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Kommentar zu Jens SpahnDer Weg vom Gewinner zum Verlierer der Krise ist kurz

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Gesundheitsminister Jens Spahn

Von allen Sätzen, die Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) in der Corona-Krise gesagt hat, und es waren viele, wird dieser eine Satz hängenbleiben: „Wir werden einander in ein paar Monaten wahrscheinlich viel verzeihen müssen.“ Das mag an dem Pathos liegen, das in den elf Worten steckt, womöglich auch an der Offenheit, mit der ein Spitzenpolitiker über die eigene Fehlbarkeit spricht. Vor allem aber liegt es daran, dass Jens Spahn mit seinem Satz – gesprochen im April mit Blick auf Unwägbarkeiten und tiefgreifende Entscheidungen in der Pandemie – Recht behalten hat. Und wie.

Die Liste seiner Fehler ist lang. Anfang 2020 unterschätzte Spahn die Gefährlichkeit des Virus und versäumte es trotz Warnungen, ausreichend Schutzmasken einzukaufen. Danach machte er unter dem Einsatz von Steuermilliarden aus zu wenigen Masken zu viele, unterließ es aber, die Pflegeheime mit sicheren FFP2-Masken auszustatten. Im Sommer hatte der Minister keine Strategie für den Umgang mit Reiserückkehrern. Hinzu kamen der Ärger beim Corona-Bonus für Pflegebeschäftigte und kommunikative Patzer wie die Prognose, dass es keine erneute Schließung von Handel und Friseuren geben werde.

Jens Spahn: Noch prallt vieles an ihm ab

Zugegeben: Aus der Rückschau kritisiert es sich leicht. Aber bei Spahn fällt auf, wie stark sich sein Ansehen von der politischen Leistung in der Pandemie abgekoppelt hat. In jüngsten Beliebtheitsumfragen ist er sogar an Angela Merkel vorbeigezogen. Und in der CDU gibt es viele, die auf Spahn als Parteichef oder sogar Kanzlerkandidaten hoffen – obwohl er beim digitalen CDU-Parteitag in zwei Wochen gar nicht für den Vorsitz kandidiert.7

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An Spahn scheint vieles abzuperlen. Gefährlich werden kann für ihn allerdings die Debatte um den Impfstoff. Zu spät und zu wenig – so lauten die beiden Hauptvorwürfe. Sie wiegen schwer, denn in der Pandemie kann jeder einzelne Impftag über Leben und Tod entscheiden. Und für die Versorgung mit dem Serum ist allein der Bund zuständig. Also Spahn.

Es ruckelt an vielen Stellen

Der Gesundheitsminister hatte sich für eine europäische Beschaffung des Impfstoffs entschieden, um einen Wettlauf innerhalb der EU zu vermeiden. Das Ansinnen war richtig, allerdings hat Brüssel ausgerechnet beim deutschen Hersteller Biontech zu wenige Dosen bestellt.

Das rächt sich nun. Während Israel bereits eine Million Menschen mit dem Biontech-Serum geimpft hat, sind es in Deutschland nur rund 200 000. Spahn ist dafür mitverantwortlich. Er hat sich zu sehr auf die EU verlassen, zu wenig Druck für Bestellungen in Deutschland gemacht und zu spät bei Biontech nachgeordert.

Der Minister hat zugegeben, dass es bei der Impfkampagne ruckele, und er hat um Geduld gebeten. Es klang ein bisschen wie eine Neuauflage seiner Bitte um Verzeihung. Die Bereitschaft zu beidem sollte Spahn allerdings nicht noch weiter strapazieren. Der Weg vom Gewinner zum Verlierer der Krise ist kurz.