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Kommentar zum KirchentagGottes geliebte Gurkentruppe setzt ein Zeichen

3 min
Abschlussgottesdienst Evangelischer Kirchentag Dortmund Signal Iduna Park

Kirchentagspastor Arnd Schomerus spricht beim Abschlussgottesdienst im Dortmunder Signal Iduna Park des 37. Deutschen Evangelischen Kirchentages die Liturgie.

  1. Am Evangelischen Kirchentag in Dortmund haben nach Angaben der Organisatoren 121.000 Menschen teilgenommen.
  2. Der Ausschluss von AfD-Funktionären aus dem 600-Seiten-Programm hat im Vorfeld für Kritik gesorgt. Der Gang der Dinge gibt Kirchentagspräsident Hans Leyendecker aber Recht.
  3. Wieder einmal hat der Kirchentag der säkularen Gesellschaft gezeigt, was sie von den Christen hat: eine Gemeinschaft, die sich nicht mit einem lapidaren oder zynischen „nix zu machen“ abfinden will.

Dortmund – Mit dem Intercity kommt man in einer halben Stunde von Münster nach Dortmund. Ähnlich schnell und direkt war die Verbindung zwischen dem Evangelischen Kirchentag und dem Katholikentag 2018. Ging es damals in Münster um Friedenssuche, stellte das Kirchentagsmotto diesmal die Vertrauensfrage: Vertrauen in den Überlebenswillen der Menschheit (Umwelt- und Klimaschutz), Vertrauen in die Menschlichkeit (Flüchtlingshilfe, Grundrechte), Vertrauen auf Bindekräfte in der Gesellschaft, aber auch auf den Beistand Gottes und die Kraft des Gebetes.

Natürlich wirkt „Gottes geliebte Gurkentruppe“, wie  Pastorin Sandra Bils im Schlussgottesdienst die Christen nannte, manchmal naiv. Natürlich kann sie einem auf den Geist gehen, weil zwischen Weltverbesserern und Besserwissern oft kaum ein Abstand ist. Für manche stehen Kirche und Kirchentage unter dem Verdacht unverbesserlichen Gutmenschentums.

Kritik an Ausschluss von AfD-Funktionären

AfD-Funktionäre waren im 600-Seiten-Programm des Kirchentags nicht erwünscht. Das war als unsouveräne Ausschließeritis und Kommunikationsverweigerung kritisiert worden,  auch vom Verfasser dieses Kommentars. Und erwartungsgemäß wurde Kirchentagspräsident Hans Leyendecker  öfter danach gefragt, als es ihm lieb war.

Aber der Gang der Dinge  gibt ihm Recht: Wer Hass sät, redet Gewalt herbei – und hat deshalb  unter dem Zeichen des Kreuzes nichts zu suchen. Der Mordfall Lübcke hat die Gauland-Formel „Hass ist nicht strafbar“ mit ihrer Schein-Legitimation für Gewalt, die  dem Hass entspringt, als tödlich perfide erwiesen. Hass mag nicht strafbar sein, aber er lässt sich auch nicht taufen. 

Ruf nach Kirchenreformen Programm, aber auch nur Ritual

Wieder einmal hat der Kirchentag der säkularen Gesellschaft gezeigt, was sie von den Christen hat: eine Gemeinschaft, die sich nicht mit einem lapidaren oder zynischen „nix zu machen“ abfinden will. Und die von etwas anderem zusammengehalten wird als von Eigennutz, Kapitalinteressen, Nationalismus und Ausgrenzung.

Natürlich hat die Gurkentruppe ihre eigenen blinden Flecken – auf Kirchentagen sogar noch mehr als auf Katholikentagen, wo der Ruf nach überfälligen Kirchenreformen Programm, bisweilen aber auch nur Ritual ist. Die Protestanten, so vermittelten es die Tage in Dortmund, reiben sich an den  Missständen in der Welt. Mit ihrer Kirche aber sind sie im Reinen. Gut, dass wenigsten ein Großpodium zum Missbrauchsskandal ein Störsignal in diese Art Kirchenwellness sandte und zeigte, dass es eine  Schicksalsgemeinschaft  der Kirchen auch im Negativen gibt. „Nicht unser Problem!“, ist ökumenischer Selbstbetrug. Aus dieser Erkenntnis muss ökumenische Ambition erwachsen.

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Die Kirchenführer können sie von ihren Laienbewegungen  lernen. Der Kirchentag sei „ein Damm gegen Schwund und Abbruch“, hat Leyendecker gesagt. Darin mag ein Stück Selbstbehauptung und Hoffnung gegen den Trend  stecken. Aber auch ein Vertrauen, das aus Erfahrungen wächst – Erfahrungen auch auf dem Kirchentag 2019.