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Andreas Hollstein im PorträtEin OB-Kandidat, der mit Anfeindungen vertraut ist

Lesezeit 4 Minuten
Andreas Hollstein dpa

Andreas Hollstein

  1. Andreas Hollstein war im November 2017 von einem arbeitslosen Maurer in Altena mit einem Messer attackiert worden.
  2. Der 57-Jährige tritt bei der Oberbürgermeisterwahl in Dortmund an.
  3. Ein Porträt.

Dortmund/Köln – Mit übermächtigen Gegnern kennt sich Andreas Hollstein (57) aus. 1999 hat er die scheinbar unbesiegbare SPD im beschaulichen Altena in die Schranken gewiesen. Der Mann, der wegen seiner liberalen Flüchtlingspolitik immer wieder angefeindet und im November 2017 von einem arbeitslosen Maurer in einer Imbissbude mitten in Altena mit einem Messer attackiert wurde, will nun in der Metropole Dortmund mit ihren 600000 Einwohnern versuchen, die Vorherrschaft der Sozialdemokraten zu brechen.

 In der Stichwahl könnte ihm das gelingen. Die SPD ist seit der Europawahl im Abwind, muss überdies auf den Bonus des Amtsinhabers verzichten, weil Ulrich Sierau nach elf Jahren nicht mehr antritt. Ihr Kandidat Thomas Westphal, Geschäftsführer der Dortmunder Wirtschaftsförderung, liegt in Umfragen mit 36 Prozent deutlich vorn. Hollstein kämpft gegen die Grüne Daniela Schneckenburger um Platz zwei. Sie liegen in den Umfragen gleichauf bei 24 Prozent.

„In Altena habe ich meinen Job erledigt. Wir haben seit vier Jahren ausgeglichene Haushalte. Jetzt will ich noch einmal richtig ins Rad packen. Das war der Grund, warum ich im letzten Jahr in Altena nicht mehr angetreten bin.“ Mehrere Jobangebote habe es gegeben. Aus der Wirtschaft, von zwei Großstädten und als Landratskandidat für den Rheinisch-Märkischen Kreis. „Dann kam Dortmund. Da habe ich nicht lange gezögert. Das ist mein Oberzentrum. Nur zwei Hügel und 28 Kilometer entfernt.“

Andreas Hollstein spricht nicht über die Attacke

Über die Messerattacke will Hollstein nicht mehr viel sagen. Auch nicht darüber, wie er die seit Jahrzehnten starke und gewaltbereite rechtsextreme Szene in Dortmund bekämpfen will. Dass das ein Schwerpunkt seiner Politik sein wird, steht außer Frage. Der CDU-Mann hat mit seiner Asylpolitik vor fünf Jahren in Altena bewiesen, was es bedeutet, sich gegen Widerstände durchzusetzen. Altena, hoch verschuldet, die Einwohnerzahl von einst 40000 auf 17000 geschrumpft, könne mehr Flüchtlinge aufnehmen als die Quote vorschreibt, kündigte Hollstein damals an. Wohnungen gab es genug.

Der Bürgermeister konnte auf die einstimmige Unterstützung des Rates bauen – und auf eine große Gruppe von Helfern und Betreuern. Sollte das Projekt nicht funktionieren, werde er zurücktreten, sagte er damals. Man hat ihn gewähren lassen. Im Mai 2017 erhielt die Stadt von Kanzlerin Merkel den nationalen Integrationspreis.

Die Attacke habe er verarbeitet, seine Kandidatur für Dortmund mit seiner Familie abgestimmt. „Ich bin irgendwann einmal in die Politik gekommen, um Mut und Haltung zu zeigen.“ Dass ein Oberbürgermeister einer Großstadt sich in einer exponierten Stellung befinde, sei ihm bewusst. Er selbst habe auch immer wieder Hassmails bekommen, Pöbeleien auf der Straße erlebt und unangenehme Anrufe entgegennehmen müssen. „Das kommt immer in Wellen. Momentan ist es eher ruhig.“

Andreas Hollstein erhielt auch Morddrohungen

Um den Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke herum habe er fünf Morddrohungen per Mail erhalten. Nach der Messerattacke habe es 8000 Einträge in den sozialen Netzwerken über ihn gegeben, die vom Staatsschutz überprüft wurden. In 30 Fällen kam es zu Anklagen – ohne ein einziges Urteil.

Ein Amt wie das des Oberbürgermeisters dürfe man nicht anstreben, wenn man unter Anfeindungen leiden würde, sagt Hollstein. „Nein. Da ist nichts geblieben. Ich habe in Altena nicht aufgehört, weil ich das satt hatte, wie manche behauptet haben. Ich bin ein Kämpfer“, sagt Hollstein. „Wenn man das kann, soll man es durchhalten. Ich kann es.“

Es gebe derzeit keine Absprachen mit den Dortmunder Grünen, ob sie ihn in einer möglichen Stichwahl unterstützen. „Die hoffen ja selbst darauf, die Nummer zwei zu werden“, sagt Hollstein. „Aber sie sehnen natürlich auch einen Wechsel an der Stadtspitze herbei und wissen, dass ich einiges anzubieten habe, was zu ihrer Politik passt.“

Integration und viele Sozialthemen, an denen grüne Politik andocken könnte. Zudem habe er in Altena zuletzt eine – informelle – schwarz-grüne Koalition geführt. Im zweiten Wahlgang werde alles neu gemischt. „Da können durch die oft geringere Wahlbeteiligung überraschende Ergebnisse herauskommen“, sagt Hollstein.

Er selbst sei zwar immer ein Gegner der Stichwahl gewesen, weil sie die Amtsinhaber benachteilige, „die gute Arbeit geleistet haben, den ersten Wahlgang vielleicht mit 46 Prozent beenden und beim zweiten dann verlieren, weil viele ihrer Anhänger glauben, die Sache sei schon gelaufen“. Aber der Verfassungsgerichtshof habe nun mal entschieden, dass die Abschaffung der Stichwahl rechtswidrig sei. In Dortmund könnte Andreas Hollstein davon profitieren.