Im US-Bundesstaat Virginia wird nächste Woche ein neuer Gouverneur gewählt – indirekt dürfte auch über die Politik Trumps abgestimmt werden.
US-Präsident im UmfragetiefGouverneurswahlen in den USA – Trumps erster Test

Donald Trump auf dem Rückflug von seiner Asien-Reise. In den USA stehen Gouverneurswahlen an, auf die auch seine Politik Einfluss haben dürfte.
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Eigentlich stecken sie mitten in den Urlaubsvorbereitungen. Am Sonntag soll es losgehen: Eine zweiwöchige Rhein-Main-Donau-Kreuzfahrt steht auf dem Programm. Seit ihrer Pensionierung haben Kate und Ed Handley das Reisen zur Leidenschaft gemacht. In diesem Jahr ging es mit dem Wohnmobil schon kreuz und quer durch die USA. Nicht ohne Grund nennen sich die Marine-Veteranen die „Happy Campers“.
Doch den Termin am heutigen Abend, eine halbe Stunde von ihrem Haus im hügeligen „Piemont“ von Virginia entfernt, wollen sich die umtriebigen Rentner keinesfalls entgehen lassen. Geduldig stehen sie in der Schlange vor dem Jefferson Theater, die sich um zwei Häuserblöcke im Herzen der pittoresken Universitätsstadt Charlottesville windet. „Die Demokratie ist unter Beschuss, das Recht auf Abtreibung in Gefahr, die Mittelschicht wird zerstört“, redet sich Kate Handley in Rage. Da dürfe man nicht tatenlos zusehen. Ihr Mann ist überzeugt: „Diese Wahl ist der Pulsmesser dafür, wie es bis 2028 weitergeht.“
Stimmungstests in New York, New Jersey und Virginia
2028 - so lange läuft die Amtszeit von Donald Trump, der vor einem Jahr zum amerikanischen Präsidenten gewählt wurde. Seither hat er das Land auf den Kopf gestellt. Am nächsten Dienstag, einen Tag vor dem fragwürdigen Jubiläum, steht nun ein erster Stimmungstest an: In den Ostküsten-Staaten New Jersey und Virginia werden neue Gouverneure und in New York ein neuer Bürgermeister gewählt. Bei allen drei Abstimmungen haben die Demokraten gute Chancen. Doch im derzeit republikanisch regierten Virginia würde ein Sieg auch die politische Landkarte verändern.
Diese Wahl ist der Pulsmesser dafür, wie es bis 2028 weitergeht.
Entsprechend groß ist das nationale Interesse. Als Heimat der Gründerväter George Washington und Thomas Jefferson ist Virginia nicht nur historisch bedeutsam. Der Bundesstaat mit knapp neun Millionen Einwohnern gleicht zwischen dem Washingtoner Speckgürtel im Norden, den ländlichen Blue Ridge Mountains im Westen und den Marinestandorten im Osten einem Mikrokosmos der US-Gesellschaft. Traditionell tickte der Südstaat republikanisch. Die Zuzügler aus der Metropole haben das geändert. Seit der Wahl von Barack Obama stimmt Virginia regelmäßig für den demokratischen Präsidentschaftskandidaten. Umso größer war die Überraschung, als 2021 mit Glenn Youngkin ein Republikaner das Gouverneursamt in Richmond eroberte.
Nur noch 43 Prozent der Amerikaner mit Trump zufrieden
Diesen Posten will Abigail Spanberger nun zurückgewinnen. Die 46-jährige Demokratin saß bis Anfang des Jahres noch im Washingtoner Repräsentantenhaus. Nun hofft sie auf unfreiwilligen Rückenwind von Donald Trump. Dessen Zustimmungswerte befinden sich nämlich im Keller. Nur noch 43 Prozent der Amerikaner zeigen sich in Umfragen mit seiner Arbeit zufrieden. Spanberger kennt sich mit solchen Stimmungslagen aus: 2018 hat sie - zwei Jahre nach dem ersten Wahlsieg von Trump - als politische Novizin einem rechten Republikaner das Kongressmandat abgejagt. „Sears spricht für Trump“, greift sie nun in einem Werbespot ihre republikanische Gegenkandidatin an.

Die demokratischen Gouverneurskandidatin in Virginia, Abigail Spanberger.
