Artenschützer sprechen von einer „absoluten Sensation“. In NRW ausgestorben, konnten zahlreiche Tierarten mit der Hilfe von Naturschützern wieder angesiedelt werden.
Artenschutz in NRWSeeadler, Wildkatze und Lachs sind wieder da

In Duisburg haben Seeadler drei Jungvögel zur Welt gebracht
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Artenschützer sind begeistert: In Duisburg hat ein Seeadler-Paar drei Jungtiere bekommen, die sie in ihrem Horst in einem Naturschutzgebiet großziehen. „Es ist das erste Brutpaar mit Nachwuchs im Ruhrgebiet und nun das dritte Brutpaar in NRW“, sagt Kerstin Ciesla, Sprecherin der Naturschutzorganisation BUND. Auch der Artenschutzbeauftragte der Stadt Duisburg stuft es als eine „absolute Sensation“ ein, dass sogar drei Jungvögel geschlüpft sind.
Ob sie alle überleben werden, sei allerdings noch etwas ungewiss. Ihre ersten inzwischen sechs Lebenswochen hätten sie gut überstanden, schilderte Randolph Kricke. Und das trotz zum Teil kalter und nasser Nächte.
Noch vor wenigen Jahrzehnten galt der Seeadler in Nordrhein-Westfalen als ausgestorben – durch Umweltgifte, Jagd und zerstörte Lebensräume. 2017 gelang dem Greifvogel erstmals wieder eine Brut am Niederrhein, 2024 folgte ein weiterer Bruterfolg im Kreis Lippe. Der aktuelle Nachwuchs in Duisburg ist der erste bekannte im Ruhrgebiet.
44,4 Prozent der Arten in NRW sind akut gefährdet
Noch immer ist ein großer Teil der Tier-, Pilz- und Pflanzenarten in Nordrhein-Westfalen akut gefährdet. Insgesamt gilt das derzeit für 44,4 Prozent aller untersuchten Arten, wie aus Auswertungen des Landesumweltamts hervorgeht. Auch, wenn sich im Vergleich zur vorherigen Erhebung im Jahr 2011 eine minimale Verbesserung ergibt - damals galten 46,3 Prozent der Arten als gefährdet - gibt es keinen Grund zur Entwarnung. Besonders besorgniserregend scheint Experten. dass inzwischen auch „Allerweltsarten“ in der Bedrohten-Liste zu finden sind. Bei den Vögeln beispielsweise ist der Kiebitz rar geworden, auch der Kuckuck-Bestand ist dramatische eingebrochen.

Auch Wildkatzen waren in NRW vom Aussterben bedroht.
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Aber, so sieht es Umweltminister Oliver Krischer (Grüne), es gibt Hoffnung. „Dort, wo wir gezielt helfen, können sich Arten erholen.“ Ein Silberstreif am Horizont, aber es gibt ihn. Dies beweist beispielsweise der Weißstorch, von dem 1990 nur noch drei Paare in NRW lebten, 2023 zählte man dann schon 784 Pärchen, die 1.491 Jungvögel zum Erstflug brachten. Hoffnung macht auch die Wiederansiedlung von ehemals ausgestorbenen Tierarten wie dem Uhu, der Wildkatze, dem Fischotter oder dem Feldhamster, von dem es 2006 hierzulande nur noch drei Exemplare gab.
Erfolg gezielter Artenschutzprojekte
Auch dass der Seeadler jetzt „im dicht besiedelten Ruhrgebiet Nachwuchs aufzieht, „ist ein großer Erfolg für den Artenschutz“ so Krischer. Lange sei „dieser beeindruckende Vogel bei uns verschwunden“ gewesen. „Jetzt kehrt er zurück – dank gezielter Schutzprogramme, besserer Lebensräume und dem Engagement vieler Ehrenamtler.“

Ein Feldhamster schaut aus seinem Bau auf einem Feld.2006 gab es nur noch drei dieser Tiere in NRW.
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Denn die Rheinaue bei Duisburg bietet ideale Bedingungen für Deutschlands größten Greifvogel, berichten Experten. Große Teile der Landschaft sind durch Bergsenkungen zu Wasserflächen geworden. Dadurch können die Adler dort ungestört brüten. Besucher des Areals dürfen nur bestimmte Wege nutzen. Schilder weisen darauf hin, den Horst-Bereich nicht zu betreten.
Zäune und Kameras, um die Seeadler vor den Menschen zu schützen
Um die Tiere zu schützen, haben BUND-Ehrenamtler in Absprache mit der Stadt sogar Zäune gesetzt und Kameras installiert. So könne man unbefugtes Betreten des Naturschutzgebietes außerhalb der offiziellen Wege in der Umgebung der Seeadler umgehend feststellen, sagte eine Sprecherin der Umweltschutzorganisation.
Auch die Kommune werde über ihre biologische Station ein Auge auf den Horst haben und dafür sorgen, dass die fünf Seeadler ungestört bleiben, betont der Duisburger Artenschützer Randolph Kricke. Die „junge Familie“ brauche Ruhe. Die Aufzucht sei „für die Eltern herausfordernd und das partnerschaftliche Kümmern und Füttern vor allem für unerfahrenere Adlerpaare nicht einfach“. Deshalb sei es ein Glück, dass der von dem Paar gewählte Standort im Naturschutzgebiet „recht unwegsam“ sei - mit viel Gehölz und teils sumpfigem Boden in der Umgebung.

