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Gastbeitrag zum WeltlehrertagSpektakulärer Rat für Mütter und Väter

4 min
Schülerinnen sitzen im Foyer eines Gymnasiums auf einer Freitreppe und halten jeweils ein Smartphone. (Symbolbild)

Schülerinnen sitzen im Foyer eines Gymnasiums auf einer Freitreppe und halten jeweils ein Smartphone. (Symbolbild)

Smartphone und Social Media sind zu einer Art Geißel geworden für die soziale wie kognitive Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Ein Gastkommentar von Michael Felten.

Am Weltlehrertag, der am 5. Oktober begangen wird, ist es in vielen Ländern üblich, die Lehrkräfte zu ehren, ihnen für ihre Arbeit zu danken – durch Prozessionen, Preise und Präsente. In dieser Hinsicht gibt es hierzulande noch einiges aufzuholen. Heute möchte ich aber einmal umgekehrt ansetzen: Lehrerinnen und Lehrer im Land könnten auch selbst dankbar sein.

Nein, nicht unserer Bildungsverwaltung – die hat sich zu wenig um den Lehrernachwuchs gekümmert, die sprachliche Integration von Migrantenkindern verstolpert, nur wenig an der überhasteten Sparinklusion gerüttelt. Zu danken wäre vielmehr der Leopoldina, der Nationalen Akademie der Wissenschaften – und dem hessischen Kultusminister Armin Schwarz (CDU), der selbst Gymnasiallehrer war. Beide dringen auf strengere Regeln für Kinder und Jugendliche im Bereich der sozialen Medien.

Smartphone und Social Media an Schulen – und die Lehrerschaft leidet mit

Smartphone und Social Media sind zu einer Art Geißel geworden für die soziale wie kognitive Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Die Lehrerschaft ist davon massiv betroffen, sie leidet quasi mit. Aufmerksamkeit im Unterricht – immer schwerer herzustellen. Der Blick der Jugendlichen schweift ständig zum Handy, unter dem Tisch oder im Mäppchen. Wirklich eigenständiges Lösen von Klausuraufgaben – nur noch bei dichtester Überwachung möglich. Selbst wenn Smartphones abzugeben sind, ein Zweitgerät ist ja zunehmend Standard. Und Hausaufgaben kann man ganz vergessen – immer mehr Schüler lassen die KI für sich denken, schließlich haben sie in ihren Netzwerken genug zu tun. Wie viele Kämpfe das schon gekostet hat! Und wie viele Lehrer den Weg des geringsten Widerstands gegangen sind, indem sie die Schüler einfach gewähren lassen.

Nun hätte man sich bei uns in Nordrhein-Westfalen eine Schulministerin gewünscht, die dem Zugang zu den digitalen Parallelwelten einen klaren Riegel vorschiebt. Stattdessen bot das Haus von Ministerin Dorothee Feller (CDU) nur eine Muster-Handyordnung an – sowie die lauwarme Empfehlung, jede Schule solle für sich „in einem partizipativen Prozess“ klare, verbindliche und altersgerechte Regeln zur privaten Handynutzung entwickeln. Man sieht sie förmlich vor sich, die stundenlangen, kontroversen Debatten auf Lehrerkonferenzen – welche Verschleuderung von Lehr- und Lernzeit! Dabei gehört NRW schon zu den Bildungsschlusslichtern in Deutschland. Man fragt sich unwillkürlich: Vor wem hat die Behörde eigentlich Angst?

Und welche lächerlichen Ergebnisse da teilweise zustande kommen! An einer Gesamtschule in Dorsten etwa ist das Handy im Unterricht zwar angeblich nur erlaubt, um auf die Uhr und den Stundenplan zu schauen oder um Infos zu recherchieren. Allenfalls in Pausen oder Freistunden dürften die Schüler mit dem Smartphone Musik hören, um sich zu entspannen. Doch wer kontrolliert, ob sie nicht doch tiktoken, whatsappen oder Nacktbilder herumreichen? Der schwarze Peter liegt mal wieder bei den Lehrkräften, denen ihr Schulleiter auch noch mitgibt, sie sollten nicht den Konflikt suchen, sondern im erzieherischen Gespräch auf die Schüler einwirken, um gemeinsam einen Weg zu finden. Mehr Kapitulation vor Schülerbedürfnissen geht wohl kaum.

Der hessische Kultusminister hingegen hat die Gefahr erkannt - und Rückgrat gezeigt. Schulen wurden ganz eindeutig zu digitalen Schutzzonen erklärt: Schüler dürfen seit diesem Schuljahr private Smartphones, Tablets und Smartwatches auf dem gesamten Schulgelände nicht mehr nutzen. Parallel lassen die Wissenschaftler der Leopoldina mit ihrer neuesten Handreichung angesichts des beängstigenden Leistungsverfalls an deutschen Schulen keinen Zweifel: kein Smartphone in der Schule vor Klasse 11.

Spektakulärer Rat für Eltern von der Leopoldina

Auch in anderer Hinsicht ist Hessen beispielgebend: Der dortige Landeshaushalt räumt den Bildungsausgaben nach einer Erhebung des Instituts für Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) einen doppelt so hohen Stellenwert ein wie der nordrhein-westfälische, die Aufwendungen pro Schüler liegen im Durchschnitt um sechs Prozent höher, die Grundschulklassen sind deutlich kleiner.

Übrigens hat die Leopoldina – der nächste Elternabend kommt bestimmt! – auch einen spektakulären Rat für Mütter und Väter: Weil der Daueraufenthalt in den digitalen Welten derart zeiträuberisch und entwicklungsschädlich ist, sollten Social Media für Kinder unter 13 überhaupt nicht zulässig sein, von 13 bis 17 nur mit Alterskontrolle und in Elternbegleitung. Und Kinderärzte sollen junge Eltern davor warnen, selbst dauernd am Smartphone zu kleben, weil sie dadurch mit ihren Kindern weniger reden, schlechter auf sie aufpassen und schwieriger für sie erreichbar sind – mit den Augen, dem Kopf und dem Herzen.


Zur PersonMichael Felten arbeitet nach langem Lehrerleben als freier Schulentwicklungsberater in Köln. Im Verlag Reclam erschien 2020 sein Buch „Unterricht ist Beziehungssache“.