Erster Tierschutzpreis NRWEin Herz für angeschossene Gänse und verölte Flut-Hühner

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Babette Terveer ist Gründerin des ersten Gefieder-Tierheims Deutschlands.

Düsseldorf – Babette Terveer ist gerade auf dem Sprung zum Tierarzt. „Ich habe zwei Notfall-Enten bekommen und ein paar Gänse muss ich auch noch einpacken“, sagt sie am Telefon. Die Enten sind schwer verletzt, müssen versorgt werden. Alltag für die 51 Jahre alte Tierschützerin aus Neuss. Vor rund zwei Monaten bekam sie auch Tiere aus dem Bergischen Land. Nach der schweren Flutkatastrophe kümmerten sich Terveer und ihr Team um zahlreiche Blässhühner und eine Gans.

„Die Tiere waren verölt. Sie wurden von Fachleuten gewaschen und dann zu uns gebracht“, sagt sie. Täglich wechselten sie das Wasser in dem extra gebauten Gehege für die Tiere. Das Gefieder brauchte Zeit, um sich zu regenerieren. „Vor drei Wochen wurden sie wieder abgeholt und in ihre alte Heimat ausgewildert“, sagt Terveer.

Tierschutzpreis NRW wurde erstmals verliehen

Babette Terveer ist die Leiterin des Tierschutzvereins „Notpfote“ in Neuss. Der Verein hat den 2. Platz des „Tierschutzpreis Nordrhein-Westfalen“ belegt, der am Montag - am Welttierschutztag - zum ersten Mal von der NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser vergeben wurde.

Insgesamt gab es fünf Gewinner, zwei erste Plätze und drei Zweite. Patz Eins belegten die private Tierschützerin Gudrun Lumpp aus Paderborn und die "Tierschutzjugend NRW". Die "Notpfote" teilt sich den zweiten Rang mit dem Bildungsprojekt "TiNa macht Schule" des Düsseldorfer Tierschutzvereins sowie dem Verein "SAMT e.V." aus Jülich.

„Der Tierschutz erfährt im gesellschaftlichen Bewusstsein einen deutlich höheren Stellenwert als noch vor 20 Jahren“, sagt Gerlinde von Dehn, Landesbeauftragte für Tierschutz NRW. Vor rund zwei Jahren hat Umwelt- und Landwirtschaftsministerin Ursula Heinen-Esser die Stelle einer Tierschutzbeauftragten eingerichtet, zu deren Aufgabe unter anderem die Auslobung eines Tierschutzpreises zählt.

30.000 Euro als Finanzspritze

Mit dem Preis soll die Arbeit der Tierschützer gewürdigt werden. „Die Leidenschaft und Hingabe, mit der sich viele Menschen für den Tierschutz einsetzen, ist beeindruckend. Mit der Auszeichnung wollen wir das besondere Engagement der Tierschützerinnen und Tierschützer würdigen und einer breiten Öffentlichkeit vorstellen." Um die Arbeit der Tierschützer finanziell zu unterstützen vergibt das Umweltministerium NRW ein Preisgeld in Höhe von 30.000 Euro, die auf die Gewinner aufgeteilt werden.

„Der Tierschutzpreis ist in diesem Jahr sehr breit aufgestellt. Jeder, der sich in irgendeiner Form für den Tierschutz engagiert, konnte sich bewerben“, sagt von Dehn. Der Ausschreibung gefolgt sind Privatpersonen, Verbände, Betriebe oder eben auch Vereine, wie der von Babette Terveer.

Erstes deutsches Gefieder-Tierheim

Zwischen 2010 und 2012 gründete die dreifache Mutter die „Notpfote“, heute ist das ihr Hauptjob. Der Verein startete mit Evakuierungen von Tieren aus dem Ausland, die Terveer bundesweit in Pflegestationen vermittelt. Ihr jüngstes Projekt ist das „Federheim“, das erste deutsche Gefieder-Tierheim.

