Nachruf auf Bonner StadtdechantWolfgang Picken – Außergewöhnliche Begabungen und Glamour-Faktor

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Der Bonner Stadtdechant Wolfgang Picken ist gestorben.

Der Bonner Stadtdechant Wolfgang Picken ist gestorben.

Wolfgang Picken ist im Alter von 57 Jahren gestorben. Zum Kölner Kardinal Woelki hatte er ein nicht unkompliziertes Verhältnis.

„Wir haben viel bewegen dürfen. Das war mir immer Zeichen für eine Kirche, die auch heute noch Ausstrahlung entfalten kann.“ Das schreibt der Bonner Stadtdechant Wolfgang Picken in „persönlichen Worten anlässlich meines Todes“ an die Gläubigen in der Bundesstadt sowie an Angehörige, Freunde und Weggefährten. Sein Vermächtnis hatte der am Samstag gestorbene Geistliche im November 2023 angesichts einer – wie Stadtdekanat und Münsterpfarrei mitteilten – „kurzen, aber hochaggressiven onkologischen Erkrankung“ verfasst.

„Dass ich jetzt loslassen soll“, wirke „fast wie gefügt“, schreibt Picken weiter und verweist neben der abgeschlossenen Sanierung des Bonner Münsters auf ein lebendiges, vielfältiges Gemeindeleben. „Sicherlich hätte ich mir vorstellen können, diesen Weg fortzusetzen. Ich war so gerne als Priester für Gott und die Menschen tätig.“

Wolfgang Picken war nicht unumstritten im Erzbistum Köln

Picken, der am Sonntag 57 Jahre alt geworden wäre, gehört zweifellos zu den bekanntesten und profiliertesten, aber auch umstrittensten Geistlichen des Erzbistums Köln. Bundesweite Aufmerksamkeit fand sein Engagement nach der tödlichen Schlägerattacke gegen den 17 Jahre alten 2016 Niklas in Bad Godesberg. Picken begleitete die Familie des Jugendlichen seelsorglich und arbeitete in einem „Runden Tisch Gewaltprävention“ mit.

Als Pfarrer in Bad Godesberg rief Picken eine Bürgerstiftung ins Leben. Mit der Hilfe zahlreicher, auch prominenter Förderinnen und Förderer realisierte er damit kirchliche und soziale Projekte, machte sich in Teilen unabhängig von der Finanzierung durch das Erzbistum Köln, was dort nicht nur Begeisterung auslöste.

Wolfgang Pickens Auftreten hatte Glamour-Faktor

Picken, von der Boulevard-Presse zum „Bonn Camillo“ stilisiert, veranstaltete glanzvolle Charity-Events, auf denen er große Summen und viel Sympathien für die Kirche sammelte. Glamour-Faktor hatte auch sein eigenes Auftreten. Elegant und absolut trittsicher bewegte sich der Theologe und promovierte Politikwissenschaftler im kirchlichen Raum wie auf jedwedem gesellschaftlichen Parkett. Mit seinem rhetorischen Geschick wusste er nicht nur in Predigten zu begeistern. In einem eigenen Podcast meldete er sich mit „Spitzen aus Politik und Gesellschaft“ zu Wort.

Picken absolvierte einen Teil seines Theologiestudiums im römischen Elitekolleg Germanicum. 1993 weihte ihn Kardinal Joachim Meisner zum Priester. Er setzte große Stücke auf den umtriebigen, energischen Jungpriester, dem Bistumsinsider alsbald einen steilen Aufstieg in der Kirchenhierarchie prophezeiten. Doch aus öffentlich nie bekannt gewordenen Gründen fiel Picken aus der Gunst des Erzbischofs. Eine schwere Krankheit brachte ihn in den 1990er Jahren schon einmal an den Rand des Todes. Sein Engagement für die Hospizbewegung war vor diesem Hintergrund von einer besonderen existenziellen Dringlichkeit.

Nach dem Amtsantritt von Kardinal Rainer Woelki als Erzbischof von Köln 2014 sollte die Beförderung Pickens zum Stadtdechanten von Düsseldorf eine von Woelkis ersten wichtigen Personalentscheidungen werden. Doch ein Sturm des Protests gegen Pickens Wechsel, organisiert von einem nach 2017 skandalumwitterten Mitbruder, brachte Woelki von seinem Vorhaben ab. Anhaltende Spekulationen, dass er Picken stattdessen als Generalvikar nach Köln holen könnte, erwiesen sich ein ums andere Mal als Luftbuchungen. Zu grundverschieden waren wohl die beiden Männer, als dass sie an der Bistumsspitze ein gutes Tandem hätten bilden können.

Wolfgang Picken kritisierte Kardinal Woelki

Gegenüber dem Erzbischof positionierte sich Picken, der seit 2019 Stadtdechant von Bonn war, einerseits mit scharfer Kritik: an Woelkis Agieren im Missbrauchsskandal ebenso wie an seinen Plänen für eine Bistumsreform, aber auch am Aufbau von Woelkis „Kölner Hochschule für Katholische Theologie“, die der Theologie an der Universität Bonn das Wasser abgraben will.

Andererseits trat Picken auf dem bei Woelki ungeliebten „Synodalen Weg“ auch selbst zeitweilig als einer der alertesten Gegner des bundesweiten Projekts für Kirchenreformen auf, ehe er als Mitglied der Synodalversammlung in Passivität verfiel und sich schließlich vor einem Jahr ganz verabschiedete.

Woelki reagierte auf Pickens Tod mit den Worten, der Bonner Stadtdechant sei „allzeit ein engagierter Streiter für den Glauben und für die Gläubigen“ gewesen. Seit Sonntag können Trauernde in der Krypta der Münsterbasilika am Sarg Abschied nehmen.

„Ich habe enttäuscht und verletzt. Manche meiner Worte waren zu hart und manche Idee zu schnell“, schreibt Picken in seinem Abschiedswort und bittet „alle, denen ich nicht gerecht geworden bin und die ich belastet habe, aufrichtig um Verzeihung“.

Tatsächlich war Picken ein Mann von außergewöhnlichen Begabungen, der Mindertalentierte ihre Defizite bisweilen deutlich spüren ließ und mit geteilter Macht ebenso Schwierigkeiten hatte wie mit dem biblischen Scheffel, unter den das eigene Licht hätte geraten können. Wer weiß, wohin ihn sein Weg in der Kirche sonst noch hätte führen können.

Seinen Lebensweg hat Wolfgang Picken am 27. Januar 2024 vollendet. Die letzten Worte in seinem Vermächtnis lauten: „Wir bleiben weiterhin in Liebe verbunden, im Gebet und in der Feier der Eucharistie, bis die Zeit für ein Wiedersehen bei Gott gekommen sein wird. ‚Es gibt für alle eine Zeit!‘: A Dieu!“

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