Der Uhu war in NRW ausgestorben und konnte mit Hilfe von Artenschutzprojekten wieder angesiedelt werden.
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Denn bei Störungen verlassen die Eltern oft panisch den Horst. Anders als viele Vogelarten verteidigen Seeadler ihre Brut nicht gegenüber dem Menschen. Eier oder Jungvögel bleiben dadurch ungeschützt zurück, sie können auskühlen oder von Rabenvögeln, anderen Greifvögeln und sogar Waschbären erbeutet und gefressen werden
Bis die Kleinen flügge werden, dauert es etwa drei Monate. Ende Juni also wird es wohl zu ersten Probeflügen kommen, wonach die möglichen Bruchpiloten zunächst aber immer wieder zurückkehren. Wie schnell die Jungtiere selbstständig werden, ist ungewiss. Womöglich bleiben einige aus dem Dreierwurf sogar bis Ende des Jahres bei Mutter und Vater.
Lachse schwimmen 3000 Kilometer, um zurück nach NRW zu kommen
„Der Verlust der Artenvielfalt bedroht unsere Lebensgrundlagen ebenso wie die Klimakrise“, sagt Heide Naderer, Landesvorsitzende des Naturschutzbund NRW (Nabu). Entscheidend sei ein „konsequenter Schutz intakter Lebensräume: von naturnahen Wäldern über Fluss-Auen und Feuchtgebiete bis hin zu extensiv genutzten Wiesen und Weiden“, so Naderer: „Denn nur dort finden Tiere und Pflanzen dauerhaft Rückzugsräume und Nahrung

Wenn sie etwa zwei Jahre alt sind, machen sich die junge Lachse auf nach Grönland.
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Bis zu 3000 Kilometer legen Lachse zurück, um nach einigen Jahren im Meer wieder in ihre Geburtsgewässer in NRW zurückzukehren. Dort – in die Kiesgründe der Rheinzuflüsse – legen sie ihre Eier ab, um die nächste Lachsgeneration zu begründen. Nach etwa zwei Jahren zieht es die Jungfische als sogenannte Smolts flussabwärts und durch die Meere bis nach Grönland, wo sie Jagd auf Kleinfische machen und schnell heranwachsen können, bevor es auch sie wieder „nach Hause“ zieht.
581.000 Jungfische ins Wasser geworfen
Gewässerverschmutzung, Umbauten und Überfischung: Im vergangenen Jahrhundert galt der Lachs im Rhein als ausgestorben. Um seine Rückkehr zu unterstützen, startete 1998 ein Wanderfischprogramm als gemeinsame Initiative des Landes und des Fischereiverbandes NRW. Mit hunderten Einzelmaßnahmen, etwa besonders geschützten „Fischpässen“, mit deren Hilfe die Tiere beispielsweise an bisher unüberwindbaren Wasserkraftwerken vorbeikommen, wurde die Durchlässigkeit der Flüsse Sieg, Wupper, Dhünn und Rur wiederhergestellt. Davon profitieren beispielsweise auch der Aal, der Nordseeschnäpel oder der Maifisch. Auch von diesen Tieren wurden dem wieder mehrere aktive Laichplätze im Rhein entdeckt.

Die Biber sind zurück in NRW.
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5.224 Lachs konnten mittlerweile als „Rhein-Aufsteiger“ registriert werden, alleine im Jahr 2023 wurden in NRW rund 581.000 Jungtiere zur Unterstützung der Population dazu gesetzt. Dass die Lachse die Laichgewässer in den Oberläufen des Flusses wieder erreichen, sei „kein Naturereignis“, sondern das Ergebnis „vieler Stunden ehrenamtlicher Arbeit“, betont Umweltmister Krischer.
51,8 Millionen Euro für den Naturschutz
Um die Lebensräume aller Pflanzen und Tiere zu sichern, fördere das Land „rund 40 Biologische Stationen, die mehr als die Hälfte der rund 3.300 Naturschutzgebiete des Landes betreuen“. Das Geld für diese Arbeit sei von 37,7 Millionen Euro im Jahr 2022 auf 51,8 Millionen Euro in 2025 erhöht worden.
Auch der Biber war einst ausgerottet in NRW. Unter anderem wegen ihrer Felle und weil sie durch ihre Holz-Staudämme immer wieder für Schäden etwa für die Landwirtschaft gesorgt hatten. Doch ab 1981 in der Eifel und ab 2002 am Niederrhein zwecks „Wiedereinbürgerung“ ausgesetzt, entwickelte sich langsam aber stetig eine Artenschutz-Erfolgsstory.
Inzwischen gibt es wieder geschätzte 1500 bis 2000 Biber in NRW. Einer davon ist vermutlich auch im Kölner Süden angekommen. In der Groov im Stadtteil Zündorf, die sich in den letzten Jahren als Heimat beispielsweise für Nashornkäfern, Ringelnattern und Eisvögeln zu einer echten Oase für Tiere entwickelt hat, sind angeknabberte Baumstämme entdeckt worden. Ein Biber hat sich zwar noch nicht sehen lassen. Aber die Indizien scheinen eindeutig zu sein. In der Groov wird vor allem an Weiden genagt. Die Salicylsäure in der Rinde des Baumes wird von Bibern als Köstlichkeit geschätzt.