In Lwiw ist der bekannte ukrainische Politiker Andrij Parubij einem Mordanschlag zum Opfer gefallen. Intensive Ermittlungen sind angelaufen.
Entsetzen in KiewUkrainischer Ex-Parlamentschef getötet – Russland verbreitet Propaganda

Andrij Parubij spricht während einer Sitzung des ukrainischen Parlaments in Kiew (Archivbild von 2016)
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Der ehemalige ukrainische Parlamentspräsident Andrij Parubij ist in Lwiw in der Westukraine erschossen worden. Ein zunächst nicht identifizierter Mann habe „mehrere Schüsse“ auf den Politiker abgefeuert und „tötete Andrij Parubij auf der Stelle“, erklärte die ukrainische Generalstaatsanwaltschaft am Samstag. Präsident Wolodymyr Selenskyj verurteilte die Tat als „schrecklichen Mord“ und versprach, „alle notwendigen Kräfte und Mittel“ für dessen Aufklärung bereitzustellen.
Nach Polizeiangaben erlag der 54-Jährige „noch am Tatort seinen Verletzungen“. Die Hintergründe der Tat waren zunächst unklar, es werde nach dem geflüchteten Schützen gefahndet. Parubij hinterlässt seine Frau und eine Tochter.
Die ukrainische Generalstaatsanwaltschaft leitete nach eigenen Angaben eine Untersuchung wegen „vorsätzlichen Mordes an Andrij Parubij“ ein.
Moment des Mordes an Parubij soll zu sehen sein
Fotos des mutmaßlichen Tatorts, die in ukrainischen Medien veröffentlicht wurden, zeigten einen am Boden liegenden Mann mit blutüberströmtem Gesicht. Der Verdächtige sei als Lieferant gekleidet gewesen und fuhr ein Elektrofahrrad, meldete der ukrainische Sender Suspilne. Es sei im Bezirk Sykhivskyi im Westen von Lwiw achtmal auf den Politiker geschossen worden. Am Tatort fanden Polizeibeamte demnach sieben Patronenhülsen. Die „Kyiv Post“ berichtet, der 54-Jährige sei von fünf Schüssen getroffen worden.
Auf einem Video, das in den sozialen Medien verbreitet wurde, soll der Moment des Mordes zu sehen sein. Laut Suspilne ist zu erkennen, dass eine dunkel gekleidete unbekannte Person mit Helm auf dem Kopf und einem gelben Rucksack in der Hand, auf dem Bürgersteig auf Parubij wartet. Als der Politiker an ihm vorbeigeht, folgte ihm der Angreifer und schießt ihm mehrmals in den Rücken. Der Mann flüchtet daraufhin.
In Lwiw wurde eine Sondereinheit zur Aufklärung des Mordes gebildet. Der Tatort wurde von der Spurensicherung und mit Hunden untersucht. Der Bürgermeister von Lwiw Andrij Sadowyj erklärte, dass es verstärkte Patrouillen und Kontrollen in der Stadt gebe, dadurch entstünden möglicherweise Verkehrsbehinderungen.
Parubij setzte sich für Unabhängigkeit der Ukraine ein
Der bekannte Politiker war von 2016 bis 2019 Parlamentspräsident der Ukraine und diente zuvor als Vorsitzender des Sicherheitsrats. Schon zu Sowjetzeiten hatte sich Parubij für die Unabhängigkeit der Ukraine eingesetzt.
Er galt als eine der Leitfiguren bei den großen pro-europäischen Bewegungen der jüngeren ukrainischen Geschichte: der Maidan-Revolution von 2014 sowie der orangefarbenen Revolution im Jahr 2004.
Parubij befehligte Verteidigungsgruppen während der Maidan-Proteste, die blutig niedergeschlagen wurden. Die pro-europäischen Proteste stürzten 2014 den vom Kreml unterstützten damaligen Präsidenten Viktor Janukowitsch. Im Jahr 2014 überlebte Parubij einen versuchten Mordanschlag mit einer Kampfgranate.
Die ukrainische Regierungschefin Julia Swyrydenko würdigte Parubij als „Patrioten“, der „einen großen Beitrag zur Gründung unseres Staates geleistet hat“.
Petro Poroschenko, ehemaliger ukrainischer Präsident, sagte, Parubij sei „in Lwiw von Monstern erschossen worden“. „Mit Sicherheit ist klar, dass diese Monster Angst haben und deshalb wahre Patrioten und starke Menschen töten“, schrieb er im Netzwerk X, ehemals Twitter.
„Bei diesem Verbrechen handelt es sich nicht nur um Schüsse auf eine Person. Es ist ein Angriff auf die Armee. Es ist ein Angriff auf die Sprache. Es ist ein Angriff auf den Glauben. Es ist ein Angriff auf das Herz der Ukraine“, so Poroschenko weiter.
Propaganda aus Russland
Die russische staatliche Nachrichtenagentur Tass berichtete ebenfalls über den Tod Parubijs – erwartungsgemäß mit gänzlich anderem Tenor. Es wird behauptet, dass Scharfschützen während der Maidan-Protest von Parubij gesteuert wurden. Zudem wird Parubij mit einer „Neonazi-Bewegung“ in Verbindung gebracht. Zur Propaganda des Kremls gehört der immer wieder erhobene haltlose Vorwurf, in der Ukraine sei ein „Nazi-Regime“ an der Macht.
Parubij sei zudem ein Nationalist und Feind Russlands, heißt es weiter. Sein Tod sei eine „Folge des Terrorregimes in der Ukraine“, heißt es weiter bei der Tass. (cme, mit afp)