Schrille Töne aus MoskauPutin droht nach Angriff auf Krim-Brücke mit „Antwort von Russland“

Lesezeit 4 Minuten
Wladimir Putin, Präsident von Russland, bei einer Videokonferenz.

Das von der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Sputnik via AP veröffentlichte Bild zeigt Wladimir Putin, Präsident von Russland, der im Kreml an einer Videokonferenz zur Lage im Gebiet der Krim-Brücke teilnimmt.

Nach Explosionen an der Krim-Brücke spricht man in Moskau von einem „Terrorakt“ – westliche Experten widersprechen dieser Darstellung.

Nach der Explosion an der Brücke zur annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim hat Russland offiziell von einem „Terrorakt“ gesprochen. Moskau machte ukrainische Geheimdienste dafür verantwortlich. Kremlchef Wladimir Putin kündigte am Montagabend in einer TV-Ansprache eine „Antwort von Russland“ als Vergeltung für den Angriff an. „Das Verteidigungsministerium bereitet die entsprechenden Vorschläge vor“, erklärte Putin.

Die Brücke sei am frühen Montagmorgen von Überwasserdrohnen attackiert worden, teilte unterdessen das russische Anti-Terror-Komitee mit. Auch der Kreml beschuldigte die Ukraine. Putin bezeichnete den Angriff als „sinnloses Verbrechen“ und bestritt, dass die Brücke für Militärtransporte genutzt werde, was kaum plausibel ist. 

Mutmaßlich ukrainischer Angriff auf Krim-Brücke entgegen russischer Behauptung kein „Terrorakt“

Experten zufolge kann bei dem Angriff auf die Krim-Brücke zudem nicht von „Terror“ die Rede sein. „Es ist ein legitimes militärisches Ziel im Kampf gegen die Besatzungstruppen“, erklärte Sicherheitsexperte Carlo Masala von der Universität der Bundeswehr in München. Auf ein „illegales Bauobjekt, das zu einer illegal besetzten Halbinsel führt, kann es keinen terroristischen Anschlag geben“, führte Masala aus. Da der Angriff nachts stattgefunden habe, sei auch der „Grundsatz der Verhältnismäßigkeit“ bei dem Angriff gewahrt worden.

Aus Kiew gab es zunächst keine offizielle Bestätigung für eine Beteiligung an dem Vorfall. Die Nachrichtenagentur AFP berichtete jedoch, der Angriff sei vom ukrainischen Inlandsgeheimdienst SBU und der Marine durchgeführt worden und bezog sich dabei auf „Angaben aus SBU-Kreisen“.

Deutliche Zerstörungen an Krim-Brücke sichtbar – Eisenbahnverkehr offenbar nicht beeinträchtigt

Zuvor hatten russische Behörden über einen „Notfall“ auf der 19 Kilometer langen Brücke berichtet, die das russische Festland und die bereits 2014 völkerrechtswidrig einverleibte Krim verbindet. Zwei Menschen wurden demnach in ihrem Auto getötet und eine Jugendliche verletzt.

Fotos und Videos in sozialen Netzwerken zeigten zudem deutliche Zerstörungen an der Fahrbahn. Der Autoverkehr wurde eingestellt. Laut russischen Nachrichtenagenturen will man in Moskau kurzfristig darüber informieren, ob und wann der Autoverkehr wieder aufgenommen werden könne.

Nach Angriff auf Krim-Brücke: Wladimir Putin beruft Sondersitzung am Montagabend ein

Der Betrieb auf der benachbarten Eisenbahnstrecke wurde hingegen schon wieder aufgenommen. Mit rund fünf Stunden Verspätung sei am Vormittag ein Zug aus der Krim-Hauptstadt Simferopol in Richtung der südrussischen Region Krasnodar losgefahren, teilten die Besatzungsbehörden der Krim mit, die Gleise seien bei dem ukrainischen Angriff nicht beschädigt worden, hieß es weiter.

Kremlchef Wladimir Putin wolle sich am Abend in einer Sondersitzung von Vizeregierungschef Marat Chusnullin über die Dauer der Renovierungsarbeiten informieren lassen, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. „Wir kennen die Gründe und diejenigen, die hinter dem Terroranschlag stehen“, meinte Peskow russischen Nachrichtenagenturen zufolge. „Das alles ist das Werk des Kiewer Regimes“.

Ukrainischer Geheimdienst spottet über Russland: „Erneut hat sich die Brücke ‚schlafen‘ gelegt“

Der ukrainische Geheimdienst bestätigte eine eigene Beteiligung zunächst nicht, sondern teilte in einer ersten spöttischen Reaktion lediglich mit: „Erneut hat sich die Brücke ‚schlafen‘ gelegt. Und eins … zwei!“

Zu einem früheren Anschlag auf der Brücke im vergangenen Herbst hatte sich Kiew später bekannt. Auch damals wurde die Fahrbahn schwer beschädigt, später allerdings repariert. Damals drohte Putin mit massiven Raketenangriffen auf die Ukraine als Reaktion. Anschließend attackierte Russland in der kalten Jahreszeit gezielt Energieanlagen im Nachbarland. Auch am Montag folgten auf den ukrainischen Angriff erneut wilde Drohungen aus Moskau.

Dmitri Medwedew will Vergeltung und droht mit „unmenschlichen Methoden“

Die Hintermänner des Angriffs, den Russland als „Terror“ betrachtet, müssten mit „unmenschlichen Methoden“ bekämpft werden, erklärte der ehemalige russische Präsident und jetzige stellvertretende Vorsitzende des russischen Sicherheitsrates, Dmitri Medwedew, am Montag.

Der Vertraute von Kremlchef Putin fällt seit Kriegsbeginn immer wieder mit schrillen Tönen und wüsten Drohungen auf, auch am Montag bediente sich Medwedew dabei erneut faschistischer Sprachbilder und sprach von „Insekten“, die sich „in Ritzen verstecken“ würden.

Die Ukraine, die sich seit fast 17 Monaten gegen einen russischen Angriffskrieg verteidigt, hat angekündigt, alle besetzten Landesteile im Zuge einer Gegenoffensive zu befreien. Trotz der angespannten Sicherheitslage und langer Kontrollen zieht es russische Urlauber Medienberichten aus Russland zufolge wieder in großer Zahl auf die annektierte Krim, die für Touristen nur per Bahn oder Auto erreichbar ist. (mit dpa/afp)

KStA abonnieren