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Ein Mann am WeltfrauentagSo wird man Feminist in 10 Schritten

Lesezeit 6 Minuten
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Eine sexistische Gesellschaft schadet allen. Aber was kann ich als Mann da tun? 

Einsehen, dass es geht!

Der Weg zum Feministen beginnt mit einem Paradox. Denn vielleicht geht das ja gar nicht, als Mann Feminist sein, vielleicht stellen männliche Feministen sogar eine Zumutung dar. Schließlich ist der Feminismus eine Bewegung von und für Frauen, er entwickelt seine Theorien und seine Praxis aus einem geschützten – weil männerfreien – Raum heraus.

Männer können sich da bestenfalls als Verbündete einbringen. Und: Kann ich als Mann überhaupt nachvollziehen, was es heißt, in unserer Gesellschaft eine Frau zu sein? Ja, bis zu einem gewissen Grad. Aber niemals in vollem Umfang. Der erste Schritt zum männlichen Feministen kann also nur die Einsicht in die Unmöglichkeit sein, Feminist zu sein.

Den Druck für alle weniger werden lassen!

Der Feminismus ist eine Bewegung, die Sexismus, sexuelle Ausbeutung und Unterdrückung beenden will. Schreibt die Autorin und Aktivistin Gloria Jean Watkins, besser bekannt unter ihrem Pseudonym „bell hooks“. Gegen Sexismus und Unterdrückung kämpfen, das will ich auch. Sollte ich auch wollen, aus Eigeninteresse. Eine sexistische Gesellschaft unterdrückt alle. Unter patriarchalen Machtstrukturen leiden Söhne genauso wie Töchter. Was sich nicht zuletzt in der viel höheren Suizidrate bei Männern zeigt.

Nicht an Schablonen festhalten!

Vielleicht geht es Ihnen wie mir, und Sie haben selbst keine Lust, die Erwartungen zu erfüllen, die sich an Sie als Mann richten? Ich meide bis heute Männergruppen, zum einen, weil ich zu den Themen, die dann regelmäßig angesprochen werden, schlicht nichts beizutragen habe.

Vor allem aber, weil ich bis heute das Gefühl nicht abschütteln konnte, just nicht aufgepasst zu haben, als die Gebrauchsanweisung fürs korrekte Benehmen unter Männern verteilt wurde. Wahrscheinlich meine Schuld, wahrscheinlich allzu bequem, hier mit dem Finger auf die böse Gesellschaft zu zeigen. Aber vielleicht liegt es ja tatsächlich an den starren Männlichkeits- und Weiblichkeits-Schablonen, in die nun mal nicht jeder passen kann. Gegen die können wir aber alle etwas tun, selbst Sie und ich als weiße Heteromänner. Aber was?

Selbstreflexion, Mann!

Zum Beispiel, können Sie sich über ihre großen Privilegien als weißer Heteromann klar werden. Wissen Sie eigentlich, wie einfach wir es haben? Das fängt beim Gehaltscheck an, aber da hört es noch lange nicht auf. Ein Alltagsbeispiel: Denken Sie, dass Sie mehr als Ihre weiblichen Kollegen oder Freunde reden? Haben Sie den Eindruck, dass Ihre Meinung ernster genommen wird? Neigen Sie eventuell zum „mansplaining“, also dazu, einer Frau Sachverhalte zu erklären, von denen Sie einfach mal angenommen haben, dass Sie darüber sowieso besser Bescheid wissen?

Am Ende erklären Männer noch Frauen, wie das besser laufen könnte, mit dem Feminismus, nach einem kurzen historischen Abriss. Alles schon vorgekommen. Das mag auch mit der männlichen Neigung zusammenhängen, in jeder Diskussion unbedingt seinen Wortbeitrag abzuliefern, egal, ob man etwas zu sagen hat. Oder ist Ihnen das noch nie aufgefallen?

Klappe halten!

Diesem Ungleichgewicht kann man abhelfen: Einfach mal die Klappe halten. Ein Punkt, der mir selbst zugegebenermaßen schwerfällt, als Kritiker mit übersteigertem Mitteilungsbedürfnis. Aber Männer tun sich ja generell schwer damit zuzuhören. Nur: Wie will man die Perspektive des anderen Geschlechts (oder irgendeines, mit dem eigenen nicht identischen Geschlechts) kennenlernen, wenn man Frauen keine Gelegenheit dazu gibt, diese zu schildern? Wer lauscht, lernt.

