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Kommentar

Erdoğan gegen die Opposition
Das gefährliche Schweigen Europas

Ein Kommentar von
2 min
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan in Ankara. . /Utku Ucrak

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan in Ankara. . /Utku Ucrak

In der Türkei eskaliert Präsident Erdoğan den Kampf gegen die Opposition – mit Festnahmen, Immunitätsentzug und systematischer Einschüchterung. Deutschland und die EU sehen tatenlos zu, aus Angst, Erdoğan zu verprellen.

In der Türkei lässt Erdoğan die Opposition verhaften und Europa schaut demonstrativ weg. Etwa 15 CHP-Bürgermeister sitzen in Untersuchungshaft, Hunderte Parteimitglieder und regierungskritische Journalisten stehen im Visier der Justiz. Zugleich liegt ein Antrag auf Aufhebung der Immunität von 61 CHP-Abgeordneten vor – fast der halben Fraktion.

Die jüngsten Festnahmen markieren einen neuen Tiefpunkt im autoritären Umbau der Türkei. Erdoğan greift zu Mitteln, die mit einem demokratischen Rechtsstaat unvereinbar sind. Es ist offensichtlich, dass er den politischen Gegner nicht mehr nur schwächen, sondern systematisch ausschalten will. Ein gezielter Angriff auf die letzten Reste der Demokratie in der Türkei.

Politische Konkurrenz zu Staatsfeinden erklärt

Der Zeitpunkt ist kein Zufall: Die CHP hat die Kommunalwahlen 2024 gewonnen, regiert mit Istanbul und Ankara in den wichtigsten Städten des Landes und liegt in Umfragen vor Erdoğans AKP. Der greift daher zu einer altbekannten Strategie: Er erklärt politische Konkurrenz zu Staatsfeinden.

Gleichzeitig hat Erdoğan den Rechtsstaat nahezu vollständig entkernt: Die Justiz ist politisch gelenkt, 90 Prozent der Medien stehen unter seiner Kontrolle. Und trotzdem gelingt es ihm kaum noch, die wachsende Unzufriedenheit zu verbergen. Die Inflation ist hoch, die Lira im Sinkflug, die Wirtschaftskrise massiv. Selbst loyale Erdoğan-Anhänger wenden sich langsam ab.

Erdogan als Türsteher Europas in der Flüchtlingspolitik

Deutschland und die EU üben allenfalls symbolische Kritik, Konsequenzen gibt es keine. Zu groß ist die Abhängigkeit von Erdoğan: als Nato-Partner, als Türsteher Europas in der Flüchtlingspolitik, als vermeintlicher Stabilitätsfaktor. Lieber nimmt man schweigend hin, wie er die demokratische Opposition kriminalisiert, Bürgermeister einsperrt und die Gewaltenteilung endgültig abschafft. Die Botschaft ist fatal: Wer geostrategisch wichtig ist, darf Demokratie straflos demontieren.

Doch Europa täuscht sich: Wer autoritären Machtmissbrauch ignoriert, verliert langfristig jeden Einfluss. Denn ein autoritärer Staat, der Demokratie abbaut, die Opposition verfolgt und Medien gleichschaltet, ist kein sicherheitspolitisch verlässlicher Partner. Auch aus eigenem Interesse muss Europa deshalb endlich klar Position beziehen. Es reicht nicht, auf die nächste Wahl zu hoffen. Die demokratische Opposition braucht jetzt Rückhalt – nicht irgendwann, sondern heute.