Auf einem Stück Weide mit 1000 Quadratmetern baute der Verein ein Zuhause für ausgesetzte und kranke Hühner, Enten oder Gänse. „Wir haben die traurigsten Geschichten hier, wir haben eine angeschossene Gans, Tiere die von Hunden angegriffen oder Hühner, die in Müllcontainern gefunden wurden.“

Hunde für Senioren

Im Fokus der Vereins-Arbeit steht neben dem Tierwohl die Verbindung zwischen Mensch und Tier. Im Rahmen des Projekts „Senioren für Senioren“ vermittelt der Verein ältere Hunde aus ganz Deutschland an ältere Menschen. Im kommenden Jahr soll zudem das „Tierschutzlehrer Projekt“ starten. Damit sollen Kindern und Jugendlichen die Themen Natur- und Umweltschutz, zum Beispiel eine artgerechte Tierhaltung, näher gebracht werden. Gleichzeitig will der Verein auf Massentierhaltung und unkontrollierten Fleischkonsum aufmerksam machen.

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Terveer hat verölte Hühner aus der Flut gerettet.

Die Arbeit von Terveer „ist ein ganzeinheitlicher Gedanke“, sagt die 51-Jährige. „Der wichtigste Faktor, um den Klimawandel zu stoppen, wäre tatsächlich der Verzicht auf Fleisch.“ Schon seit ihrer Kindheit setzt sich Terveer für den Tierschutz ein, seit 32 Jahren isst sie kein Fleisch, keinen Fisch, besitzt nichts, wofür ein Tier sterben musste.

Sich gegenseitig etwas Gutes tun

Ihren Lebensstill will sie niemandem aufdrängen. Terveer will Aufklärungsarbeit leisten. Dafür versucht sie jede Alters- und Menschengruppen einzubinden. Man habe Senioren einbinden können. Für Menschen mit Behinderung schaffte sie Praktikumsplätze. „Wir alle miteinander können uns gegenseitig etwas Gutes tun. Das klappt so prima. Wir können den Menschen etwas mitgeben und die tun ja auch etwas für uns“, sagt sie.

Der Tierschutzverein „Notpfote“ deckt mit seiner Arbeit genau die Kriterien ab, die für die Jury des „Tierschutzpreis NRW“ wichtig sind: „Reichweite, Nachhaltigkeit und Engagement“, sagt Gerlinde von Dehn. Projekte mit einer längerfristigen Wirkung hatten mehr Chancen auf den Sieg. „Auffällig gut war auch das Sozial-integrative. Die Einbindung von Mensch-Tier-Kreisen“, sagt von Dehn weiter.

Das Preisgeld in Höhe von 5000 Euro für den zweiten Platz kann die „Notpfote“ dringend gebrauchen. „Wir haben gerade ganz erhebliche Löcher in unserer Kasse“, sagt Terveer offen. Für ihre Projekte müssen die Teichanlage vergrößert und weitere Ställe gebaut werden. Rund 20.000 wird das kosten. Derzeit finanziert sich der Verein über Spendengelder und Gebühren der Adoptionsvermittlung.

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Trotz hoher Kosten macht Terveer weiter, für den Tier- und Umweltschutz: „Die Menschheit hat irgendwie vergessen, dass es viele Lebewesen auf diesem Planeten gibt und dass wir in einer Co-Existenz leben sollten. Wir beuten die Tiere aus, damit wir billigstes Fleisch auf den Teller bekommen und schädigen damit unsere Umwelt und das Klima“, sagt sie.

Um auf die Wichtigkeit von Tierschutz aufmerksam zu machen, soll der „Tierschutzpreis NRW“ auch in den kommenden Jahren vergeben werden, sagt von Dehnen. Dann aber in jedem Jahr spezialisiert auf einen unterschiedlichen Bereich des Tierschutzes. „Wir könnten uns einen Forschungspreis, einen Schülerpreis oder einen Preis für besondere Bildungsarbeit vorstellen“, sagt die Landesbeauftragte für Tierschutz.  

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