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Merz reist nach TiranaWie der Außenkanzler eine Stimme in Europa werden will

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Bundeskanzler Friedrich Merz

Bundeskanzler Friedrich Merz

Albanien ist am Freitag bereits Friedrich Merz' fünftes Ziel als Kanzler im Ausland. Die nächste Bühne für ihn, um sich international zu profilieren.

Es ist der erste große Gipfel für den neuen Bundeskanzler. Und das Treffen kommt Friedrich Merz so kurz nach seinem Amtsantritt äußerst gelegen. Denn der sechste Gipfel der Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPG) am Freitag in der albanischen Hauptstadt Tirana mit Staats- und Regierungschefs aus fast 50 Ländern dient seiner besonderen Mission: Der CDU-Chef will eine neue Stimme in Europa werden.

Es ist bereits seine vierte Auslandsreise seit seiner Wahl – erst im zweiten Wahlgang – zum Bundeskanzler am vorigen Dienstag. Paris und Warschau bereiste er an einem Tag, es folgten Brüssel und Kiew. Nun also Tirana. Auch dort wird über Russlands Krieg gegen die Ukraine gesprochen werden. Merz will ein Kanzler der Außenpolitik sein, ein Außenkanzler sozusagen. Die CDU führt erstmals seit fast 60 Jahren auch wieder das Außenministerium. In Tirana kann Merz umgehend viele persönliche Kontakte knüpfen.

Fast 50 Staats- und Regierungschefs

Auch einen erheblichen Teil seiner ersten Regierungserklärung am vorigen Mittwoch nutzte er für außenpolitische Positionen. So ging er vor allem auf Russland ein: „Dieser fürchterliche Krieg und sein Ausgang entscheiden nicht nur über das Schicksal der Ukraine. Der Ausgang dieses Krieges entscheidet darüber, ob auch künftig Recht und Gesetz gelten in Europa und der Welt. Oder Tyrannei, militärische Gewalt und das nackte Recht des Stärkeren.“

Neben Beratungen, wie die europäische Wirtschaft international wettbewerbsfähig soll und Europa offen bleiben kann und seine Außengrenzen gegen irreguläre Migration sichert, geht es dort um die Bemühungen für ein Ende des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine.

Viel auf Reisen: Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) geht zum Airbus A321 der Luftwaffe auf dem militärischen Teil des Flughafens BER für den Flug nach Tirana zum Gipfeltreffen der Europäischen Politischen Gemeinschaft hinauf.

Viel auf Reisen: Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) geht zum Airbus A321 der Luftwaffe auf dem militärischen Teil des Flughafens BER für den Flug nach Tirana zum Gipfeltreffen der Europäischen Politischen Gemeinschaft hinauf.

Auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan wird erwartet. Er hatte sich am Vortag in Ankara mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj getroffen. Kremlchef Wladimir Putin hatte seine Teilnahme an einem ersten direkten Gespräch zwischen Kiew und Moskau seit rund drei Jahren in der Türkei abgesagt. Trotzdem entsandte Kiew eine Delegation nach Istanbul.

US-Präsident Donald Trump ließ verlauten, er rechne bis zu einem persönlichen Treffen von ihm und Putin nicht mit echter Bewegung. Trump wurde von mitreisenden Reportern auf dem Flug von Katar in die Vereinigten Arabischen Emirate mit den Worten zitiert: „Ich glaube nicht, dass irgendetwas passieren wird, bis er und ich zusammenkommen – ob es Ihnen gefällt oder nicht.“

Merz droht Putin mit Sanktionen

Merz hatte nach Telefonaten mit Trump von Unterstützung für die Bemühungen Europas um eine Friedenslösung gesprochen. „Wir hatten eine auch für mich überraschend hohe Übereinstimmung in der Bewertung, was wir jetzt gemeinsam tun“, sagte Merz.

Merz drohte Russland mit EU-Sanktionen, wenn es bis Ende der Woche keine Fortschritte bei den Verhandlungen mit der Ukraine gebe. „Wir sind uns einig, dass für den Fall, dass es in dieser Woche nicht zu einem wirklichen Fortschritt kommt, wir dann gemeinsam auch auf europäischer Ebene für eine deutliche Verschärfung der Sanktionen eintreten wollen“, sagte Merz zu Wochenbeginn. Nun ist die Woche bald um. In der Ukraine wird weiter geschossen und gestorben.

Europa rückt zusammen

Die Zusammenkunft in Tirana bietet eine Möglichkeit, dass Europa weiter zusammenrückt. Es wird erwartet, dass Selenskyj über den Stand der Kontakte mit Russland informiert.

Die EPG ist ein Gesprächsformat, das der französische Präsident Emmanuel Macron ins Leben gerufen hatte. Ihm ging es darum, dass sich EU-Staaten mit anderen europäischen Ländern absprechen können, ohne den Druck einer EU-Erweiterung zu haben. Eingeladen sind Staats- und Regierungschefs aus 47 Ländern – neben den 27 EU-Staaten auch Länder wie Großbritannien, die Ukraine, die Schweiz und Georgien – und ebenso der Nato-Generalsekretär.

Die offiziellen Gastgeber des Gipfels sind EU-Ratspräsident António Costa und der albanische Ministerpräsident Edi Rama. Er erzielte mit seiner Sozialistischen Partei (PS) bei der Parlamentswahl in Albanien vorläufigen Ergebnissen zufolge die absolute Mehrheit, wie die zentrale Wahlkommission am Dienstag mitteilte. Damit kann Rama eine vierte Amtszeit antreten. Die PS will Albanien binnen fünf Jahren zu einem EU-Mitglied machen.

Im Herbst 2023 hatte Rama die Westbalkan-Konferenz in Tirana ausgerichtet. Der damalige Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte mit Blick darauf, dass Albanien, Montenegro, Serbien, Kosovo, Bosnien-Herzegowina und Nordmazedonien vor 20 Jahren eine EU-Beitrittsperspektive gegeben worden war, gesagt: „Die Länder hätten der EU längst beitreten sollen.“