UN und Menschenrechtler warnenRappern im Iran droht Hinrichtung – Tausende Inhaftierte in Gefahr

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Ein Demonstrierender hält ein Schild mit dem Portrait des iranischen Rapper Toomaj Salehi bei einer Demonstration in Köln in die Höhe.

Tausende Ukraine- und Iran-Anhänger demonstrierten am 5. November in Köln für Menschenrechte, Gleichberechtigung und gegen Krieg. Auch für die Freilassung von Rapper Toomaj Salehi setzten die Demonstranten sich ein.

Menschenrechtler befürchten, dass Teheran an bekannten Gesichtern der Protest-Bewegung ein Exempel statuieren könnte. Unterdessen wurde eine junge Frau durch Polizei-Schüsse schwer verletzt.

Drei Wochen nach seiner gewaltsamen Festnahme in seinem Haus durch die iranischen Sicherheitskräfte droht Saman Yasin, einem jungen kurdischen Künstler und Rapper, die Hinrichtung. Ihm wird vorgeworfen, einen „Krieg gegen Gott“ zu führen. In sozialen Netzwerken kursierten Bilder, die den Musiker im Gerichtssaal zeigen sollen, nachdem er das Urteil erfahren habe. Menschenrechtler befürchten nun, dass Tausenden Iranern ein gleiches Schicksal drohen könnte. 

Bei den seit rund zwei Monaten laufenden Protesten im Iran sind nach Einschätzungen von Menschenrechtlern mindestens 330 Menschen getötet worden. Unter den Toten seien auch 50 Minderjährige und 39 Sicherheitskräfte, berichtete die Organisation „Human Rights Activists News Agency“ (HRANA) mit Sitz in den USA am Freitag. Fast 15.000 Menschen seien zudem festgenommen worden. Die Proteste erfassten seit ihrem Beginn Mitte September demnach mehr als 130 Städte im Land.

Mehr als 1.000 der inhaftierten Personen könnte nun die Todesstrafe drohen, nachdem 227 iranische Parlamentarier vor wenigen Tagen auf möglichste harte Strafen für die festgenommenen Demonstranten gedrängt hatten. 

Proteste im Iran: „Äußerst beunruhigende Entwicklung“

„In einer weiteren äußerst beunruhigenden Entwicklung haben die iranischen Behörden Anfang dieser Woche angekündigt, dass sie öffentliche Gerichtsverhandlungen für mehr als 1.000 verhaftete Personen in Teheran und eine ähnliche Anzahl außerhalb der Hauptstadt abhalten werden“, sagte der UN-Sonderbeauftragte für die Menschenrechtssituation im Iran, Javaid Rehman, gegenüber dem „Guardian“. Auf die Anklagen, die gegen diese Menschen erhoben würden, „steht die Todesstrafe“, führte er aus. 

Die Menschenrechtsorganisation „Hengaw“ befürchtet unterdessen, dass das Regime in Teheran zunächst an bekannten Gesichtern der Protest-Bewegung ein Exempel statuieren wird, um die Proteste so zu unterdrücken.

Das könnte unter anderem die beiden iranischen Rap-Musiker Saman Yasin und Toomaj Salehi betreffen, berichtet der „Guardian“. Beide hatten die Machthaber in Teheran im Zuge der Proteste scharf kritisiert. Yasin hat auch Protest-Songs veröffentlicht, bevor er vor drei Wochen von iranischen Sicherheitskräften festgenommen wurde.

Iran: „Wir wissen, dass die Regierung mit Leichtigkeit Menschen tötet“

„Wir wissen, dass die Regierung mit Leichtigkeit Menschen tötet und die Inhaftierten direkt zum Tode verurteilt“, erklärte Soma Rostami von „Hengaw“ gegenüber der englischen Zeitung. „Saman Yasin ist in großer Gefahr und wir sollten seine Stimme sein.“

Anderen Menschenrechtsorganisationen zufolge hatten die iranischen Behörden in den letzten Wochen versucht, Yasins Familie zum Schweigen zu bringen. Die Angehörigen des Rappers haben demnach seit der Anklage zu Wochenbeginn wegen eines „Krieges gegen Gott“ Anfang der Woche nichts mehr von dem Musiker gehört. Sie befürchten, dass Yasin, Salehi und andere Inhaftierte Folter ausgesetzt sind.

Toomaj Salehi: Angehörige berichten von „schwerer Folter“

So berichteten Familienangehörige von Salehi, einem 32-jährigen Musiker und Rapper, nachdem er am 30. September verhaftet worden war, er sei vom Regime „schwer gefoltert“ worden, weil er Protest-Lieder und Bilder mit Parolen gegen die Sicherheitskräfte in sozialen Netzwerken veröffentlicht habe.

„Wir haben keine Informationen über seinen Gesundheitszustand, was ihm vorgeworfen wird oder wie es um seine Gesundheit bestellt ist, und wir machen uns ernsthafte Sorgen um sein Leben“, sagte eine Freundin des Musikers dem „Guardian“.

Iran: Junge Frau durch Polizei-Schüsse schwer verletzt

Unterdessen sorgte im Iran am Donnerstag erneut das gewaltsame Vorgehen iranischer Sicherheitskräfte für Empörung. In der Stadt Rascht gingen Polizei und Milizen gegen eine Versammlung vor, wie Bewohner der Provinz berichteten. Dabei soll eine junge Frau durch Schüsse schwer verletzt worden sein. In einer beliebten Fußgängerzone hatten vor allem Jugendliche mit lauter Musik und Tanz gefeiert. Nach der Aufforderung, die Versammlung zu beenden, sollen Sicherheitskräfte Tränengas eingesetzt haben.

Das Regime in Teheran warnte derweil am Freitag die internationale Gemeinschaft davor, eine UN-Sondersitzung einberufen. Das habe „negative Auswirkungen“ auf die Zusammenarbeit mit dem Westen erklärte Außenminister Hussein Amir-Abdollahian. Zuvor hatte der Diplomat am Donnerstag bereits die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock vor weiteren Schritten gegen den Iran gewarnt und Konsequenzen angedroht. Die Grünen-Politikerin hatte weitere Sanktionen gegen Teheran angekündigt.

Die Proteste im Iran hatten Mitte September nach der Tötung von Jina Mahsa Amini begonnen. Die 22-jährige Kurdin war zuvor von der iranischen Sittenpolizei in Gewahrsam genommen worden, weil sie ihr Kopftuch angeblich nicht korrekt getragen habe.

Islamwissenschaftlerin zum Iran: Aus Protest könnte Revolution werden

Die Protestwelle im Iran betreffe allerdings nicht nur junge Leute, erklärte die Kölner Islamwissenschaftlerin Katajun Amirpur am Freitag im Deutschlandfunk. „Da können wirklich alle Bevölkerungsschichten, jeder Arbeiter, Student, Professor andocken.“ Die Proteste hätten das Potenzial, zu einer Revolution zu werden. (mit dpa)

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