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Erste RegierungserklärungMerz wirbt für Aufbruch und starke Rolle in Europa

Lesezeit 4 Minuten
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) spricht bei seiner Regierungserklärung im Plenum des Bundestags.

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) spricht bei seiner Regierungserklärung im Plenum des Bundestags.

Der Kanzler will, dass Bürgerinnen und Bürger schon im Sommer erste Veränderungen spüren. Aus der Opposition hagelt es Kritik.

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat in seiner ersten Regierungserklärung für einen wirtschaftlichen Aufbruch und eine starke Rolle in Europa geworben. Deutschland stehe vor „enormen“ inneren, internationalen und auch finanzpolitischen Herausforderungen, sagte Merz am Mittwoch im Bundestag. Er sei aber überzeugt, dass diese „aus eigener Kraft“ bewältigt werden könnten. Der Ukraine sicherte Merz weitere Unterstützung zu, die Bundeswehr soll zudem massiv gestärkt werden.

Er wolle, dass Bürgerinnen und Bürger „schon im Sommer spüren: Hier verändert sich langsam etwas zum Besseren, es geht voran“, sagte Merz. Er verwies auf Vereinbarungen im Koalitionsvertrag mit der SPD wie bessere Abschreibungsmöglichkeiten für Unternehmen oder die Senkung der Energiepreise.

Deutschland wieder „zu einer Wachstumslokomotive“ machen

„Unsere Wirtschaft ist in großen Teilen immer noch wettbewerbsfähig“, betonte der Kanzler. Aber die Rahmenbedingungen seien es nicht mehr. Merz nannte „erdrückende Bürokratie, marode Infrastruktur, eine teure Energieversorgung und vergleichsweise hohe Steuern und Abgaben“. Dies müsse sich ändern, damit Deutschland wieder „zu einer Wachstumslokomotive“ werde und Arbeitsplätze erhalten und neu geschaffen würden.

Bei konkreten Umsetzungsterminen blieb Merz vage. Kanzleramtsminister Thorsten Frei (CDU) sagte seinerseits im Bundestag, die Regierung werde erst „in den nächsten Tagen“ eine Planung zu Vorhaben „für die nächsten Wochen und Monate vorlegen“.

Merz mahnte trotz des bereits verabschiedeten 500 Milliarden Euro schweren Sondervermögens für Investitionen in die Infrastruktur zu Haushaltsdisziplin. Mit den neuen Mitteln müsse die Regierung „äußerst behutsam und vorsichtig umgehen“, sagte er. „Diese Schulden lösen Zinszahlungen aus und müssen auch eines Tages wieder zurückgezahlt werden.“

Merz möchte 15 Euro Mindestlohn „nicht gesetzlich festschreiben“

Eine klare Absage erteilte Merz Forderungen aus Reihen des Koalitionspartners SPD, den Mindestlohn notfalls auch durch einen politischen Beschluss auf 15 Euro zu erhöhen. Diese Anhebung im kommenden Jahr halte er „für erreichbar, für möglich und für wünschbar“, sagte er. „Aber wir werden ihn nicht gesetzlich festschreiben.“

SPD-Fraktionschef Matthias Miersch zeigte sich darauf im Parlament überzeugt, dass die Erhöhung auf 15 Euro gelingen werde. Die Mindestlohnkommission aus Arbeitgebern und Arbeitnehmern will darüber Ende Juni entscheiden.

Die Linkspartei warf Merz und seiner Regierung eine „Politik der sozialen Kälte“ vor. Der Kanzler „schweigt zur sozialen Krise in diesem Land“, sagte Fraktionschef Sören Pellmann zu der Regierungserklärung.

Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge kritisierte, Merz habe „keine einzige vernünftige Antwort“ zu Herausforderungen in der Klimapolitik gegeben. In der Migrationspolitik warf sie dem Kanzler wegen der Zurückweisung von Asylbewerbern an den Grenzen zudem eine „Aufkündigung der europäischen Zusammenarbeit in der Asylpolitik“ vor.

Bundeswehr soll „stärkste Armee Europas“ werden

Merz verteidigte den Migrationskurs. Die verstärkten Kontrollen und Zurückweisungen an Deutschlands Grenzen seien kein nationaler „Alleingang“, bekräftigte er. Sie erfolgten im „Einklang mit europäischem Recht“.

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU, r) und Lars Klingbeil (SPD), Bundesminister der Finanzen, unterhalten sich nach der Regierungserklärung im Plenum des Bundestags.

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU, r) und Lars Klingbeil (SPD), Bundesminister der Finanzen, unterhalten sich nach der Regierungserklärung im Plenum des Bundestags.

AfD-Chefin Alice Weidel kritisierte die Migrationspolitik der neuen Regierung als unzureichend. Die „illegale Einwanderung nach Deutschland und in die deutschen Sozialsysteme muss auf Null zurückgefahren werden“, forderte sie. Die Zurückweisungen könnten dabei „nur ein erster Schritt“ sein.

Im Verteidigungsbereich wurde Merz mit Blick auf die Bedrohung durch Russland deutlich: Er wolle die Bundeswehr „konventionell zur stärksten Armee Europas“ machen, sagte er. „Wir müssen uns verteidigen können, damit wir uns nicht verteidigen müssen.“ Die Stärkung der Bundeswehr stehe deshalb für seine Regierung „an erster Stelle“. Schon vor der Regierungsbildung hatten Union und SPD dazu gemeinsam mit den Grünen die Schuldenbremse im Grundgesetz für Verteidigungsausgaben gelockert.

Merz sichert Israel „unverbrüchliche“ Solidarität zu

Der neue Kanzler sicherte der Ukraine weitere Solidarität im Abwehrkampf gegen Russland zu. Merz will dabei wie sein SPD-Vorgänger Olaf Scholz dafür sorgen, dass Deutschland „nicht Kriegspartei“ wird.

Nicht akzeptabel sei ein „Diktatfrieden“ auf Kosten der Ukraine, bekräftigte Merz. Bei den Bemühungen um eine Beendigung des Konflikts setzt er auf eine enge Zusammenarbeit mit US-Präsident Donald Trump. Er wolle „alle Anstrengungen unternehmen, um auch weiterhin größtmögliche Einigkeit zwischen den europäischen und den amerikanischen Partnern herzustellen“, sagte Merz.

Israel sicherte der Kanzler „unverbrüchliche“ Solidarität zu. Er zeigte sich zwar besorgt über „eine akute Hungersnot“, die im Gasastreifen drohen könne. Zu der internationalen Kritik am israelischen Vorgehen im Gazastreifen sowie der Blockade humanitärer Hilfslieferungen äußerte sich Merz aber nicht. Eine klare Kampfansage erteilte er „dem unerträglichen Antisemitismus“ in Deutschland. (afp)