Kolumne zu impfenden HausärztenBesser als Drosten, Streeck und sogar Lauterbach

Eine Hausärztin impft eine Patientin gegen das Coronavirus.
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Köln. – Hausarzt, Landarzt, praktischer Arzt, solche Titel klingen irgendwie veraltet, nostalgisch verklärt oder verstaubt wie solider Krempel aus der guten alten Zeit. Fachärzte dagegen, hoch spezialisierte medizinische Experten, Forscher, die kaum noch einen Satz formulieren können, in dem nicht das Wort „Studie“ vorkommt, erscheinen als Repräsentanten der neuen Zeit, die den medizinischen Fortschritt so weit getrieben hat, das der Tod eigentlich nur noch als vermeidbare Panne in den Blick kommt.
Doch Corona hat auch das radikal geändert. Plötzlich ist die medizinische Wissenschaft durch ein kleines hirnloses Virus abrupt an ihre Grenze gestoßen. Das Mittelalter wusste mehr über die Pest als wir heute über das Coronavirus. Wir kennen dieses unheimliche Lebewesen erst seit gut einem Jahr. All die Maßnahmen, die das Mittelalter irgendwann gegen die Pest erfunden hatte, setzen wir jetzt auch ein: Abstand halten, Masken, Hygienevorkehrungen.
Das ist frustrierend, kränkend für den medizinischen Fortschrittsglauben, verunsichernd für die ganze Gesellschaft. Wie ausgeprägt die Katastrophe und wie hilflos die Menschheit ist, haben wir durch Routinedebatten über eher Banales verdrängt. Wie hätten wir reagiert, wenn ein Atomschlag, ein Erdbeben, ein Tsunami schlagartig drei Millionen Menschen getötet hätte? Noch vor zwei Jahren hätten wir die Meldung absurd gefunden, dass das Leben rund um den Globus für über ein Jahr weitgehend stillstehen würde. Doch weil wir mitten in dieser Katastrophe stecken, wird sie alltäglich.
Die Menschen sind mürbe
Doch jetzt gibt es „Ermüdungserscheinungen“. Der schleppende Verlauf der Impfkampagne, die wahlkampfgetriebenen Kapriolen der Politiker, dazu die eigene bedrückte Situation – das macht Menschen mürbe und sie verlieren das Vertrauen. Deswegen ist jetzt alles gefragt, was Vertrauen stärkt. Da kommen gute Freunde in Spiel, die Religion sogar und am Ende eben auch der Hausarzt. Der ist gerade jetzt kein Fossil, sondern Garant medizinischer Seriosität.
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Jeder sollte einen Hausarzt haben, der all die fachärztlichen Untersuchungen und Therapien koordiniert. Der Hausarzt hat bestenfalls und im besten Sinne einen ganzheitlichen Blick auf seine Patienten – mit deren Lebensgeschichte, dem persönlichen und beruflichen Umfeld. Damit kann er eventuelle psycho-somatische Wechselwirkungen zwischen seelischen Belastungen und körperlichen Störungen ausgezeichnet einschätzen.
Impfen bedarf besonderen Vertrauens
Impfen bedarf besonderen Vertrauens, denn da erlaubt ein Mensch eine eingreifende medizinische Maßnahme – obwohl er völlig gesund ist. Deswegen werden Impfstoffe auch so akribisch überprüft. Impfzentren sind sterile Orte unpersönlicher Begegnungen. Der Hausarzt dagegen muss vieles gar nicht erst nicht erfragen und weiß genau, was er wie erläutern muss. Er ist somit die Vertrauensperson schlechthin. Deswegen ist die aktuelle Aktivierung der Hausärzte für die Impfkampagne ganz sicher der richtige Weg. Mein Hausarzt kann nämlich besser impfen als Professor Drosten und Professor Streeck und sogar als Professor Lauterbach. Denn mein Hausarzt kennt mich.
Unser Autor
Manfred Lütz ist Arzt und Theologe. Der Bestseller-Autor schreibt im „Kölner Stadt-Anzeiger“ zu allem, was wir (noch) für vernünftig oder (schon) für verrückt halten.