Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Hier wird definitiv nicht gekuscheltZu Besuch bei der Gifttier-Auffangstation NRW

Lesezeit 5 Minuten
Neuer Inhalt (1)

Die Terrarien in den Auffangstation

Köln/Düsseldorf – Hier wird nicht gekuschelt, das steht fest. Im Terrarium neben einer südamerikanischen Klapperschlange lauern eine nordamerikanische Viper und eine Puffotter aus der Sahara. Im nächsten Gang sind diverse Vogelspinnen und zwei Schwarze Witwen untergebracht, dazu kommen jede Menge Skorpione. „Bitte nicht in die Terrarien greifen“, sagt Jan Peters (Name geändert) und lacht. Er steht im T-Shirt da, die Temperatur in den Räumlichkeiten darf nicht unter 28 Grad fallen. „Die Tiere sind extrem giftig“, ergänzt er: „Wer gebissen oder gestochen wird, landet definitiv im Krankenhaus und verliert schlimmstenfalls sogar sein Leben.“

Peters ist der Leiter und Betreiber der Gifttier-Auffangstation des Landes NRW. Seine richtigen Namen möchte er aus Angst für Aktionen militanter Tierrechtler nicht nennen. Auch den Standort der Station nennt der „Kölner Stadt-Anzeiger“ deshalb nicht.

3553 Giftschlangen werden in NRW von Privatleuten gehalten

Peters beherbergt derzeit 79 hochgefährliche Schlangen, 80 Spinnen und 124 Skorpione aus Nordrhein-Westfalen, die entweder freiwillig abgegeben oder ihren Haltern von den Behörden weggenommen wurden. Einige davon stammen beispielsweise aus Hagen: Sie wurden von der Polizei bei einer Hausdurchsuchung entdeckt. Weil die Tiere nicht wie vorgeschrieben angemeldet waren, durchforsteten Veterinäramt, Ordnungsamt, ein Reptilienexperte und ein Gifttiersachverständiger die Wohnung und den Keller. Dort fanden die Ermittler zahlreiche Exemplare, die sich in nicht ausreichend gesicherten Plastikbehältern tummelten. Einige krabbelten oder krochen sogar frei herum oder bevölkerten Schubkästen.

Neuer Inhalt

Eine Brillenschlange im „NRW-Altershein“

Gegen den Tierhalter wurde ein Strafverfahren eingeleitet. Nach dem zum 1. Januar in Kraft getretenen Gifttiergesetz-NRW droht ihm im Fall einer Verurteilung eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe. Das neue Gesetz verbietet Privatpersonen die Anschaffung von Tieren, „die aufgrund ihrer starken Giftwirkung nach Bissen oder Stichen in der Lage sind, Menschen erheblich zu verletzen oder zu töten“. Allerdings gilt ein Bestandschutz für bereits gehaltene Exoten, wenn vom Eigentümer bestimmte Voraussetzungen erfüllt wurden.

Neuer Inhalt

Tigervogelspinne

Um einen Überblick zu bekommen, musste jeder Halter die im Gesetz aufgeführten Tiere unter Angabe von Art, Anzahl und Unterbringungsort dem Landesumweltamt NRW (Lanuv) in der ersten Jahreshälfte 2021 nennen. Wer die Tiere behalten wollte, musste mit der Meldung ein erweitertes Führungszeugnis sowie einen Nachweis über eine Haftpflichtversicherung vorlegen. Insgesamt kamen 213 Personen der Aufforderung nach. Ende 2021 lebten 472 Giftspinnen, 3.553 Giftschlangen und 275 giftige Skorpione bei nordrhein-westfälischen Privatleuten, heißt es in einem Lanuv-Bericht. Dazu gehören auch die Tiere von zwei Personen, die gewerbsmäßig mit den Spinnen, Schlangen und Skorpionen handeln dürfen. 

