Ermittlungen gegen Neo-NazisRechtsextreme Schläger schmieden Umsturzpläne

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Gewalt gegen Bereitschaftspolizisten ist ein Ziel militanter rechter Aktivisten.

Die rechtsextreme Kampf-Gruppe „Knockout 51“ aus dem thüringischen Eisenach wollte an jenem 29. August 2020 mit ihren Kumpels aus Dortmund ordentlich Randale machen. Auf der Demonstration von Corona-Leugnern in Berlin hatte man Gewaltattacken insbesondere auf Polizisten geplant. Dann aber mussten die ostdeutschen Neo-Nazis unter ihrem Anführer Leon R. zusehen, wie ihre mit Hämmern und Bengalo-Feuerwerk bestückten westdeutschen „Kameraden“ vor der Polizei kniffen. Zwar starteten Knock-Out-Kombattanten Attacken auf einige Beamte. Die große Bambule blieb aber aus. Später ärgerte sich einer der Schläger, dass man unbewaffnet auf die Demo gegangen sei. Besser wäre es gewesen, einen Bengalo zu zünden und in „die Bullen reinzuflacken“.

So steht es nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ in den Ermittlungsakten der Bundesanwaltschaft, die am 6. April eine Razzia gegen ein militantes braunes Netzwerk durchführte. 50 Protagonisten stehen auf der Beschuldigten-Liste, vier führende Mitglieder von „Knockout 51“ sitzen wegen Bildung einer rechtsextremistischen kriminellen Vereinigung in Untersuchungshaft. Es ist der größte Schlag gegen die militante Neonazi-Szene in den vergangenen Jahren.

Netzwerk zwischen Ostdeutschland und NRW wächst

Die Spuren führen in die faschistische Hardcore-Szene. Das Netzwerk reicht demnach von Ostdeutschland über Baden-Württemberg bis nach NRW. Insbesondere zum größten, westdeutschen Nazi-Hotspot in Dortmund. Mithin zur Splitterpartei „Die Rechte“ rund um die Schlüsselfigur der extremistischen Kampfsportszene: Alexander Deptolla. Laut NRW-Verfassungsschützern organisiert der hochrangige Partei-Kader den „Kampf der Nibelungen“, das größte Fighting-Event brauner Milieus in Westeuropa.

Wehrsportübungen, Schießausbildung im osteuropäischen Ausland sowie Straßenkampftrainings – mit Sorge beobachten die Sicherheitsbehörden in NRW und im Bund, wie militante Nazi-Organisationen ihre Umsturzpläne für den Tag X forcieren. Zwar konstatieren die NRW-Verfassungsschützer für das vergangene Jahr einen Rückgang bei der Zahl der Rechtsextremisten von 1,6 Prozent auf 3875 fest. Die Rate gewaltorientierter Neo-Nazis liegt unverändert bei 2000 Personen. Die verübten Gewaltdelikte sanken 2021 allerdings um knapp ein Fünftel auf 121 Fälle.

Hauptakteure siedeln um

Zugleich aber beobachten die Staatsschützer eine zunehmende Vernetzung mit führenden Kadern in Ostdeutschland. So siedelten etwa einige Dortmunder Hauptakteure aufgrund des wachsenden Verfolgungsdruck durch die hiesige Polizei nach Sachsen und Thüringen über. Umgekehrt entsandte etwa die Kampfgruppe Knockout 51 aus Eisenach im August 2020 Schläger einen Demo-Marsch der Partei „Die Rechte“ in die Dortmunder Nordstadt. Auch legte ein Emissär aus Eisenach einen Kranz auf der Beerdigung des Dortmunder Rechtsextremisten Siegrid Borchard, genannt SS-Siggi, nieder.

Auf Anti-Corona-Demos mit Gleichgesinnten aus dem Ruhrpott ging es offenbar darum Linke und „Bullen“ zu klatschen. Nach einer Auseinandersetzung in Leipzig schnitt ein Dortmunder Gesinnungsgenosse ein Video von der Schlägerei auf dem Protestmarsch zusammen.

