Bewusst verzichtet Kanzler Merz in seiner ersten Regierungserklärung auf jede Art der Provokation. Er präsentiert sich als Mann der Tat und Mann der Mitte. Ein gelungener Auftakt.
RegierungserklärungFangt bitte einfach an!


Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU, r) und Lars Klingbeil (SPD), Bundesminister der Finanzen, unterhalten sich nach der Regierungserklärung im Plenum des Bundestags.
Copyright: Katharina Kausche/dpa
In der ersten Woche im Amt ist Bundeskanzler Friedrich Merz außenpolitisch ein beachtlicher Aufschlag gelungen. Paris, Warschau, Brüssel, Kiew - von allen Stationen gingen Signale europäischer Einigkeit und neuer deutscher internationaler Präsenz aus.
In seiner ersten Regierungserklärung setzt Merz zudem den Akzent, dass er ein Transatlantiker ist und auch unter den schwierigen Bedingungen eines von Donald Trump geführten Amerikas dieser bleiben will. Europa wird auch die Botschaft gehört haben, dass Deutschland sein verschärftes Vorgehen in der Migrationspolitik nicht im Alleingang und im Einklang mit europäischem Recht durchsetzen will. Für die ersten Tage im Amt ist das eine blitzsaubere Bilanz.
Merz umarmt SPD
Innenpolitisch zeigte sich Merz in seiner Regierungserklärung so klug, dass er nicht nur die Lieblingsprojekte der Union aufzählte. Er umarmte die Genossen regelrecht: Mit einem Bekenntnis zu einem dauerhaften Rentenniveau von 48 Prozent, einem „erreichbaren“ Mindestlohn von 15 Euro ab 2026 und zu einer höheren Tarifbindung machte er auch die Lieblingsthemen der SPD zu seinen eigenen. Damit setzte er das für den Zusammenhalt der Regierung wichtige Signal, dass diese Koalition „problemlösend“ und „ohne öffentlichen Streit“ handeln will.
An guten Vorsätzen fehlt es dieser Regierung also nicht. Entscheidend für ihren langfristigen Erfolg wird sein, ob bei den Menschen im Land bis zum Sommer ein Stimmungsumschwung einsetzt. Bislang weisen die Umfragen aus, dass die Bürgerinnen und Bürger wenig Vertrauen in die Regierung Merz haben.
Start aus der Defensive
Der Kanzler startet also aus der Defensive. Er steht unter dem Druck, dass er seine Ankündigungen rasch auf den Weg bringen muss. Die 150 Milliarden Euro für Infrastruktur, Bildung und Forschung sowie für die Digitalisierung dürfen nicht im gesetzgeberischen Klein-Klein zwischen den Koalitionspartnern sowie Bund und Ländern so lange verhandelt werden, bis keine spürbaren Maßnahmen mehr übrigbleiben. Der Bürokratieabbau muss endlich mehr sein als ein Lippenbekenntnis. Und die großen Baustellen dieser Gesellschaft: Wohnraum, Gesundheit, Pflege und Rente brauchen jeweils schnelle chirurgische Entlastungseingriffe und dann tragfähige Rezepte für die Zukunft.
All das hat Merz in seiner Regierungserklärung angesprochen und ist dabei im Ton so moderat geblieben, dass seine Botschaften in der Mitte der Gesellschaft ankommen dürften. Entscheidend wird sein, dass es eben nicht bei der Beschreibung der Probleme und möglicher Lösungen bleibt. Entscheidend ist, wie zielsicher und pragmatisch diese Regierung in Zusammenarbeit mit den Ländern die Herausforderungen anpackt.
Der Staat sind wir alle
Merz weiß, dass die 150 Milliarden Euro für Investitionen in einer Wahlperiode den Tanker Deutschland nicht allein aus der Rezession steuern können. Unternehmen und Kapitalmärkte werden ein Vielfaches geben müssen. Auch dafür braucht der Kanzler Stimmungsumschwung und Vertrauen in seine Arbeit.
Schließlich schickt Merz auch eine Mahnung an die Bürgerinnen und Bürger. Der Staat, sagt er, das seien wir alle. Jede Forderung an „den Staat“ richte sich also zugleich an jeden einzelnen - eben auch an denjenigen, der eine solche Forderung erhebe.
Im Klartext heißt das, dass Merz ein Stück der Verantwortung für den Aufbruch 2025 made in Germany auch den Bürgerinnen und Bürgern, den Unternehmen und den Institutionen der Zivilgesellschaft zuweist. Grundsätzlich ist das legitim. Die Politik allein kann das Land nicht flott machen. Die Menschen können ihren Beitrag allerdings nur dann erfolgreich leisten, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Und daher: Liebe Regierung, fangt bitte einfach an!