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Zur Kundgebung im Jefferson Theater hat die quirlige dreifache Mutter prominente Unterstützung mitgebracht. „In diesem Herbst ist Virginia das Zentrum des politischen Universums“, heizt der einstige Verkehrsminister Pete Buttigieg das Publikum ein. Die Zuschauer - darunter viele Studierende der nahegelegenen Universität - jubeln. Insgesamt 1300 Bürger sind gekommen. Der Saal fasst nur die Hälfte, der Rest muss den Auftritt nebenan auf einer Videowand verfolgen.
„Brot-und-Butter-Themen“ als Kampagnen-Schwerpunkt
Buttigieg trägt jetzt Bart und redet immer noch brillant. Geschickt verquickt er subtile Spitzen gegen die Trump-Regierung mit aufmunternden Botschaften für die Anhänger seiner Partei. Vor allem preist er Spanberger: „Was mir besonders gefällt ist, dass sie das gesamte Narrativ der Republikaner über ‚Recht und Ordnung‘ konterkariert.“ Tatsächlich begann die politische Quereinsteigerin ihre berufliche Laufbahn bei der Post als Geldwäsche-Ermittlerin. Dann arbeitete sie acht Jahre lang - auch in Deutschland - als CIA-Agentin. Mit linken Parolen zur Kürzung des Polizei-Etats konnte sie nie etwas anfangen. In ihrer Partei gehört Spanberger zum moderaten Flügel. „Sie löst Probleme, statt zu trollen“, lobt Buttigieg.
Entsprechend stellt die Kandidatin sogenannte „Brot-und-Butter-Themen“ ins Zentrum ihrer Kampagne. Bei ihren Auftritten geht es um steigende Lebensmittelpreise, unerschwingliche Wohnungen für Familien, um öffentliche Schulen und Gesundheitsvorsorge. In Charlottesville kritisiert sie die drohende Kürzung der Zuschüsse zur Krankenversicherung, den radikalen Personalabbau der Regierung, der auch viele der 320.000 in Virginia lebenden Bundesbediensteten betrifft, das durch den Shutdown verursache Ausbleiben der Gehaltszahlungen und die Einschränkung der akademischen Freiheiten, die am Standort der renommierten University of Virginia viele empört.
Stimmenfang bei Unabhängigen und enttäuschten Konservativen
„Alles, was aus Washington kommt, sind Angriffe auf uns Bürger von Virginia“, wettert sie: „Wir brauchen eine Gouverneurin, die sich dagegen stellt.“ Das Publikum ist begeistert, als Spanberger nach 25 Minuten die Bühne verlässt. Den Namen „Donald Trump“ hat sie kein einziges Mal erwähnt. Das ist kein Zufall: Als Nachbarstaat der Hauptstadt Washington ist Virginia auf eine Arbeitsbeziehung zur Bundesregierung angewiesen. Spanberger kann nicht die konfrontative Rolle des kalifornischen Gouverneurs Gavin Newsom spielen, der die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt repräsentiert. Außerdem wirbt sie bewusst um die Stimmen von Unabhängigen und enttäuschten Konservativen. Die will sie nicht mit Anti-Trump-Parolen verschrecken. „Ich mag Mitglied der Demokraten sein, aber Sie müssen das nicht, um mich zu wählen“, hat sie sich neulich beim rechten Sender Fox News gesagt.
Trotzdem finde ich nicht alles richtig, was er gerade macht.
Valerie Long findet diese Strategie richtig. „Ich persönlich bin ein bisschen linker, aber ich bin absolut pragmatisch, wenn es um die Frage geht, wer größere Chancen hat, die Wahl zu gewinnen“, sagt die Baurechts-Anwältin, die mit ihrem Ehemann Dan zu der Kundgebung gekommen sind. Die Kandidatin müsse unabhängige Wähler anziehen, ohne die progressive Klientel zu verprellen. „Wenn das jemand kann, dann Spanberger“, ist Long überzeugt.
Wahlkampf im Attackemodus auf dem Land
Zwei Autostunden nördlich, im ländlichen Fauquier County nahe der Landesgrenze zu West-Virginia, sehen das viele anders. Zwei Drittel der Bewohner sind Republikaner. Auf der Buckland Farm, wohin Spanbergers Gegenkandidatin Winsome Earle-Sears eingeladen hat, geht es bodenständig zu: Draußen parken schwere Pickup-Trucks, auf der Bühne sind Heuballen und Kürbisse drapiert.

Winsome Earle-Sears, die republikanische Gouverneurskandidatin in Virginia, bei ihrer Rede auf der Buckland Farm.
