Trockenheit und bewaffnete KonflikteFlüchtlinge in Uganda – Vorboten des nächsten Desasters

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Elizabeth Nyachieng aus dem Süd-Sudan mit zwei ihrer zehn Kinder im ugandischen Flüchtlingslager Onungo 7

Elizabeth Nyachieng aus dem Süd-Sudan mit zwei ihrer zehn Kinder im ugandischen Flüchtlingslager Onungo 7

Unser Autor hat mit dem Hilfswerk „Malteser International“ ein Flüchtlingslager in Uganda besucht – und berichtet von dramatischen Zuständen.

„Vielfalt“ oder „Begeisterung“ – das bedeutet das Wort „Onungo“ in der Sprache des ostafrikanischen Uganda. In „Onungo 7“, einer Ansammlung traditioneller Lehmhütten mit Strohdach, ist davon nichts zu spüren. Ortsvorsteher Tang Nyuon hat den Besucher aus Deutschland durch die Siedlung begleitet, in der Kriegsflüchtlinge aus dem benachbarten Süd-Sudan ein hartes Leben in Hunger, Nässe und Krankheit fristen. Ob der 43-Jährige sein Dorf auch mit diesem Blick des Außenstehenden sieht? Oder ob er schon länger über die Zustände nachdenkt?

Jedenfalls spricht er davon, nach Europa gehen zu wollen, wie es Hunderttausende andere entwurzelte Menschen auch vorhaben. Tang Nyuon skizziert die Route, erwähnt Kontakte in Libyen und hat die Kosten mit umgerechnet 4000 Euro kalkuliert. Hier, in der westlichen Nilregion, ist das ein Vermögen. Klar ist: Als Asylsuchender könnte Tang Nyuon, ein früherer Soldat, in Europa oder Deutschland nicht abgewiesen werden. Und er hätte das Recht, seine Frau mit den gemeinsamen fünf Kindern nachzuholen. Tang Nyuons Fall wäre nicht einmal einem Ermessen unterworfen. Die Demokratische Republik Kongo und Süd-Sudan sind keine sicheren Herkunftsstaaten.

1,7 Millionen Menschen haben in Uganda Zuflucht gesucht

Immer wieder flackern bürgerkriegsähnliche Konflikte auf, werden Dörfer überfallen, Frauen und Kinder verschleppt und Männer getötet. Das benachbarte Uganda bietet Schutz, und der Flüchtlingsstrom endet nicht. 1,7 Millionen Menschen haben bislang Zuflucht gesucht. Über viele Jahre galt Ugandas Asylpolitik als Modell. Flüchtlinge wurden versorgt, wenn sie sich in einer der großen Siedlungen wie dem Rhino Camp niederließen, und sie bekamen ein kleines Stück Land, um Gemüse anzubauen. Sie genossen Freizügigkeit.

Doch inzwischen stehen sie mit dem Rücken zur Wand. Überflutungen und Trockenperioden durch den Klimawandel machen die Selbstversorgung unsicher. Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR muss mit immer weniger Geld immer mehr Menschen versorgen. Der „Norwegische Flüchtlingsrat“ (NRC) hat die Folgen der Unterversorgung zusammengefasst, denen auch der Besucher aus Deutschland ständig begegnet, und eine düstere Bilanz gezogen. Mehr als 90 Prozent der Flüchtlinge leben in abgelegenen, unterentwickelten Regionen, erreichbar nur über Lehmstraßen, die sich bei Regen in tiefen Matsch verwandeln und dann selbst mit geländegängigen Fahrzeugen unbefahrbar sind. Meist sind es Frauen und Kinder, die sich hier durchschlagen.

