Ein Jahr als CDU-ChefWie Friedrich Merz die Union führt

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CDU-Chef Friedrich Merz läutet Mitte Januar auf einer Parteitagung in Weimar eine Sitzungsglocke.

CDU-Chef Friedrich Merz Mitte Januar auf einer Parteitagung in Weimar.

Friedrich Merz ist seit einem Jahr CDU-Chef. In der Zeit hat er die Fraktion für die Opposition fit gemacht. Einige Herausforderungen bleiben.

Viele Jahre hat Friedrich Merz darum gekämpft, nun ist er es schon seit einem Jahr: CDU-Parteivorsitzender. Im Jahr 2022 konzentrierte er sich vor allem auf die Organisation der Oppositionsarbeit in der Bundestagsfraktion – keine leichte Aufgabe. Immerhin war die CDU zuvor 16 Jahre in der Regierung. Eine Auswahl, welche Schwierigkeiten auf den 67-Jährigen noch warten:

Die inhaltliche Aufstellung

Die CDU hat in den vergangenen Jahren insbesondere in der Wirtschafts- und Sozialpolitik an Kompetenzen eingebüßt. Das Konrad-Adenauer-Haus will die Versäumnisse der Vergangenheit aufholen: In diesem Jahr sollen die Positionen im neuen Grundsatzprogramm ausgearbeitet werden – 2024 folgt dann die sprachliche Ausformulierung. Das dürfte schwierig werden.

Schon beim letzten Parteitag haben die Delegierten vom konservativen und dem liberalen Flügel um einzelne Formulieren hart gerungen. Zudem besteht die offene Frage, wie die Partei ihre Migrationsposition definieren wird: Hier tun sich beide Lager schwer, aufeinander zuzugehen. Im Dezember enthielten sich 20 Abgeordnete bei der Bundestags-Abstimmung über die von der Ampel eingebrachten Änderungen beim Aufenthaltsrecht, statt sie abzulehnen, wie es Merz eigentlich wollte.

Der CDU-Vize und Chef der Grundsatzprogramm-Kommission, Carsten Linnemann, will Chancengleichheit mit Integration verknüpfen. „Wir müssen endlich Bildungspolitik als nationale Aufgabe verstehen und nationale Bildungsstandards zur Erleichterung von Integration durchsetzen“, sagte der Christdemokrat. Seine bereits vor einigen Jahren erhobene Forderung nach einem Sprachtest will er in das Grundsatzprogramm schreiben. Es brauche ein „bundesweit einheitlicher und verpflichtender Sprachtest“, den jedes vierjährige Kind unabhängig von Herkunft mache, erläuterte Linnemann.

„Wer diesen Test nicht besteht, muss verpflichtend in die Vorschule oder in die Kita gehen, um deutsche Sprachkenntnisse zu erwerben.“ Ziel sei es, dass alle Erstklässler von Anfang an dem Unterricht folgen könnten. „Davon werden nicht nur viele Kinder mit Migrationshintergrund profitieren, sondern auch Kinder, die in deutschsprachigen, aber bildungsfernen Haushalten aufwachsen. Diese Bildungsmaßnahme will ich im CDU-Grundsatzprogramm verankern.“

Die Frauen, die Migranten

Die CDU will sich für Menschen mit Migrationshintergrund und jungen Frauen öffnen. „Wir müssen stärker als bisher neue Wählerpotenziale erschließen, ohne die wir aufgrund der Veränderungen der Gesellschaftsstruktur keine Wahlen mehr gewinnen“, sagte Merz im Sommer 2022 im RND-Interview.

Um mehr junge Frauen für die Partei zu gewinnen, hat Merz mit Christina Stumpp eine stellvertretende Generalsekretärin in die CDU-Führung geholt. Den Posten gab es vorher nicht. Doch Stumpp ist bisher blass geblieben und in der Öffentlichkeit kaum durchgedrungen.

Ähnlich sieht es bei den CDU-Vizevorsitzenden Silvia Breher und Karin Prien aus. Nachholbedarf sehen manche in der Partei auch bei der Ansprache an Migranten, zuletzt wegen der „Pascha“-Aussage von Merz. Man müsse sich sensibel genug ausdrücken, damit niemand verletzt wird, mahnte Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) im „Tagesspiegel“. Hier droht Streit.

Die Umfragewerte

Die CDU erreicht in der jüngsten Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes Forsa 28 Prozent an Zustimmung. Damit liegt die Partei stabil auf Platz eins. 28 Prozent sind zwar mehr als zur Bundestagswahl 2021, als sie auf 24,1 Prozent abrutschte. Aus Sicht von CDU-Generalsekretär Mario Czaja reicht das aber noch lange nicht aus. Der „Süddeutschen Zeitung“ sagte er, die 30-Prozent-Marke sei „eine gläserne Decke“ für die Partei. Er sieht für die Partei eine Chance aufs Kanzleramt, wenn die CDU diese Decke durchbreche.

Auch die persönlichen Umfragewerte für Friedrich Merz sind ausbaufähig. Laut ARD-„Deutschlandtrend“ sind nur 29 Prozent der Befragten mit der Arbeit des Oppositionsführers zufrieden. Bei Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sind es immerhin 40 Prozent.

Die Kanzlerkandidatur

Hört man sich in der CDU um, geht nahezu jeder davon aus, dass Friedrich Merz der nächste Kanzlerkandidat werden will. 2025 wäre seine letzte Chance, Kanzler zu werden. Er ist dann schon fast 70 Jahre alt. Die Frage löst Unruhe in der Partei aus, weil es Sorgen gibt, das sich der öffentliche Machtkampf um die Kanzlerfrage erneut wiederholen könnte.

Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder (56) hat weitere Ambitionen auf das Kanzleramt zwar verneint, Christdemokraten glauben ihm das allerdings nicht. Wenn Söders CSU bei der Bayern-Wahl im Herbst mehr als 40 Prozent holt, werden die Karten neu gemischt, lautet die Befürchtung.

Als weiterer Anwärter auf das Kanzleramt gilt der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst (CDU). Anders als Merz und Söder hat Wüst aber keinen Zeitdruck: Er ist erst 47 Jahre alt und hat noch keine volle Amtszeit in NRW regiert.

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