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Auf den ersten Blick scheint die in Jamaika geborene 61-Jährige im schicken schwarzen Kostüm hier nicht recht hineinzupassen. Doch die derzeitige republikanische Vize-Gouverneurin hat schon bei einem chaotischen Fernsehduell, während dessen sie Spanberger permanent ins Wort fiel, ihre Wadenbeißer-Qualitäten bewiesen. Auch in Fauquier County schaltet die ehemalige Marinesoldatin vor 150 Anhängern schnell auf Attacke. Es geht um angeblich drohende Steuererhöhungen, den „Unsinn“ einer Energiewende und offene Grenzen: „Spanberger wird die Wirtschaft vertreiben. Wir werden nicht mehr genug Strom haben. Wir werden nicht mehr über unser Geld verfügen können“, rattert Earle-Sears von der Bühne.
Rechter Kulturkampf um Transgender-Rechte
In der Markthalle des Bauernhofs kommt das gut an. Aber bei landesweiten Umfragen liegt die Republikanerin zwischen sieben und zwölf Punkte hinter der Demokratin zurück. Ob sie das Trump zu verdanken hat? Dazu sagt sie nichts. Aber auffällig ist, dass Earle-Sears den Präsidenten, der sie eher pflichtschuldig unterstützt hat, und die Arbeit der Washingtoner Regierung mit keinem einzigen Wort erwähnt. Umso kräftiger heizt sie den rechten Kulturkampf um Transgender-Rechte an: „Wollt Ihr, dass Männer in die Umkleidekabinen von Mädchen dürfen?“, provoziert sie das Publikum zu einem lauten Aufschrei der Empörung: „Spanberger will das!“
Diane Kitchen nickt zustimmend. „Ich mag ihre Integrität, ihre Ruhe und ihre Direktheit“, sagt die Rentnerin, die ein weinrotes Hoodie mit der Aufschrift „Trust Jesus!“ trägt. Nach einer Pause fügt sie hinzu: „Außerdem ist Winsome wie wir ein gläubiger Mensch.“ Diane und ihr Mann John, ein ehemaliger UPS-Fahrer, sind freundliche Menschen. Offen reden sie über sich und ihre fünf Enkelkinder. Natürlich haben sie für Trump gestimmt. „Trotzdem finde ich nicht alles richtig, was er gerade macht“, betont der Mann.
Kaum noch Brücken im polarisierten Amerika
Die Demokraten aber sind für das Paar ein rotes Tuch. Geschlechtsumwandlungen? „Ich mag mir das nicht einmal vorstellen“, empört sich John Kitchen. Der Shutdown? „Ein reines Machtspiel der Demokraten.“ Überhaupt: „Alles, was die machen, machen sie aus Hass auf Trump.“ Ob er Republikaner kennt, die bei der Wahl für Spanberger stimmen werden? Der Rentner muss lachen: „Das könnte nur jemand mit einem Dachschaden sein.“
In Charlottesville hatte Valerie Long, die linke Anwältin, gesagt, sie kenne viele enttäuschte Wähler, die man für die Demokraten gewinnen könne. So sei der Bruder einer Freundin wegen des Shutdown seit einem Monat ohne Bezüge zwangsbeurlaubt. Andere Freunde von ihr beim Militär hätten die Nase voll davon, für politische Zwecke missbraucht zu werden. Das stimmt wahrscheinlich. Aber auf der Buckland Farm trifft man solche Leute nicht. Im polarisierten Amerika gibt es kaum noch Brücken zwischen dem rechten und dem linken Lager. So werden Wahlen vor allem durch die Mobilisierung der eigenen Basis und der unabhängigen Wähler entschieden.
Darin sieht Ed Handley, der Weltenbummler, eine Chance: „Die Demokraten werden in Virginia mehr Menschen an die Wahlurnen bringen und die Republikaner weniger als beim letzten Mal“, ist er überzeugt. Der 64-Jährige war vor seiner Pensionierung Kommandant eines Marine-Zerstörers. Er ist empört, dass Trump das Militär instrumentalisiert. Doch er muss sich auch eingestehen, dass seine beiden Brüder trotzdem weiter die Republikaner unterstützen: „Denen sind niedrige Steuern und ihr Geldbeutel einfach wichtiger als das, was sonst in diesem Land vor sich geht.“
Ein hartes Urteil. Das scheint Handley zu merken. Eilig setzt er hinzu: „Ich mag sie - trotz ihrer politischen Dummheit.“

