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Erster Auftritt von Kamala HarrisAmerikas Demokraten sollen von den Elefanten lernen

Lesezeit 4 Minuten
Die ehemalige US-Vizepräsidentin Kamala Harris hält die Eröffnungsrede bei der Emerge 20th Anniversary Gala in San Francisco.

Die ehemalige US-Vizepräsidentin Kamala Harris hält die Eröffnungsrede bei der Emerge 20th Anniversary Gala in San Francisco.

Erstmals nach ihrer Wahlniederlage gegen Donald Trump ist die Demokratin Kamala Harris wieder öffentlich aufgetreten. 

Sie hat es immer noch: das ansteckende, manchmal leicht überdrehte Lachen, den sympathischen Optimismus, den Jubel des Publikums. Aber geblieben sind auch die Kontrolliertheit ihres Auftritts und eine gewisse Vagheit ihrer Aussagen. „Die Dinge werden wahrscheinlich noch schlimmer, bevor sie besser werden“, rief Kamala Harris am Ende ihres 16-minütigen Vortrages den Zuhörern zu: „Ihr seid nicht alleine. Wir stecken alle gemeinsam drin.“

Das klang wohl nicht zufällig etwas zurückgenommen einen Tag, nachdem Donald Trump in Washington triumphal seinen hundertsten Amtstag gefeiert hatte. Seine einstige Gegenkandidatin war nach ihrer Niederlage bei der Präsidentschaftswahl ein halbes Jahr lang weitgehend aus der Öffentlichkeit verschwunden. In der Nacht zum Donnerstag meldete sich die Demokratin zurück - in ihrer Heimatstadt San Francisco, auf sicherem Terrain, bei einer Spendengala.

Kamala Harris tritt erstmals nach Wahlniederlage auf: Sie gibt sich als Elder Stateswoman

Harris wolle Trump, den sie vor der Wahl einen „Faschisten“ genannt hatte, scharf kritisieren, hatten ihre Büchsenspanner vor dem Auftritt durchgestochen. Mutmaßlich wollten sie damit das mediale Interesse wecken. Tatsächlich rechnete die einstige Staatsanwältin 16 Minuten lang mit der Politik des Präsidenten ab, ohne ihn freilich persönlich zu attackieren. Sie trat nicht als politische Gegenspielerin auf, sondern eher mahnend, erklärend, tröstend und motivierend wie eine Elder Stateswoman.

„Statt einer Regierung, die dafür arbeitet, die höchsten Ideale Amerikas voranzubringen, erleben wir die umfassende Aufgabe dieser Ideale“, analysierte sie eingangs. „Trump und seine Leute“ wollten den Menschen Angst einflößen: „Doch sie haben außer Acht gelassen, dass Angst nicht das einzige ist, was ansteckend ist. Mut ist ansteckend.“

Das klang ein bisschen wie das Pfeifen im Walde angesichts des Zollchaos, des Abbaus der sozialen Sicherheit und der drohenden Verfassungskrise, die Harris - in dieser bemerkenswerten Reihenfolge - beschrieb. Und tatsächlich unterbrach sich die Rednerin einmal plötzlich, um metaphorisch in die Natur abzuschweifen. „Haben Sie dieses Video von den Elefanten aus dem Zoo in San Diego gesehen?“, fragte sie ins Publikum. Als dort Mitte April die Erde bebte, hatten die Dickhäuter einen Kreis gebildet und sich schützend um ihre Jungen geschart.

„Lasst Euch nicht auseinanderdividieren im Angesicht der Krise“, lautete entsprechend die zentrale Botschaft der einstigen Präsidentschaftskandidatin. Harris befindet sich persönlich in keiner einfachen Lage: Einerseits will sie offenbar nicht durch einen allzu aggressiven Ton den Eindruck erwecken, sie erkenne ihre Wahlniederlage nicht an. Andererseits werden der 60-Jährigen Ambitionen auf das Gouverneursamt in Kalifornien nachgesagt. Für eine Kandidatur könnte ein allzu radikales Profil schädlich sein.

Präsident Donald Trump (l.) spricht nach seiner Vereidigung zum Präsidenten der Vereinigten Staaten während der Amtseinführung des Präsidenten in der Rotunde des US-Kapitols in Washington, während der ehemalige Präsident Joe Biden (m.) und die ehemalige Vizepräsidentin Kamala Harris zusehen.

Präsident Donald Trump (l.) spricht nach seiner Vereidigung zum Präsidenten der Vereinigten Staaten während der Amtseinführung des Präsidenten in der Rotunde des US-Kapitols in Washington, während der ehemalige Präsident Joe Biden (m.) und die ehemalige Vizepräsidentin Kamala Harris zusehen.

Doch der zurückgenommene Auftritt der einstigen Hoffnungsträgerin verdeutlicht auch das Dilemma ihrer Partei: Die Demokraten sind in der Frage des Umgangs mit Trump tief gespalten. Das alte Establishment möchte moderate Wähler nicht verschrecken und seine ganze Kraft darauf konzentrieren, bei den Zwischenwahlen 2026 die Mehrheit im Kongress zurückzugewinnen, um den Präsidenten dann parlamentarisch ausbremsen zu können. Bis dahin wollen diese Politiker versuchen, pragmatisch das Schlimmste zu verhindern.

So haben der kalifornische Gouverneur Gavin Newsom und die Gouverneurin von Michigan, Gretchen Whitmer, Trump in ihren Bundesländern freundlich begrüßt und sich so Hilfen zur Bekämpfung von Waldbränden und die Standortzusage für eine Militärbasis gesichert. Chuck Schumer, der Minderheitsführer der Partei im Senat, hat sogar den Haushalt des Präsidenten passieren lassen.

Wir schlafwandeln in eine Autokratie. Jeder Tag, an dem dieses Chaos weitergeht, erhöht die Gefahr, dass wir keine freien Wahlen mehr erleben werden.
Senator Chris Murphy

Doch eine wachsende Zahl von Vertretern unterschiedlicher ideologischer Lager hält diesen Appeasement-Ansatz angesichts der radikalen Zerstörung demokratischer Strukturen durch Trump für verfehlt. „Wir schlafwandeln in eine Autokratie“, hat Senator Chris Murphy gewarnt: „Jeder Tag, an dem dieses Chaos weitergeht, erhöht die Gefahr, dass wir keine freien Wahlen mehr erleben werden.“

Noch deutlicher wurde vor wenigen Tagen Gouverneur JB Pritzker aus Illinois: „Ich habe niemals in meinem Leben zu Massenprotesten und zur Störung (der öffentlichen Ordnung) aufgerufen“, sagte er: „Aber ich mache es nun.“ Es sei Zeit, „überall und auf einmal“ zu kämpfen, rief der demokratische Milliardär zum Widerstand auf.

Von einer solchen Positionierung scheint Harris weit entfernt. Allerdings lobte sie Murphy in ihrer Rede ausdrücklich. Auch hob sie die Protestdemos des unabhängigen Senators Bernie Sanders und der linken Abgeordneten Alexandria Ocasio-Cortez hervor, die derzeit überall im Land zehntausende Menschen mobilisieren.

Sie erwähnte Senator Cory Booker, der mit einer 25-stündigen Marathonrede gegen Trump protestiert hatte und dessen Kollegen Chris van Hollen, der nach El Salvador flog, um sich für die Freilassung eines von der Trump-Regierung abgeschobenen unschuldigen Migranten einzusetzen. „Sie alle haben mit moralischer Klarheit gesprochen“, hob Harris hervor. Sie selbst sieht sich offenbar eher als Motivatorin.