Aufgaben bewusst teilen!

Ich bin in meiner Familie der einzige Mann. Ist ganz lehrreich, wenigstens im kleinen Kreis eine Minderheitenposition einzunehmen. Kenne ich ja sonst nicht. Aber viel bemerkenswerter ist, wie sehr das Ungleichgewicht der Gesellschaft trotzdem immer wieder zu meinen Gunsten ausschlägt.

Ich bin jedenfalls noch nie auf der Arbeit gefragt worden, wie ich es denn bloß schaffe, Beruf und Kinder in Einklang zu bringen? Nicht, weil meine Frau das sowieso alles übernommen hätte. Die Kinder zur Schule bringen und abholen, im Krankheitsfall zu Hause pflegen, all diese Aufgaben haben wir uns bislang immer geteilt. Aber wir werden trotzdem unterschiedlich beurteilt.

Nehme ich als Mann mein Kind mit ins Büro, weil alle Betreuungs-Stricke gerissen sind, dann geht das zumeist als knuffig durch: Süß, der Vater mit dem Kind. Eine Frau, die mit Kind bei der Arbeit aufschlägt, gilt dagegen schnell als heillos überfordert. Anscheinend kriegt die Gute Kind und Job einfach nicht unter einen Hut.

Nimm nicht nur die Rosinen!

Es sind freilich nicht nur sexistische Sichtweisen, die dringend korrigiert werden müssten und die eigentlich jeder sofort für sich korrigieren könnte. Es ist ja auch ganz real so, dass Frauen bei der Karriere Abstriche machen müssen, spätestens, wenn das erste Kind kommt. Und das liegt eben nicht einfach in der Natur der Dinge, sondern das liegt daran, dass Sie und ich das geschehen lassen. Sie sind beide berufstätig? Wer von Ihnen verbringt mehr Zeit mit den Kindern? Wer leistet mehr Hausarbeit?

Sorry, die Statistik spricht gegen uns Männer. Meine eigene Erfahrung leider auch. Putzen? Nur nach Einladung. Doch, um die Kinder kümmere ich mich oft und gerne, „Harry Potter“ habe ich schon zweimal vorgelesen, alle sieben Bände. Aber für die mühsame Hausaufgabenbetreuung fehlt es mir oft an Geduld. Typisch Mann, werden Sie sich jetzt hoffentlich denken, sich die Rosinen rauszupicken. Na, immerhin bin ich zu Hause der designierte Bügler.

An die Vorbildfunktion denken!

Überhaupt: die Kinder. Sie spiegeln oft unfreiwillig das Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern. Auch daraus kann man lernen, was man noch falsch macht. Oder richtig. Wenn meine Frau oder ich mal wieder mit „Mapa“ angeredet werden, weil sich die Töchter nicht entscheiden könne, wer von uns gerade der richtige Ansprechpartner wäre, macht mich das stolz.

Geschlechterrollen hinterfragen!

Und das können Sie als feministisch gesinnter Mann ebenfalls sofort umsetzen, ihre Kinder dementsprechend zu erziehen. Das geht ganz zwanglos, ja, es geht gar nicht anders als zwanglos. Selbstverständlich dürfen meine Töchter mit Barbies spielen. Darum geht es doch gar nicht. Außerdem: Mit Star-Wars-Actionfiguren spielen sie ja auch. Ihr Kind geschlechtsneutral zu erziehen, wird Ihnen nicht gelingen. Aber Sie können Geschlechterrollen hinterfragen, oder noch besser gleich zeigen, dass das Konzept von Geschlechterrollen gefährlicher Unsinn ist, der nur dazu dient, ihre Freiheit einzuschränken. Wir müssen in keiner Mario-Barth-Welt leben.

Nicht nur reden, sondern handeln!

Zurück zum Paradox: Stellen Sie sich vor, Sie haben alles richtig gemacht. Können Sie sich jetzt Feminist nennen? Nein. Stellen Sie sich vor, Sie wären eine Frau und Ihr Date posaunte beim ersten Kennenlernen heraus: „Ich bin Feminist!“ Als wie vertrauenswürdig, auf einer Skala von eins bis zehn, würden Sie dieses Date einstufen? Ja, es ist wichtig, sich als Mann zum Feminismus zu bekennen. Aber für dessen Ziele einzutreten, heißt vor allem handeln. Und zwar hier und jetzt, im Alltag.

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