Arbeitsminister Hubertus Heil möchte mehr Ukrainer in Arbeit bringen, das Bürgergeld sieht der SPD-Politiker nicht als Hemmnis.
Arbeitsmarktintegration von FlüchtlingenHubertus Heil: „Wir werden nicht immer Traumjobs finden“
Die Ukrainerin Anastasia Pupchenko ist nicht einmal zwei Jahre in Deutschland und steht schon kurz vor der Beförderung. Die 28-Jährige arbeitet bei der Deutschen Bahn im Bordbistro und wird bald Restaurantleiterin. Anderthalb Monate nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine floh sie aus ihrer Heimat - in Richtung Deutschland. Jetzt spricht sie fast fließend deutsch. „Für drei oder vier Monate hatte ich Unterstützung vom Jobcenter und danach habe ich angefangen, bei der Bahn zu arbeiten“, erzählt die frühere Barkeeperin am Montag in Berlin dem Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD).
Mehr als eine Million Ukrainer leben in Deutschland
In Deutschland leben dem Ausländerzentralregister zufolge mehr als eine Million Menschen aus der Ukraine. Minister Heil trifft an dem regnerischen Morgen drei von ihnen. Neben Pupchenko sind auch die beim Bahnkonzern angestellten Elektromechanikerinnen Tetiana Kononenko und Natalya Kryshen anwesend.
19 Prozent der Ukrainer in Deutschland gehen einer Erwerbstätigkeit nach. Die Frauen sind drei Beispiele dafür. In anderen Ländern wie den Niederlanden liegt die Erwerbsquote von Ukrainern mit mehr als 70 Prozent deutlich höher, auch wenn die Erhebungsmethode sich unterscheiden könnte.
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Schon länger gibt es Kritik aus der Opposition, dass die Arbeitsmarktintegration nur schleppend funktioniere - und das Bürgergeld Mitschuld habe. Ukrainer haben im Gegensatz zu Flüchtlingen aus anderen Herkunftsländern sofort nach Ankunft Anrecht auf die Sozialleistung. Heil hingegen hält das Bürgergeld nicht für verantwortlich, warnt vor einer Debatte, die „Unfrieden stiftet“.
Hubertus Heil startet „Job-Turbo“
Dennoch sieht die Bundesregierung Nachholbedarf: Heil hat am Montagmittag - nach dem Termin bei der Bahn - mit den Sozialpartnern und der Bundesagentur für Arbeit (BA) den „Job-Turbo“ offiziell gestartet. So sollen erwerbsfähige Ukrainer und alle anderen Flüchtlinge, die Bürgergeld beziehen, rasch in Arbeit gebracht werden.
Hinter dem sogenannten Turbo stecken vor allem Verwaltungsvereinbarungen und Absichtserklärungen: Die Jobcenter sollen viel häufiger mit den Geflüchteten in Kontakt treten. Die Wirtschaft soll ihren Beitrag leisten, in dem sie alle offenen Stellen ohne Zeitverzug meldet und Ukrainer mit geringerem Sprachniveau einstellt. Der Hauptgeschäftsführer der Arbeitgebervereinigung BDA, Steffen Kampeter, betont bei der Pressekonferenz unter anderem die Notwendigkeit des Prinzips „Fördern und Fordern“. Auch Heil unterstreicht, es gebe Mitwirkungspflichten im Bürgergeld und im Notfall auch Leistungskürzungen.
Die Betroffenen sehen vor allem andere Hürden, darunter den Spracherwerb. Viele Unternehmen wollten mindestens ein Sprachniveau von B2, kritisiert die Ukrainerin Kononenko. Das entspricht der oberen Mittelstufe.
Oft würden Ukrainern Reinigungsjobs angeboten
Ukrainerinnen und Ukrainer gelten als überdurchschnittlich gut ausgebildet. Schwierigkeiten macht oftmals die schleppende Berufsanerkennung und die fehlende Kinderbetreuung. Und viele möchten gerne in den Berufen arbeiten, denen sie in der Ukraine nachgegangen sind. Oft würden allerdings Reinigungsjobs angeboten, sagt auch Kononenko. Heil antwortet: „Wir werden nicht immer gleich die Traumjobs finden. Wir müssen gucken, dass wir Menschen in Arbeit bringen - möglichst passgenau auf die Qualifikation“, sagt der SPD-Politiker. „Aber man kann ja erstmal einen Job annehmen und sich weiterentwickeln.“
Aus Sicht von Heil kommt der Start des „Job-Turbos“ genau zum richtigen Zeitpunkt - genau wie die Berufung des BA-Vorstandsmitglieds Daniel Terzenbach zum Sonderbeauftragten für die Arbeitsmarktintegration. Mehr als 200.000 Ukrainerinnen und Ukrainer hätten gerade Integrationskurse abgeschlossen oder stünden kurz davor, sagt der Minister.
Dieses Potenzial wollen der Bund und die Wirtschaftsvertreter nun ausschöpfen. Terzenbach zitiert am Montag Zahlen des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung, wonach mehr als 50 Prozent der Ukrainer sich vorstellen könnten, mittel- und langfristig in Deutschland zu bleiben. Die zukünftige Restaurantleiterin der Deutschen Bahn, Pupchenko, ist eine von ihnen: „Ich würde gerne hier bleiben“, sagt sie. „Ich sehe meine Zukunft nicht in der Ukraine.“ (rnd)