Das Krankheits- und Sterberisiko unter den Flüchtlingen steigt

Eine von ihnen ist Elizabeth Nyachieng. Vor sechs Monaten floh die Witwe mit ihrer zwölfköpfigen Familie aus dem Süd-Sudan vor der dort herrschenden Rechtlosigkeit. „Wer Gewehre hat, hat dort die Macht“, sagt sie bitter. Doch das beste Land in „Onungo 7“ ist längst verteilt. Daher müssen Neuankömmlinge wie Elizabeth Nyachieng nehmen, was übrig bleibt. In ihrem Fall ein felsiges Grundstück am Hang. Wenn es regnet, läuft Wasser durch die Hütte, in der die Familie auf der Erde schläft. An Wänden und Dachstreben hängen Kleidung und Taschen mit den Habseligkeiten der Familie. Doch sie weiß auch davon zu berichten, wie freundlich ihr im Nachbarort gestattet worden sei, Holz zu schlagen, um damit das Gerüst ihrer Zuflucht zu bauen.

Die 42-Jährige ist eine stolze Frau. Sie trägt Schmucknarben, wie sie im Volk der Nuer üblich sind, und für den Besuch hat sie sich ein gutes Kleid beschafft, um dem Gast Respekt zu erweisen. Eher nüchtern zählt sie auf, was der norwegische Bericht als weithin verbreitete Mängel darstellt. Dass sie wegen des felsigen Untergrunds keine Latrine für die Familie graben kann, entspricht der allgemeinen Einschätzung, wonach nur noch 60 Prozent der Menschen Latrinen nutzen. Die gesundheitliche Versorgung ist am Boden. Das Krankheits- und Sterberisiko steigt.

Nur noch Bruchteile der früheren Essensrationen

Elizabeth Nyachiengs Familie gehört zu den wenigen - einem Siebtel aller Flüchtlinge -, die zumindest noch drei Fünftel der früheren Essensrationen bekommen. Es reicht dennoch nicht. „Wir hungern“, sagt die Frau. Das Gros der Flüchtlinge bekommt nur noch ein Drittel der früheren Versorgung. Vier Prozent erhalten überhaupt keine Hilfe mehr.

So nimmt es nicht wunder, dass nur wenige Hütten weiter an der dort lebenden Familie alle Merkmale mangelhafter, schlechter Ernährung sowie behelfsmäßiger Unterbringung wie im Lehrbuch durchdekliniert werden können: Ein Säugling hat einen aufgetriebenen Bauch, der auf Durchfall und Parasiten schließen lässt; ein kleines Mädchen die rötlich schimmernden Haare, die Zeichen von Mangelernährung sind. Allgegenwärtig sind bei Kindern rasselnder Husten und verschleimte Nasen.

Die Selbstmordrate, meist „Tod durch Erhängen“, ist drastisch gestiegen. Die Strategien der Flüchtlinge werden verzweifelter, berichtet eine Mitarbeiterin von „Malteser International“ (MI) aus Köln. Kinder werden zur Arbeit geschickt. Essen gibt es nur einmal täglich. Schulden werden angehäuft oder das Wenige an noch verbliebenem Hab und Gut verkauft.

Uganda benötigt Hilfe von außen, sagt das Hilfswerk „Malteser International“

„Nach wie vor ist Uganda ein recht stabiles und flüchtlingsfreundliches Land“, sagt Roland Hansen, Afrika-Chef der Malteser. Doch Uganda benötigt Hilfe von außen. Die kriegerischen Auseinandersetzungen in der Ukraine und im Nahen Osten hätten die Ressourcen der Vereinten Nationen massiv beeinträchtig, sagt Hansen. „Aber die verzweifelte Lage der Flüchtlinge in Afrika darf nicht dahinter verschwinden. Es ist nur eine Frage der Zeit, dass aus dieser schweren Krise ein Desaster wird.“ Dazu gehört, dass die ausbleibende Hilfe Uganda selbst destabilisiert.

Die Zeitung „Monitor“ berichtet von einem Alarmruf des Ministers für Nothilfe und Flucht. Hilary Onek macht die Kürzungen durch das Welternährungsprogramm nicht nur für Hunger und Mangelernährung verantwortlich, sondern auch für Diebstähle und weitere Gesetzesbrüche unter den Flüchtlingen, die ihr Schicksal nicht ohne Weiteres hinnehmen. Auch von der EU fordert der Minister mehr Unterstützung. Wer in Uganda gut versorgt ist, klopft schließlich nicht an Europas Pforten. Auch 2014 begann dort die große Flüchtlingswanderung mit zusammengestrichenen Essensrationen.

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