Geheimakten-AffäreTrump wittert „politischen Auftragsmord“ – Prozess steht bevor

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Ex-US-Präsident Donald Trump bei einem Auftritt in North Carolina am Wochenende.

Ex-US-Präsident Donald Trump bei einem Auftritt in North Carolina am Wochenende.

Nach Anklage wegen Einbehaltung geheimer Dokumente wiegelt der Ex-Präsident seine Anhänger auf.

Washington - Anderthalb Stunden lang hatte er beim Parteitag seine ganze Wut mit apokalyptischen Beschwörungen und wildesten Beschimpfungen herausgebrüllt, da verspürte der Wahlkämpfer Donald Trump das Bedürfnis nach einem Szenenwechsel. Demonstrativ grinsend marschierte er in ein Lokal der Imbisskette Waffle House. Ein Pulk von Kameras umringte den einstigen Reality-TV-Star. „Dieses Land fährt zur Hölle, aber ich werde das nicht zulassen“, sagte Trump. Den johlenden Gästen rief er zu: „Es gibt Waffeln für alle!“

Die Szene aus dem US-Bundesstaat Georgia vom Samstagnachmittag vermittelt einen Eindruck, wie der Ex-Präsident mit der Anklage wegen seines Umgangs mit streng geheimen Regierungsunterlagen umgehen will. Sonderermittler Jack Smith wirft dem 76-Jährigen eine Verschwörung zur Behinderung der Justiz, die vorsätzliche Einbehaltung sensibler militärischer Informationen und Falschaussagen vor. Doch am Tag nach der Veröffentlichung der Anklageschrift gab Trump in dem Laden Autogramme und posierte für Selfies. „Ich habe nichts Falsches getan“, rief er den Reportern zu.

Sie sind nicht hinter mir her, sondern hinter euch, und ich stehe ihnen im Weg.
Donald Trump, Ex-US-Präsident und Bewerber für die nächste Präsidententwahl

Bei einem Wahlkampfauftritt vor 2000 Republikanern hatte der derzeitige Favorit für die Präsidentschaftskandidatur seiner Partei zuvor auf Attacke geschaltet. Der Justiz warf er einen „politischen Auftragsmord“ für die Biden-Regierung an seiner Person vor. Das bevorstehende Strafverfahren deutete er zur „finalen Schlacht“ um: „Entweder die Kommunisten gewinnen und zerstören Amerika oder wir zerstören die Kommunisten.“

49-seitige Anklageschrift wegen Donald Trumps Umgang mit Geheimdokumenten

Seinen Anhängern präsentiert sich Trump als ihr Beschützer: „Sie sind nicht hinter mir her, sondern hinter euch, und ich stehe ihnen im Weg“, behauptete er: „Ich werde nie aufhören, für euch zu kämpfen.“

Die 49-seitige Anklageschrift, die am Freitag veröffentlicht wurde, vermittelt freilich ein ganz anderes Bild des Ex-Präsidenten, der mehr als 300 vertrauliche, geheime oder streng geheime Regierungsakten nach seinem Ausscheiden aus dem Amt beiseiteschaffte und ihre Herausgabe monatelang verweigerte.

Lagerort für Dokumente in Trumps Anwesen Mar-a-Lago in Palm Beach.

Lagerort für Dokumente in Trumps Anwesen Mar-a-Lago in Palm Beach.

Nicht nur zeigen Fotos, die der Anklageschrift beigefügt sind, wie Trump die hochsensiblen Dokumente zu den nuklearen Fähigkeiten der USA und militärischen Schwachstellen ihrer Verbündeten einfach in öffentlich zugänglichen Badezimmern, Ballsälen und Abstellräumen seiner Privatresidenz Mar-a-Lago lagerte, in der 150 Menschen beschäftigt sind und wo in der fraglichen Zeit mehr als 10?000 Gäste empfangen wurden.

Zeugenaussagen und Tonbänder belegen auch, wie er die Kisten mit den Akten hin- und herräumen ließ, ihre Vernichtung diskutierte und sich in einem Interview mit dem Besitz eines Angriffsplans des Pentagons auf den Iran brüstete. „Das sind geheime Informationen. Schauen Sie sich das an!“, soll er gesagt haben.

Am Dienstag nun muss sich Trump vor einem Gericht in Miami einfinden. Die Sicherheitsbehörden bereiten sich auf mögliche Unruhen vor. „Wir sehen uns am Dienstag in Miami!“, postete Trump auf seiner Propagandaplattform Truth Social. Beobachter erinnert das an einen ähnlichen Aufruf vom Dezember 2020, mit dem der Kapitolsturm eingeleitet wurde. Ultrarechte Republikaner haben ihre Rhetorik gefährlich verschärft. So drohte die gescheiterte Gouverneurskandidatin von Arizona, Kari Lake, wer Trump ergreifen wolle, müsse an den Mitgliedern der Waffenlobby NRA vorbei. „Die Vergeltung kommt“, unkte Kimberly Guilfoyle, die Verlobte von Trumps ältestem Sohn Don Junior.

Trumps Anwesen Mar-a-Lago liegt rund 70 Meilen nördlich von dem Justizgebäude. Es ist noch nicht klar, wie Trump die Strecke zurücklegt. Auf jeden Fall dürfte er seine Vorladung als eine Art Triumphzug zu inszenieren versuchen. Schon bei der Anklage in New York Anfang April wegen seiner Schweigegeldzahlung an den Pornostar Stormy Daniels hatte es zudem einen gewaltigen Medienzirkus gegeben.

Strafverfolger Jack Smith bei der Vorstellung der Vorwürfe gegen Ex-Präsident Donald Trump am 9. Juni in Washington D.C.

Strafverfolger Jack Smith bei der Vorstellung der Vorwürfe gegen Ex-Präsident Donald Trump am 9. Juni in Washington D.C.

Bei einer Verurteilung droht dem ehemaligen US-Präsidenten theoretisch eine mehrjährige Haftstrafe. Doch ist unklar, wann das Verfahren eröffnet wird. Als Richterin wurde nämlich Aileen Cannon berufen.

Die Tochter kubanischer Geflüchteter ist eine glühende Antikommunistin. Sie war von Trump noch zu dessen Amtszeit ernannt worden und blockierte bereits nach der FBI-Razzia im vorigen August zunächst die Auswertung der dort gefundenen Unterlagen. Durch die Terminierung und die Nichtzulassung von Beweismitteln kann sie den Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens vor einer Geschworenenjury erheblich beeinflussen. (RND)

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