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Sorge um Solidarität mit IsraelDIG-Präsident Volker Beck warnt Bundeskanzler Merz

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Volker Beck, Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG), spricht auf der Kundgebung in Berlin.

Volker Beck, Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG)

Der neue Kanzler hatte jüngst das Vorgehen der israelischen Armee als für ihn unverständlich kritisiert und gefordert, mehr humanitäre Hilfslieferungen in den Gazastreifen zu lassen.

Angesichts zunehmender Kritik in Deutschland an der israelischen Kriegführung in Gaza und Debatten über einen deutschen Kurswechsel etwa in der Frage von Rüstungsexporten warnt die Deutsch-Israelische Gesellschaft (DIG) davor, die Solidarität mit Israel preiszugeben. „Ich verstehe Bundeskanzler Friedrich Merz insoweit, dass er mit der deutschen Israel-Politik innerhalb des europäischen Bündnisses sozusagen querliegt zu den anderen Partnern, etwa zu Frankreich oder Großbritannien“, sagte DIG-Präsident Volker Beck dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Es gebe „einen strategischen Bedarf der Annäherung“, den er nicht kleinreden wolle. „Aber einer schwierigen Lage der Außen- und Verteidigungspolitik darf am Ende nicht die Sicherheit Israels geopfert werden.“

Merz hatte jüngst das Vorgehen der israelischen Armee als für ihn unverständlich kritisiert und gefordert, mehr humanitäre Hilfslieferungen in den Gazastreifen zu lassen. Außenminister Johann Wadephul (CDU) hatte angesichts der mangelhaften Versorgung der Menschen einen Zusammenhang zwischen Waffenlieferungen und der Beachtung des humanitären Völkerrechts durch Israel hergestellt. Später betonte er, Deutschland werde das Land weiterhin auch militärisch unterstützen. Seit dem mörderischen Überfall der Hamas auf Israel vom 7. Oktober 2023 hat die Bundesregierung Rüstungsexporte an Israel in Höhe von fast 500 Millionen genehmigt.

DIG-Präsident Volker Beck warnt, Solidarität mit Israel preiszugeben

Nun mehren sich die Rufe nach einem Lieferstopp. „Deutsche Waffen dürfen nicht für Kriegsverbrechen eingesetzt werden“, sagte etwa die SPD-Außenpolitikerin Isabel Cademartori. Eine Drei-Viertel-Mehrheit der Deutschen lehnt laut einer aktuellen Forsa-Umfrage die Waffenlieferungen nach Israel ab. Nur 14 Prozent halten Hilfe für richtig.

Beck sagte, man müsse das große Ganze sehen: „Es gibt nicht nur einen Gaza-Krieg. Es gibt die Achse Teheran – Moskau – Peking, und Israel ist in einem Sieben-Fronten-Krieg. Es wird vom Jemen bis zum Iran angegriffen.“ Außerdem erinnerte Beck daran, dass die Rüstungskooperation mit Israel „keine Einbahnstraße“ sei. „Deutschland ist abhängig davon, dass Israel uns im Bereich der Drohnen und der Luftverteidigung die entsprechenden Waffensysteme liefert, damit wir das umsetzen können, was wir uns in der Nato vorgenommen haben, nämlich unsere Bevölkerung auch gegen einen Angriff aus der Luft selbst verteidigen zu können.“

Beck wandte sich gegen „Oberlehrertum in Deutschland, als ob man hier besser wüsste, wie der asymmetrische Krieg der israelischen Armee so zu führen ist, dass er sowohl mit dem vollständigen militärischen Sieg der Hamas endet als auch mit der größtmöglichen Schonung der Zivilbevölkerung einhergeht“.

Katastrophale humanitäre Situation im Gaza-Streifen

Die katastrophale humanitäre Situation im Gaza-Streifen treibe auch ihn um, betonte Beck. „Aber man muss immer sagen: Die Hamas hat diesen Krieg begonnen, und die Hamas kann ihn jeden Tag beenden – indem sie die Geiseln freilässt und die Waffen niederlegt. Aber die Hamas will das nicht. Ihr Ziel ist es, mit dem Leiden der Zivilbevölkerung Israels Anstrengungen zur Selbstverteidigung und damit Israel als Ganzes zu delegitimieren. Man muss also sehr aufpassen, dass man mit der berechtigten Mahnung zur Einhaltung des Völkerrechts nicht zu einem Akteur im Drehbuch der Hamas wird. Und gleichzeitig darf dieses Dilemma kein Freifahrtschein sein.“

Beck insistierte, was Israel zur Ausübung seines Selbstverteidigungsrechts benötige, müsse Israel auch bekommen.   Die Bundesregierung stehe hier im Wort, argumentiert auch ein Positionspapier der DIG zur Lage in Israel und Nahost. Darin betont die nach eigenen Angaben größte und traditionsreichste Organisation für die Freundschaft zwischen den Gesellschaften beider Länder die Geltung des Völkerrechts und seiner Bestimmungen für die israelische Kriegführung einschließlich eines bestmöglichen Schutzes der Zivilbevölkerung. Den Militäreinsatz Israels im Gazastreifen bezeichnet das 13-Seiten-Dokument, das dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt, als „grundsätzlich verhältnismäßig“.

Im DIG-Papier: Besorgnis wegen Lebensmittelmangel und der Gefahr einer Hungersnot

Die DIG bekennt sich klar zur Legitimität und auch zur grundsätzlichen Angemessenheit des militärischen Vorgehens als Teil der legitimen Selbstverteidigung. Zwar stellten sich angesichts der Zahl ziviler Opfer und der humanitären Not im Gazastreifen „Fragen“. Doch vermeidet die DIG es, diese Fragen zulasten Israels zu beantworten. Vielmehr verweist sie mehrfach auf das Agieren der Hamas, die Zivilisten an der Flucht vor Kampfhandlungen hindere oder Hilfsgüter „zur Finanzierung ihrer Kriegsmaschinerie abgezweigt“ habe.

Über Lebensmittelmangel und die Gefahr einer Hungersnot zeigt sich auch das DIG-Papier sehr besorgt. Das Papier begrüßt die Wiederaufnahme der im März gestoppten Hilfslieferungen. Dafür sei es „höchste Zeit“ gewesen. „Es so weit kommen zu lassen, war ein Fehler der Netanjahu-Regierung, und die Begründung für die Wiederaufnahme als von außen erzwungen ist beschämend, denn das vorsätzliche Aushungern von Zivilisten ist nach dem humanitären Völkerrecht eindeutig verboten.“

Die DIG bekundet ihre Trauer um jeden Toten des „von der Hamas vom Zaun gebrochenen Krieges“, ob Israeli, Palästinenser oder Besucher der Region. „Wir stehen an der Seite der Menschen, die sich für Frieden und Koexistenz im Nahen Osten einsetzen.“ Als möglichen „Zwischenschritt zum Frieden“ erwägt das Papier einen Waffenstillstand, der die Befreiung der Geiseln gewährleistet. Nur: Mit der Hamas könne es keinen Frieden geben, denn deren Ziel – so die DIG – „bleibt die Auslöschung Israels und die Ermordung jüdischer Menschen“.