Ein Privatzoo, den kaum jemand möchte

Der Rest kam und kommt seitdem in die Auffangstation zu Jan Peters. „Es mag seltsam klingen, damit aber erfüllt sich ein Traum für mich“, sagt der 34-Jährige. Ein Privatzoo mit exotischen Tieren, den er hauptberuflich betreuen kann. Für andere der blanke Horror schlechthin. „Für mich aber ist das so cool, ich kann es kaum beschreiben“, sagt Peters und lächelt wieder. Von klein an habe er fasziniert die TV-Dokumentationen über gefährliche und giftige Tiere geschaut. „Das hat mich regelrecht angezogen.“ Als Jugendlicher, mit 16 Jahren, hat er sich zur Verblüffung seiner Eltern mit seinem Taschengeld dann ein kleines Krokodil gekauft. Danach eine Echse. In der Garage wurden Terrarien gebaut, bis zu neun Quadratmeter groß.

Neuer Inhalt

Parabuthus transvaalicus - ein südafrikanischer Dickschwanzskorpion

In der Folgezeit, als er volljährig war, hat er ehrenamtlich exotische Tiere angenommen und versorgt, die sonst niemand mehr haben wollte. Kornnattern zum Beispiel, Spinnen oder Reptilien. „Gefährliche Tiere halt, die auch die Heime meist nicht mehr unterbringen konnten.“ Peters aber hat sich, neben seinem Job in einem Gartencenter, in die Materie eingearbeitet und weitergebildet. Hat Praktika in Zoos sowie einem australischen Tierpark absolviert, Fachleute besucht und sich mit ihnen ausgetauscht oder ist etwa nach China gereist, um dort Schlangen in der freien Natur zu beobachten.

Neubau für die Schlangen, Spinnen und Skorpione

Um die Unterbringung in Deutschland tiergerecht zu gestalten, hat Peters sogar neu gebaut. Dabei entstand so viel Platz, dass sein Hobby mittlerweile zum Beruf wurde. Als das Land NRW nach der verschärften Gesetzgebung mit einer Ausschreibung eine Möglichkeit suchte, die vielen abgegebenen Gifttiere sicher unterzubringen, meldet Peters sich. Und bekam den Zuschlag.

Neuer Inhalt (1)

Die Terrarien in den Auffangstation

Er habe damals „in der Gesamtschau“, beispielweise auch in Bezug auf die tierschutzgerechte Versorgung, das beste Angebot abgegeben, heißt es beim nordrhein-westfälischen Ministerium für Landwirtschaft und Verbraucherschutz, das für die Ausschreibung zuständig war. Das Wohl der Tiere werde regelmäßig vom örtlichen Veterinäramt überprüft.

Peters bekomme pauschale Tagessätze für die einzelnen Gattungen. Für Giftschlangen erhalte er 14,03 Euro pro Tier und Tag, für Spinnen 12,27 Euro und für Skorpione 9,23 Euro. Bei der Versorgung gelte „das Vier-Augen-Prinzip, das heißt es müssen aufgrund der Giftigkeit immer zwei Personen bei den Tätigkeiten anwesend sein, damit im Falle eines Bisses Notfallmaßnahmen eingeleitet werden können", teilte das Ministerium mit. Zudem hätten die Exoten „in der Regel  spezielle Ansprüche (Temperatur, Ausstattung, Beleuchtung, Futterspezialisten), so dass die Haltung oft mit hohen Kosten einhergeht“.

Versorgung bis zum Tod

So sei eben die Verabredung, sagt Peters und winkt ab. Wobei, die aktuell steigenden Energierkosten, die würden ihn „dann doch schon besorgen“, ergänzt er. Dass die Tiere noch einmal weitervermittelt werden können, glaube er jedenfalls nicht. „Ich denke, ich bin sozusagen deren Altersresidenz bis zum Tod“, sagt Peters. Wenn einer seiner Schützlinge gestorben ist, meldet er das den Behörde, die eine entsprechende Liste führen.

Hat er denn ein Lieblingstier? „Na ja, das kann man so tatsächlich nicht sagen, weil jedes Tier seine Eigenheiten hat, auch vom Verhalten her“, sagt Peters: „Im Prinzip gucke ich mir die alle gerne an – immer wieder.“