probleme mit ihnen öffentlich auszumachen. Wenn er die Probleme klären will, zumal es sich beim Bruder um den Prinz von Wales und beim Vater um den König Großbritanniens handelt, sollte er sich privat damit befassen und nicht etwa die Bedenken öffentlich machen, die er darüber hatte, dass Charles Camilla heiratet und sie Königin wird und dann auch noch im Namen von William sagen, dass dieser auch diese Bedenken hatte. Es ist der völlig falsche Weg. Er hat auch eine Grenze überschritten, indem er William Worte in den Mund legt. Wenn es also darum geht, irgendeine Art von Versöhnung mit William und dem König zu erreichen, scheint es der falsche Weg zu sein, noch mehr Details preiszugeben.

Denken Sie, dass Harrys Geschichten – unter anderem, dass William ihn zu Boden geschlagen haben soll – das Bild in der Öffentlichkeit von Prinz William verändern?

Ich denke, vielen Leuten ist bewusst, dass sowohl Charles als auch William etwas Temperament haben, ein bisschen wie auch George V. (Anmerkung: König Großbritanniens von 1910 bis zu seinem Tod 1936) ein gewisses Temperament hatte, und in vielerlei Hinsicht auch George VI. (Anmerkung: König von 1936 bis zu seinem Tod 1952, Vater von Queen Elizabeth). Geschwister streiten und Geschwister haben Meinungsverschiedenheiten, das ist nicht unbekannt. Aber das ist mehr wie eine Seifenoper als wie etwas, was man von der Monarchie erwarten würde. Es ist peinlich, dass das alles herauskommt.

ARCHIV - 01.07.2021, Großbritannien, London: Die britischen Prinzen Harry (l) und William stehen bei der Enthüllung der Statue ihrer Mutter Diana Rücken an Rücken im Sunken Garden des Kensington-Palastes. (zu dpa «Eklat unter Prinzen - Harry wirft William körperlichen Angriff vor») Foto: Dominic Lipinski/Pool PA via AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

ARCHIV - 01.07.2021, Großbritannien, London: Die britischen Prinzen Harry (l) und William stehen bei der Enthüllung der Statue ihrer Mutter Diana Rücken an Rücken im Sunken Garden des Kensington-Palastes. (zu dpa ´Eklat unter Prinzen - Harry wirft William körperlichen Angriff vor») Foto: Dominic Lipinski/Pool PA via AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Dass zwei erwachsene Geschwister sich streiten ist normal, dass sie sich schlagen, nicht unbedingt…

Ja, es ist erstaunlich. Es war wirklich überraschend, davon zu lesen. Es zeigt sicherlich auch den Druck, unter dem einzelne Mitglieder der royalen Familie von Zeit zu Zeit stehen, vielleicht den Druck, unter dem William wegen der ganzen Harry-Situation stand. Irgendetwas hat ihn sicherlich verärgert und in diesen Zustand versetzt. Der Bericht besagt, dass William im Grunde genommen in das Nottingham Cottage gestürmt ist, um auf Harry loszugehen. Wir wissen bis jetzt nicht genau, was diese Szene verursacht hat. Wie immer haben wir nur die Hälfte der Geschichte.

Vielleicht bekommen wir mit der Veröffentlichung des Buches etwas mehr Kontext…

Ja, vielleicht. Aber wenn nicht, werden wir es vielleicht nie erfahren, weil wir Williams Version davon wahrscheinlich nie hören werden, es sei denn, er selbst entscheidet sich für ein Interview, in dem er seine Seite der Geschichte erzählt. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass er das tut. Denn das würde die Flammen nur noch mehr anfachen und von dem ablenken, wofür die Monarchie bestimmt ist.

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