Lena Hillgruber aus Schleswig-Holstein hatte sechs Jahre lang einen unerfüllten Kinderwunsch. Um anderen Frauen Mut zu machen, erzählt sie ihre Geschichte.
Unerfüllter Kinderwunsch„Am schlimmsten sind die gut gemeinten Sprüche“

Lena Hillgruber sitzt bei ihren Podcastaufnahmen zum Thema Kinderwunsch gern am Stubenfenster. .
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Lena Hillgruber aus Neumünster bei Kiel spielt ausgelassen mit ihrer Tochter Luna-Luise (3). Was heute so selbstverständlich wirkt, war über sechs Jahre lang ein unerfüllter Kinderwunsch – geprägt von Fehlgeburten, vielen Arztbesuchen, Ängsten und mentalen Herausforderungen. „Damals hätte ich mir eine Plattform des Austauschs gewünscht. Das möchte ich nun anderen betroffenen Frauen bieten“, sagt die 45-Jährige.
Deshalb hat sie den Podcast „Sehnsucht Mama“ ins Leben gerufen. Darin beleuchtet sie mit fachlicher Expertise aus ihren therapeutischen Ausbildungen sowie aus ihrer persönlichen Erfahrung alle Fragen rund um das Thema Kinderwunsch. Ihr Ziel ist es, mehr Aufklärung zu schaffen.
Kinderwunsch war lange nicht da
Dabei habe sie selbst anfangs gar keinen großen Kinderwunsch gehabt, erzählt Hillgruber, die lange als Radiomoderatorin arbeitete und heute die Küsterin in Neumünster ist: „Ich hatte immer Respekt vor der Mutterrolle.“ Als in ihrem Umfeld immer mehr Kinder bekommen haben, sei der Wunsch gewachsen, erinnert sie sich.
Krebsdiagnose ändert ihr Leben
Doch dann schlug das Schicksal zu: Lena Hillgruber erkrankte im Jahr 2015 an Schilddrüsenkrebs. Die Schilddrüse musste entfernt werden, anschließend folgte eine Bestrahlung. „Der Arzt sagte zu mir: ‚Sie dürfen jetzt auf gar keinen Fall schwanger werden‘“, berichtet Hillgruber. Da sei sie innerlich trotzig geworden und habe gedacht: „Das entscheide ja wohl immer noch ich selbst.“
„Dass ich hier gar nichts selbst entscheide, musste ich dann im Laufe der Jahre schmerzhaft lernen“, sagt die 45-Jährige. Sie und ihr Mann, der Radiomoderator und Podcaster Pascal Hillgruber, hätten die Krebstherapie abgewartet und es dann „erstmal locker angehen lassen“, erinnert sie sich. „Wobei ich es sehr schnell dann auch unbedingt wollte.“
Unerfüllter Kinderwunsch trifft jedes siebte Paar
Laut dem Universitätsklinikum Schleswig-Holstein liegt ein „unerfüllter Kinderwunsch“ vor, wenn nach einem Jahr regelmäßigen Geschlechtsverkehrs keine Schwangerschaft eintritt. In Deutschland betrifft das etwa jedes siebte Paar.
Lena Hillgruber hatte ihren Zyklus genau analysiert und mit der „Natürlichen Familienplanung“ gearbeitet. Dabei handelt es sich um eine Methode, mit der sich fruchtbare und unfruchtbare Tage bestimmen lassen. Dem Paar war es bei alledem jedoch immer wichtig, dass die Romantik beim Sex nicht zu kurz kommt.
Nach eineinhalb Jahren wurde Hillgruber 2016 das erste Mal mit 36 Jahren schwanger. „Die Freude war riesig, wir hatten keine Angst“, erklärt sie. Doch am Tag vor dem ersten Ultraschalltermin setzten starke Bauchschmerzen ein. „Ich hatte kein gutes Gefühl und am nächsten Morgen kam dann die Blutung“, sagt sie. Sie habe es zunächst akzeptieren können, dass es nicht geklappt hat.
Sechs Fehlgeburten in sechs Jahren
Das Paar probierte es weiter. Insgesamt sechs Jahre lang hatten die Hillgrubers einen unerfüllten Kinderwunsch. Es folgte eine emotionale Achterbahnfahrt mit fünf weiteren Fehlgeburten.
Für die Partnerschaft sei es „eine riesige Belastung“. Das Paar habe viele intensive Gespräche geführt. „Wir haben immer wieder überprüft, wie weit wir den Weg gehen wollen. Wir waren ehrlich bis zur Schmerzgrenze und darüber hinaus“, erinnert sie sich. Es habe sie aber auch zusammengeschweißt.
Psychische Belastung Kinderwunsch: „existenzielle Identitätskrise“
Mental sei es eine herausfordernde Zeit gewesen. „Am schlimmsten sind gut gemeinte Sprüche wie: ‚Vielleicht willst du es ein bisschen zu doll‘ oder ‚Du bist zu verkrampft, fahrt mal in den Urlaub‘“, sagt Hillgruber. Viel wichtiger sei es, dass Freunde und Familie zuhören und auch wirklich verstehen wollen. Zu bagatellisieren sei fatal, „weil es eine existenzielle Identitätskrise ist“.
Die Ungewissheit bereitete ihr Probleme. Nach jeder Fehlgeburt habe sie sich immer mehr zurückgezogen. Partys oder Familienfeiern habe sie wie einen Spießrutenlauf wahrgenommen: „Da wird auf den Bauch geguckt und darauf, ob ich Alkohol trinke“, erinnert sie sich. Irgendwann habe ihr auch jede Schwangerschaftsverkündung im Umfeld einen Stich ins Herz gegeben.
Geholfen haben ihr ihre Ausbildungen zur Heilpraktikerin für Psychotherapie, zur Familien- und Systemaufstellerin sowie zur EMDR-Therapeutin zur Verarbeitung von Traumata. „Dabei arbeitet man auch viel mit sich selbst“, sagt sie.
In den Jahren des Kinderwunsches habe sich das Paar komplett durchchecken lassen. Unter anderem habe ihr Mann ein erweitertes Spermiogramm gemacht. Sie selbst habe eine Biopsie der Gebärmutterschleimhaut durchführen lassen. Dabei seien eine Fehlbildung und Killerzellen festgestellt worden, die behandelt werden mussten. Auch Hormone habe sie genommen.
Dann die Erlösung: 2022 klappt es endlich
2022 hat es dann plötzlich geklappt. Was genau der Auslöser war, ist unklar. Die ersten Schwangerschaftswochen mit Luna-Luise seien sehr schwer gewesen. „Ich hatte so Angst vor dem ersten Ultraschall“, erinnert sich Hillgruber. „Beim Frauenarzt war dann auch noch das Bild zu dunkel und die Blase zu voll. Meine Ärztin sagte nichts und ich war so aufgewühlt“, erinnert sie sich. Dann kam der erlösende Satz: „Da ist ja der Herzschlag“. Danach war Hillgruber beruhigter. „Ich habe es geliebt, schwanger zu sein“, sagt sie.
Dass sie selbst inzwischen Mutter ist, werde ihr von den Podcast-Hörerinnen nicht negativ zurückgespiegelt: „Den meisten macht es Mut und sie fühlen sich verstanden, weil ich es selbst erlebt habe.“
Dieser Artikel erschien zuerst in den „Kieler Nachrichten“ – Partner im RedaktionsNetzwerk Deutschland.