Feste Truppe für Gewaltakte

Als einer der führenden Netzwerker gilt laut Bundesanwaltschaft Leon R.. Spätestens seit dem Frühjahr 2020 soll der Eisenacher Kneipenwirt und Anführer der Schläger-Truppe „Knockout 51“ demnach den Kampf gegen politisch linke Gegner und Polizisten propagiert haben. In abgehörten Telefonaten, belauschten Gesprächen aus Fahrzeugen nebst ausgewerteten Telegram-Chats träumte R. davon, Hunderte gewaltbereiter Neo-Nazis unter einer neuen Führung zu vereinen. Diese Truppe sollte bei Demonstrationen oder Gewaltattacken bundesweit zum Einsatz kommen.

Anfang 2021 sprach der Beschuldigte bei einer Autofahrt über das Thema Bewaffnung. Mit im verwanzten Auto saß ein hoher Thüringer NPD-Funktionär und Stadtrat von Eisenach. Ferner soll Leon R. intensive Beziehungen zu dem NPD-Bundesvize Thorsten Heise unterhalten haben. Der mehrfach einschlägig vorbestrafte Ex-Kameradschaftsführer, der ebenfalls inzwischen in Thüringen lebt, veranstaltete zahlreiche Nazi-Konzerte mit bis zu 1000 Zuschauern.

Die NPD in Eisenach stellte ihre Parteizentrale „Flieder Volkshaus“ für die Kampfsportübungen von „Knockout 51“ zur Verfügung. Dort soll der Anführer Leon R. die Losung ausgegeben haben, bei Konflikten gegen linke Aktivisten Hieb- und Stichwaffen einzusetzen. Jedes Mitglied sollte stets ein Messer mit sich führen. Anwärter mussten bestimmte Voraussetzungen erfüllen: So sollten sie sich der nationalsozialistischen Ideologie verpflichten, durften nicht leichter als 80 Kilogramm sein. Auch sollten die Knockout-Kandidaten mindestens einmal einen so genannten „Robo-Cop umgeknüppelt“ haben, also einen Bereitschaftspolizisten in Schutzausrüstung angreifen.

Verbotene Kampfgruppe existiert im Untergrund weiter

Leon R. kennt das Who-is-Who der militanten Szene: So soll er laut Bundesanwaltschaft auch bei der rechtsterroristischen Vereinigung „Atomwaffen Division Deutschland“ (AWDD) mitgemischt haben. „Aber jede Kugel in einen Polizisten ist eine Kugel weniger in einem Juden, einem Politiker, einem Pädophilen oder deinem örtlichen Drogendealer“. Der Mann, der dies unter Synonym veröffentlichte, fungierte als Unteroffizier bei der Bundeswehr. Auch gegen ihn wird ermittelt. Die AWDD gilt als deutscher Ableger einer „Terror-Sekte“, wie der Spiegel schrieb, aus den USA, die der „weißen Rasse“ in einem Bürgerkrieg zum Sieg verhelfen will.

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Auch führen Spuren von Leo R. zu Mitgliedern der Kampforganisation „Combat 18“. Dazu soll etwa der Dortmunder Robin S. gehören. Am 21. Januar trafen sich die Eisenacher Nazi-Schläger im thüringischen Holungen mit etlichen Combat-Mitgliedern rund um ihren Anführer Stanley R.. Ein Beweis dafür, dass die inzwischen verbotene Kampftruppe im Untergrund weiter existiert. C18 steht für den ersten und achten Buchstaben des Alphabets. Heißt: „Kampftruppe Adolf Hitler".

Hinter Combat 18 steckt das Konzept des "führerlosen Widerstands": Gewaltbereite Neonazis sollen sich in kleinen autonomen Zellen zusammenschließen, Waffendepots anlegen und ohne Befehl aus der „Führungsriege" Terroranschläge begehen.

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