Die Trump-Regierung hat mit der Verfassung der USA wenig im Sinn. Die Europäer müssen entsprechend agieren.
Respekt von TyrannenDie EU darf sich von Donald Trump nicht herumschubsen lassen

US-Präsident Donald Trump
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Schon während Donald Trumps erster Amtszeit waren die Beziehungen zwischen den USA und Europa äußerst schlecht. Trump beschwerte sich immer wieder über das hohe Handelsdefizit der USA mit der EU und kritisierte die mangelnden Verteidigungsanstrengungen der Europäer. Trump überlegte gar, Washington aus der Nato zu holen. Immer wieder erklärte er, dass die EU „natürlich gegründet worden sei, um die USA auszunutzen“. „Das können wir uns nicht gefallen lassen.“
Dabei waren es die USA, die 1949/1950 Bundeskanzler Konrad Adenauer und den französischen Außenminister Robert Schuman dazu drängten, durch die Gründung der Montanunion und den allmählichen Aufbau einer europäischen Wirtschaftsgemeinschaft endlich ein stabiles und friedliches Europa zu schaffen. In seiner zweiten Amtszeit hat sich an Trumps negativer Einstellung nicht viel geändert. Zwar haben die Europäer, aufgeweckt durch Putins Einmarsch in die Ukraine und Trumps derbe Kritik, größte Anstrengungen gemacht, ihre Militärausgaben deutlich hochzuschrauben.
Doch nach wie vor hat die EU einen großen Handelsüberschuss an Waren mit den USA. Er beläuft sich derzeit auf über 235 Milliarden Euro. Das sind 13 Prozent mehr als noch 2023. Tendenz weiter steigend. Die US-Verbraucher kaufen einfach sehr gerne europäische Produkte. Trump dagegen ist überzeugt, dass ihn die Europäer übers Ohr hauen. Hohe Zölle müssten her, um das wieder wettzumachen. Die Europäer seien „sehr, sehr harte Handelspartner“, die die USA dauernd beschwindelten und noch schlimmer seien als die Chinesen.
Vance bringt ideologische Komponente in US-Politik
Mittlerweile ist auch eine durch Trumps Vizepräsident J.D. Vance vertretene ideologische Komponente hinzugekommen, die es in diesem Ausmaß zuvor noch nicht gab. Bei der Trump-Administration handelt es sich im Grunde um eine rechtsextremistische Regierung, die nicht davor zurückschreckt, die freiheitlich-demokratische Grundordnung der USA zu unterlaufen und gar in Teilen abzuschaffen. Fast täglich umgeht und ignoriert die Regierung die Gesetzgebung, die Gerichte und selbst die Verfassung der USA. In einem Interview mit dem Fernsehsender NBC antwortete Trump kürzlich auf die Frage, ob er sich als Präsident nicht an die Verfassung der USA halten müsse: „Weiß ich nicht.“ Für solche Dinge habe er ja jede Menge brillante Juristen, die ihn berieten.
Auch auf die Frage, ob nicht jeder Mensch in den USA bei einer Anklage das Recht auf ein ordnungsgemäßes Gerichtsverfahren habe, einschließlich derjenigen, die der illegalen Einwanderung verdächtigt werden, erklärte der Präsident. „Ich weiß es nicht. Ich bin kein Jurist. Weiß ich nicht.“ Im 5. Zusatz der US-Verfassung heißt es aber ganz klar, dass ohne ordnungsgemäßes Gerichtsverfahren „keine Person“ – egal ob Staatsbürger oder Ausländer – „des Lebens, der Freiheit oder des Eigentums“ beraubt werden dürfe.
