Wieder glücklich im Beruf„Meine Mutter riet mir damals, mit meiner Arbeit aufzuhören“

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Knippscheer

Rabea Knippscheer hat auf viel Gehalt verzichtet. Und macht dafür jetzt wieder etwas, das sie mit Sinn erfüllt.

  • Rabea Knippscheer verzichtete auf viel Gehalt und kündigte. Hier erzählt sie, wie sie zu ihrer Entscheidung kam, und was sie für ihr Leben bedeutet.

Als Festangestellte habe ich zuletzt bei einem amerikanischen Großkonzern gearbeitet und dort die Finanzen verwaltet. Insgesamt 14 Jahre lang habe ich mit Budgets jongliert. Ich hatte ein sichere Stelle, viel Verantwortung und wurde sehr gut bezahlt. Aber zufrieden war ich irgendwann nicht mehr. In weltweit agierenden Unternehmen, so war mein Eindruck, werden die Aufgaben zusehends standardisiert, die Strukturen so starr und einfach gehalten, dass möglichst jeder die Jobs machen könnte. Das macht zwar betriebswirtschaftlich Sinn, nicht aber für den einzelnen Mitarbeiter. Je höher auf der Karriereleiter - beobachtete ich - desto fremdbestimmter arbeitet eine Führungskraft. Das war und ist nicht meins.

Ich ließ zunächst alles so weiterlaufen  - bis meine Mutter schwer erkrankte. Das Unternehmen gab mir dankenswerterweise die Möglichkeit, so zu arbeiten, dass ich meine Mutter pflegen konnte. Es war eine sehr intensive Zeit. Meine Mutter gewährte mir intime und unschätzbare Einblicke in ihr Leben.

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Ich las ihr alte Briefe vor. Briefe, die sie sich mit meinem Vater geschrieben hatte als sie beide noch sehr jung waren. Sie erzählten sich darin von ihren Träumen. Ich war schockiert zu erfahren, wie wenig sie davon hatte verwirklichen können. Die Wünsche einer jungen Frau schriftlich vor mir zu sehen und so hart mit dem Ende ihres Lebens konfrontiert zu werden, war für mich ein Weckruf.

Meine Mutter riet mir damals, mit meiner Arbeit aufzuhören. Sie täte mir nicht gut. Sie hatte Recht: Noch mehr Geld, noch mehr Status würden nichts ändern. Ich versuchte zunächst, mich im Unternehmen auf Stellen in anderen Abteilungen zu bewerben, bekam aber nie die Chance, als Mensch mit noch ganz anderen Talenten wahrgenommen zu werden. Es war deprimierend.

Selbständige kommen in meiner Familie nicht vor

Ich habe mich schließlich gemeinsam mit einer Freundin selbstständig gemacht. Das klingt, so kurz gesagt, einfach, aber es war ein schwieriger Prozess. Ich kam mir mit Anfang 40 unglaublich alt vor und hatte keine Vorbilder. Selbstständige kommen in meiner Familie gar nicht vor. Die Entscheidung stieß auf entsprechend viel Skepsis und Unverständnis. Niemand sagte mir: „Toll, dass du dich das traust.“ Eher kam die Frage: „Damit kann man Geld verdienen?“

Wir beide produzieren mit unsere Firma Limmaland heute Zubehörprodukte für Kindermöbel. Wir individualisieren Kinderküchen, Kindertische, Babystühle und vieles mehr von Ikea. Dafür also eine  - von außen betrachtet - Top-Stellung aufgeben? Ja. Denn ich mache es gerne. Ich zahle mir ein vernünftiges Gehalt aus, das zwar nicht im Entferntesten an das von früher heranreicht. Aber ich brauche nicht mehr, um zufrieden zu sein. Es reicht. Das Geschäft läuft. Mir geht es gut, weil ich tue, was ich will.  Ich hätte viel früher mein Leben in die eigene Hand nehmen nehmen müssen. Es wird einen schon irgendwo hintragen. Es kommt nicht immer das, was man erwartet, aber es ist immer wieder etwas Gutes dabei.

Warum sich nicht auch mal Leitungsaufgaben teilen?

Wir versuchen heute unseren Betrieb so flexibel, so agil wie möglich zu führen und stärker auf die Bedürfnisse auch der jüngeren Mitarbeiter einzugehen, die mehr auf ihr Wohlbefinden achten. Davon kann sich unsere Generation eine Scheibe abschneiden. Warum sich nicht auch mal Leitungsaufgaben teilen?

Ich biete meinen Mitarbeitern außerdem an, in Teilzeit und von zuhause aus zu arbeiten. Das geht nicht auf Kosten der Produktivität, ganz im Gegenteil.

Jetzt, da unser Geschäft läuft, bekommen wir anerkennende Rückmeldungen. Es gibt mittlerweile viele, die meine Vorstellung von Glück verstehen und es mir gönnen. Die sogar stolz auf mich sind und selber gerne etwas ändern würden. Leider ist es schwierig, sich von konventionellen Mustern zu lösen. Man bräuchte viel mehr Unterstützer, Partner und Befürworter. Klar ist: Man sollte die Zeit nutzen. Denn irgendwann ist sie einfach weg.

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