Kommentar zur EU-EinigungAsylsystem darf nicht allein zur Abschreckung dienen

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Die EU hat sich auf eine Asylreform geeinigt.

Die EU hat sich auf eine Asylreform geeinigt.

Dass sich die EU auf ein Gemeinsames Europäisches Asylsystem geeinigt hat, ist gut. Ob das System human ist und funktioniert, muss sich noch zeigen.

Jene Mitbürgerinnen und Mitbürger, die an Weihnachten noch eine Kirche aufsuchen, werden dort ziemlich sicher das Lied singen: „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit.“ Mit den Zeilen aus dem 17. Jahrhundert war eine Erscheinung namens Gott gemeint. Zur Einigung der EU-Staaten, des EU-Parlaments und der EU-Kommission auf das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) will die Zeile ohnehin nicht passen. Hier findet eher das Gegenteil statt. Und was aus der Einigung in der Wirklichkeit wird, das gilt es erst noch abzuwarten.

Politischer Sprengstoff

Fraglos funktioniert das herrschende europäische Asylsystem, das den Namen der irischen Stadt Dublin trägt, seit Langem nicht mehr. Es sieht vor, dass sich jene EU-Staaten um Asylbewerberinnen und -bewerber kümmern müssen, in denen sie erstmals den Boden der Union betreten. Das System belastet die Anrainerstaaten über Gebühr. Diese entlasten sich wiederum dadurch, dass sie Betroffene oft einfach nach Mitteleuropa weiterreisen lassen – weshalb viele von ihnen nach Deutschland kommen. Die Dysfunktionalität ist politischer Sprengstoff für die EU.

Es muss daher Abhilfe geschaffen werden. Insofern ist die Einigung auf das GEAS zunächst zu begrüßen, zumal es neben Asylverfahren an den Außengrenzen auch eine Verteilung der Geflüchteten auf die Mitgliedsstaaten vorsieht. Die Europäische Union beweist Handlungsfähigkeit. Das ist ein Wert an sich.

Asylsystem darf nicht allein zur Abschreckung dienen

Allerdings erweist sich die Qualität des neuen Systems ebenfalls nicht in der Theorie, sondern in der Praxis. Es darf jedenfalls nicht allein zu Abschreckungszwecken dienen, sondern muss durchlässig sein für all jene, die aufgrund von Kriegen und politischer Verfolgung tatsächlich hohe Türen und Tore benötigen. Die sogenannte Krisenverordnung, die es erlaubt, Schutzbedürftige ebenfalls monatelang in Lagern an den Außengrenzen festzuhalten, lässt daran Zweifel aufkommen.

Überdies sollen in Schnellverfahren abgelehnte Asylbewerberinnen und -bewerber direkt abgeschoben werden. Nur: Wohin – wenn die Herkunftsstaaten nicht bereit sind, sie aufzunehmen? Die EU steht dann vor demselben Problem wie heute bereits die Nationalstaaten. Dass Abschiebungen misslingen, ist ja ein Kernproblem.

Das Gemeinsame Europäische Asylsystem dürfte den Test allenfalls bestehen, wenn ein großer Teil der heute Fliehenden auf die Flucht in vorauseilender Resignation verzichtet. Ob dieser Fall eintritt, ist ungewiss.

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