Trumps Regierung hat eine rechtsextremistische Haltung
Stattdessen überlegt die Trump-Administration derzeit, per Dekret das jahrhundertealte „Habeas Corpus“-Recht auszusetzen. Dabei handelt es sich in dem in den angelsächsischen Ländern angewandten Gewohnheitsrecht um das Recht jedes Angeklagten, die Gründe seiner Verhaftung durch ein Gericht überprüfen zu lassen. Juristen sind sich einig, dass nur der Kongress Habeas Corpus aussetzen darf und auch nur, wie es im Artikel 1 der US-Verfassung heißt, „im Fall einer Rebellion oder Invasion, wenn es die öffentliche Sicherheit des Landes erfordert.“ Präsident Abraham Lincoln suspendierte Habeas Corpus 1861 und 1862 während des amerikanischen Bürgerkriegs und wurde dafür heftig kritisiert.
Die rechtsextremistische Haltung der Trump-Regierung wurde nicht zuletzt durch die Rede von Vizepräsident Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar 2025 deutlich – fast genau eine Woche vor den Bundestagswahlen. Vance argumentierte damals ähnlich wie die Putin-freundliche AfD und behauptete, dass nicht Russland oder China die größten Feinde Europas seien. Europa werde vielmehr vor allem durch seine inneren Probleme bedroht: den angeblich zunehmenden Mangel an Demokratie, freier Meinungsäußerung und Freiheit der Wahlen. Auch solle die EU endlich die Massenimmigration nach Europa stoppen.
Die in bitterer und schroffer Weise vorgetragene Rede wurde von vielen Experten als „Wendepunkt“ der transatlantischen Beziehungen angesehen. Das Ende der engen Allianz mit den USA schien gekommen zu sein. Doch vorige Woche hat Vance eine weitere Rede vor einer kleineren Ausgabe der in Washington tagenden Münchner Sicherheitskonferenz gehalten. Und dieses Mal zeigte sich Trumps Vize überraschend konziliant.
Natürlich seien die USA und Europa immer noch „on the same team“ – in derselben Mannschaft – und durch ihre gemeinsame Kultur und Zivilisation eng miteinander verbunden. Auch wenn es mal Dispute gebe und Europa gerade in der Sicherheitspolitik noch vieles besser machen könne, so sei es völlig lächerlich, zu glauben, man könne einen „groben Keil“ zwischen die transatlantischen Verbündeten treiben.
EU muss versuchen, transatlantischen Beziehungen fortzuführen
Was ist von alledem zu halten? Hatte Vance im Februar einfach schlecht geschlafen und jetzt im Mai seine gute Laune wiedergefunden? Gibt es gar keine tiefe Krise in den transatlantischen Beziehungen? Das zu glauben, wäre ein großer Trugschluss. Alle innen- und außenpolitischen Handlungen der Trump-Administration weisen auf die extreme Ausrichtung dieser ungewöhnlichen und sich oftmals irrational verhaltenden Regierung hin.
Dennoch bleibt den EU-Ländern und der EU-Kommission nichts anderes übrig, als zu versuchen, die transatlantischen Beziehungen aufrechtzuhalten und irgendwie fortzuführen. Ungeachtet aller gutgemeinten Überlegungen von „strategischer Autonomie“ und aller sinnvollen Anstrengungen hin zu einem unabhängigen und souveränen Europa, ist ein Abkoppeln von den USA keine Option. Das ist völlig unrealistisch. Sicherheitspolitisch, aber auch wirtschafts- und handelspolitisch geht es einfach nach wie vor nicht ohne die USA.
Das heißt aber nicht, dass man Trump gegenüber eine Beschwichtigungspolitik verfolgen sollte. Die Strategie des neuen kanadischen Premierministers Mark Carney und der mexikanischen Präsidentin Claudia Sheinbaum weisen in die richtige Richtung: Auch die EU muss sich kooperativ zeigen, flexibel verhalten, Trump und seinen Mannen durchaus mit Respekt begegnen, aber herumschubsen lassen darf man sich dabei keinesfalls.
Denn dann respektieren Tyrannen einen nicht. Es scheint, dass die EU-Kommission, aber auch die neue deutsche Regierung das durchaus verstanden haben. Sie wollen der Trump-Administration mit Selbstbewusstsein und Stärke begegnen und energisch gegen Trumps aggressive Zollpolitik vorgehen, aber auch versuchen, offenen Disputen im Oval Office aus dem Weg zu gehen.