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„J.D. Vance hat Unrecht“Wird der neue Papst zum Anti-Trump?

Lesezeit 4 Minuten
Papst Leo XIV. trifft am 10. Mai das Kardinalskollegium in der Neuen Synodenhalle im Vatikan.

Papst Leo XIV. trifft am 10. Mai das Kardinalskollegium in der Neuen Synodenhalle im Vatikan. 

Die Amerikaner sind tief gespalten: Für die einen ist Leo XIV. ein „Marxist“, für die anderen ein „ermutigender“ Sozialreformer.

Stolz thront die mächtige Kuppel-Basilika im byzantinisch-romanischen Stil auf einer Anhöhe nördlich von Washington. An diesem Nachmittag ziehen dunkle Gewitter über die größte Kirche der USA weg. Mit einer riesigen amerikanischen Flagge unter dem Geläut wirkt der hundert Meter hohe Glockenturm wie ein mahnender Zeigefinger.

Gut fünf Kilometer entfernt im Rose Garden des Weißen Hauses gibt sich der Präsident  äußerlich erfreut. Vor ein paar Tagen noch hatte Donald Trump ein Bild von sich selbst als Papst gepostet. Nun ist es ein Mann aus Chicago geworden. „Ich habe das im Fernsehen gesehen“, sagt Trump: „Als ich hörte, dass es ein Amerikaner ist, habe ich gesagt: ‚Das ist großartig.‘“

Ultrarechte Bloggerin schlägt Alarm: „Er ist Anti-Trump, Anti-MAGA“

Doch der Präsident hat sich wohl zu früh gefreut. Tatsächlich ist Leo XIV. der erste US-amerikanische Papst, was in seinem Geburtsland mit patriotischem Stolz gefeiert wird. Es hat etwas durchaus Kurioses, dass John Prevost, der Bruder des Kirchenoberhaupts, lokalen Fernsehsendern in Chicago berichtet, dass der Papst ein Fan der Baseball-Mannschaft White Sox sei. Doch der Augustinermönch hat als „Latin Yankee“ mehr als 20 Jahre in Peru gelebt. Und zumindest sozialpolitisch steht er weit vom derzeitigen amerikanischen Mainstream entfernt.

Beim ultrarechten Sender Real America Voice ist die Stimmung zu dieser Zeit entsprechend gedämpft. Moderator Jack Posobiec berichtet live aus Rom. Der katholische Verschwörungstheoretiker jubelt zunächst über „den ersten amerikanischen Papst“ und brüstet sich: „Ich bin in Philadelphia zur Schule gegangen, nicht weit entfernt von seiner Universität“. Doch dann wird er kritischer: „Das ist nicht der Kandidat, den Konservative wollten.“

Kurz zuvor hat die ultrarechte Bloggerin Laura Loomer, die bei Trump immer auf ein offenes Ohr trifft, den Account des bisherigen Kardinals Robert Prevost bei X durchforstet. „Das ist der neue Papst“, schlägt sie in Großbuchstaben bei dem Kurznachrichtendienst Alarm: „Er ist Anti-Trump, Anti-MAGA, für offene Grenzen und ein kompletter Marxist!“

Papst Leo XIV: „J.D. Vance hat Unrecht“

Tatsächlich hat sich Kadinal Prevost noch vor drei Wochen höchst kritisch zu Trump eingelassen. Da saßen Trump und der salvadorianische Präsident Nayik Bukele im Oval Office und feixten über die Deportation von Migranten in einen Gefängnis-Gulag in El Salvador: „Seht Ihr nicht das Leiden? Ist Euer Gewissen nicht beunruhigt?“, stand in einem Post, den der Geistliche teilte. Zwei Monate zuvor legte sich Prevost offen mit dem zum Katholizismus übergetretenen Vizepräsidenten J.D. Vance an, der erklärt hatte, Christen müssten sich vordringlich um ihre Familien und nicht um Migranten kümmern: „J.D. Vance hat Unrecht: Jesus fordert uns nicht auf, die Nächstenliebe abzustufen.“

Weiter zurück im privaten Online-Account des Kardinals finden sich immer wieder kritische Äußerungen zur rigiden Migrationspolitik des US-Präsidenten. Schon 2015 nannte der heutige Papst die Rhetorik von Trump „problematisch“. 2017 erklärte er sich mit den Nachfahren illegaler Einwanderer in den USA solidarisch. 2018 kritisierte er die Trennung von Eltern und Kindern bei der Zurückweisung an der Grenze. Außerdem forderte Prevost auch die Abschaffung der Todesstrafe, sprach sich für strengere Waffengesetze aus und rief zum Gebet für den von Polizisten getöteten Afroamerikaner George Floyd auf.

US-Demokraten reagieren positiv auf Papst Leo als Gegenpol zum übermächtigen Präsidenten

Diese Einwürfe aus Peru und Rom kontrastieren deutlich mit der Trump-freundlichen Positionierung einiger Kardinäle in den USA. Die Glaubensgemeinschaft mit 53 Millionen Mitgliedern ist politisch ähnlich tief gespalten wie die Gesellschaft. Doch ihre offizielle Führung vermeidet Kritik an dem Autokraten-Präsidenten, während zahlreiche Bischöfe dem Katholiken Joe Biden wegen dessen Haltung zur Abtreibung ernsthaft die Kommunion verweigern wollten.

Entsprechend positiv fallen nun die Reaktionen bei den amerikanischen Demokraten aus, die Papst Leo als Gegenpol zum übermächtigen Präsidenten sehen. Das neue Kirchenoberhaupt stehe für die Werte von  „Mitgefühl, Einheit und Frieden“, die das Land dringend brauche, erklärte J.B. Pritzker, der Gouverneur von Prevosts Heimatstaat Illinois. Ex-Kongresssprecherin Nancy Pelosi nannte die Wahl „ermutigend“ und erinnerte an die Sozialenzyklika Rerum Novarum von Leo XIII., die „ein Segen für die arbeitende Bevölkerung“ gewesen sei. Der kalifornische Abgeordnete Ro Khanna fragt provokativ: „Na, J.D. Vance, was denkst Du über den neuen Papst?“ Er selbst, setzt der linke Politiker hinzu, sei „sehr stolz auf ihn als Amerikaner“.