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KommentarCorona-Beschlüsse möglichst weit unten zu entscheiden ist richtig

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Kanzleramtschef Helge Braun 

Am Donnerstag fassten Bund und Länder einen Corona-Beschluss, den Kommunalpolitiker als wegweisend empfinden dürften. So soll bei lokalen Ausbrüchen des Coronavirus ein besonderes Augenmerk auf ein betroffenes Unternehmen, eine betroffene Kirchengemeinde oder eine betroffene Familie gelegt werden. Erst als letztes Mittel seien „auch Beschränkungen nicht erforderlicher Mobilität in die besonders betroffenen Gebiete hinein und aus ihnen heraus“ geboten, heißt es. Kanzleramtschef Helge Braun und die Staatskanzleichefs der Länder weisen einem wie Sven-Georg Adenauer, dem Landrat im Kreis Gütersloh mit seiner Tönnies-Fleischfabrik, mehr Verantwortung zu.

Damit setzt die Anti-Corona-Politik noch weiter unten an als zuletzt. Nicht mehr ganze Landkreise oder kreisfreie Städte sollen die maßgebliche Einheit für Beschränkungen sein, sondern die Infektionsherde selbst. Aus dieser Entwicklung wiederum lassen sich Lehren ziehen.

Wir sind ein föderaler Staat – und das ist gut so

Die erste Lehre lautet: Wir sind ein föderaler Staat – und das ist gut so. Er erlaubt, auf unterschiedliche Lagen in unterschiedlichen Gegenden unterschiedlich zu reagieren. Genau das geschieht. Die Existenz von 16 Landesregierungen mit differenzierten Konzepten ermöglicht und erzwingt ferner das, was man Wettbewerbsföderalismus nennt. Dieser Wettbewerb war nicht immer glanzvoll. Doch er führte ans Ziel.

Eine zweite Lehre lautet: Die Kassandra-Rufe, wonach die im Grundgesetz verbrieften Freiheitsrechte durch die Krise dauerhaft unter die Räder geraten würden, haben sich als übertrieben erwiesen. Kaum hatten einschlägige Klagen eingesetzt, standen auch schon wieder Demonstranten auf der Straße. Am Anfang waren es sogar vielfach Extremisten, die exakt von jener Freiheit ausgiebig Gebrauch machten, deren Existenz sie so eifrig bestritten.

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Nicht selten ebneten Gerichte den Weg. So hob das Bundesverfassungsgericht ein Versammlungsverbot in Gießen auf. Die Karlsruher Richter befanden, ein pauschales Verbot sei unzulässig. Vielmehr müssten die konkreten Umstände des Einzelfalles berücksichtigt werden. Ähnlich argumentierte später das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht in Münster, als es Corona-Beschränkungen für den Landkreis Gütersloh kassierte. Weil Infektionen überwiegend bei Mitarbeitern des Fleischindustriellen Clemens Tönnies festgestellt worden seien, dürfe man nicht sämtliche Bewohner des Kreises dazu verdammen, die Konsequenzen zu tragen, befanden die Richter.

Das mündet in die dritte Lehre aus der Corona-Krise: dass sich das politische System mit seinen Checks und Balancen als lernfähig erwiesen hat. Dem folgt auch der jüngste Beschluss von Bund und Ländern, der den Gerichten gehorcht und im Kern besagt, dass Entscheidungen in der Coronakrise am besten möglichst weit unten getroffen werden. Zumindest bei niedrigen Infektionszahlen ist das richtig.