Buzzword oder Praxis?Was „feministische Außenpolitik“ unter Baerbock bedeutet

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Baerbock Niger

Annalena Baerbock in Niger 

„Ich bin stolz, dass meine Regierung als erste deutsche Regierung eine feministische Außenpolitik verfolgt.“, so äußerte sich Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (B‘90/Grüne) letzte Woche in ihrer Rede beim ersten „Feminist Foreign Policy Summit“. Wie genau sich die Politik der ersten Frau an der Ministeriumsspitze von der Politik ihrer Vorgänger unterscheidet und ob Feminismus der ausschlaggebende Faktor ist, ist auf den ersten Blick nicht erkennbar. Deshalb bedarf es einer Klärung des Begriffs.

In feministischer Außenpolitik geht es darum, in allen politischen Entscheidungen die Perspektive marginalisierter Personen mitzudenken. 2014 popularisierte die damalige schwedische Außenministerin Margot Wallström den Begriff, der ihre Herangehensweise an Außenpolitik beeinflusste.

„Ohne Feminismus kann ein keinen Frieden geben“, provoziert das Centre for Feminist Foreign Policy (CFFP), eine gemeinnützige Beratungs- und Forschungsorganisation mit Sitz in London und Berlin. Kritisiert werden in der feministischen Außenpolitik das Patriarchat, Kolonialismus, Heteronormativität, Kapitalismus, Rassismus, Imperialismus und Militarismus. In der Sicherheitspolitik werde – anders als in „klassischer“ Außenpolitik – nicht ausschließlich der Fokus auf militärische Stärke und Gewalt gelegt. Stattdessen werden die Stimmen von Frauen und marginalisierten Gruppen verstärkt, so das CFFP.

Baerbock kontert Merz im Bundestag

In der Praxis wird in Bezug auf Annalena Baerbock immer wieder von feministischer Außenpolitik gesprochen, nicht zuletzt, weil sie selbst ihre Politik so beschreibt. Baerbock ist die erste Außenministerin Deutschlands, Weltpolitik ist nach wie vor ein von Männern dominierter Raum. Nach Joschka Fischer ist sie die zweite Grüne Ministerin im Amt. Die Ampelkoalition ist die erste Bundesregierung, die im Koalitionsvertrag explizit Bezug zur Praxis feministischer Außenpolitik nimmt. Dort heißt es, man wolle im „Sinne einer Feminist Foreign Policy“ Diversität fördern und „Rechte, Ressourcen und Repräsentanz von Frauen und Mädchen weltweit stärken“.

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Für eine Bilanz der Außenministerin ist es nach wenigen Monaten im Amt noch zu früh. Die zurzeit debattierten Waffenlieferungen Deutschlands an die Ukraine stellen eine Herausforderung für eine Grüne Ministerin dar, denn sie widersprechen Idealvorstellungen friedlicher Politik. Bei einer Debatte im Haushaltsausschuss im Bundestag Ende März betonte Annalena Baerbock, dass es wichtig sei, feministische Außerpolitik in Bezug auf die Ukraine mitzudenken, denn dies sei „kein Gedöns“.

Damit konterte sie Friedrich Merz, dem Vorsitzenden der CDU, der in seiner vorhergegangenen Rede kritisiert hatte, dass Baerbock ein Teil des geplanten Sonderetats für die Bundeswehr für feministische Außenpolitik einsetzen wollte. Die Außenministerin betonte die Notwendigkeit der feministischen Perspektive im Ukraine-Krieg. Als Beispiel nannte sie die Praxis von Vergewaltigungen an Frauen und Mädchen als Kriegswaffe.

Reaktionen auf Afrika-Besuch Baerbocks 

Auf Social Media wurde am Rande der Afrikareise der Ministerin in der letzten Woche das Thema diskutiert. So kommentierte eine Userin „Diese Foto zeigt auf so vielen Ebenen was auch „feministische Außenpolitik“ meint. Und Ja! Wir brauchen mehr davon. Viel mehr. Danke“. Auf dem Foto sieht man Baerbock, breit lachend, wie sie bei einem Besuch in Niger auf den Schultern Gemüseeimer trägt. Um sie herum stehen Frauen und Männer ebenfalls lächelnd. Baerbock hatte zuvor in einem Landwirtschaftszentrum gebeten, ihr zu zeigen, wie sie Gemüse transportieren. Sie zollte den Frauen so Respekt für ihre harte körperliche Arbeit.

Für einige Twitter-Nutzer scheint die Grüne Ministerin das Sinnbild von erfolgreicher feministischer Außenpolitik zu sein. Manche lobten ihre „sympathische und authentische Ausstrahlung“, eine Userin kommentierte: „Für mich eine Revolution im deutschen Politik Stil.“ Doch nicht bei allen kam der Schnappschuss gut an. Ein Nutzer kritisierte, dass die Politik von Baerbock alles Show sei und bei Afrikanern nicht gut ankomme, da sie sich als Retterin und Problemlöserin präsentiere.

Darüber, wie man feministische Außenpolitik in politische Praxis umsetzt, gibt es diverse Ansätze. Für manch einen beinhaltet der Begriff die Notwendigkeit einer Abrüstung und die Abkehr von militärischen Auseinandersetzungen. Für andere ist die pazifistische Variante zu einfach gedacht, aufgemachte Gegensätze wie „feministisch oder militärisch“ spiegelten nicht die Realität wider, wird Rachel Tausendfreund von „Women in International Security“ vom „Spiegel“ zitiert.

Für Baerbock ist es wichtig zu betonen: Feministische Außenpolitik ist nicht nur für Frauen wichtig. „Es sollen nicht weniger Stimmen gehört werden, sondern MEHR.“, erläuterte sie in ihrer Rede beim „Feminist Foreign Policy Summit“. Dies bedeute, dass in der Praxis niemand ausgeschlossen werde, sondern andersherum gedacht darauf geachtet werde, eine gleichberechtigte Teilhabe zu ermöglichen. Für ihre Politik bedeute dies, sich mit internationalen Partnern und der Zivilgesellschaft auszutauschen, modelliert am „schwedischen Modell“. Konkrete politische Umsetzung sprach sie dabei jedoch nicht an. Welche Schritte Baerbock konkret auch in Bezug zum Krieg gegen die Ukraine unternehmen will, bleibt abzuwarten.

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