Debatte über Bethel-Fall im LandtagJasmin Mahler wurde vergewaltigt und erkrankte, doch die Staatsanwaltschaft zweifelt

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Jasmin Mahler gepixelt

Die Schmerzensgeldforderungen von Jasmin Mahler wurden am Mittwoch im Gesundheitsausschuss diskutiert.

„So geht man nicht mit Frauen um“, sagte die FDP-Abgeordnete Susanne Schneider.

Der Gesundheitsausschuss des Landtages hat am Mittwoch über Entschädigung für Opfer der Missbrauchsfälle im Klinikum Bethel diskutiert. Anlass war die Klage einer Betroffenen, die im Krankenhaus von einem Assistenzarzt betäubt und vergewaltigt wurde. Sie leidet heute an derselben Geschlechtskrankheit, die auch bei dem Täter festgestellt wurde. Weil die Staatsanwaltschaft Bielefeld sich dagegen entschieden hatte, Opfer über die Taten zu informieren, fordert die Betroffene nun Schmerzensgeld. Die FDP-Fraktion hatte einen Bericht der Landesregierung gefordert.

Ein Vertreter des Gesundheitsministeriums bezog sich in seinem Bericht auf Entschädigungszahlungen, die Opfer bereits von der Stiftung Bethel erhalten haben. Zudem würden durch die Vergewaltigungen „Grundvoraussetzungen laut dem Opferentschädigungsgesetz“ vorliegen. 

Die FDP-Abgeordnete Susanne Schneider kritisierte den Schwerpunkt des Berichtes: Das Opfer habe schließlich nicht wegen der Vergewaltigung geklagt, sondern weil die Staatsanwaltschaft sie über die Tat und die Geschlechtskrankheit im Unklaren ließ. „Ich finde es unfassbar, dass die Frau erst einmal nicht informiert wurde. Obwohl die Filme der Vergewaltigung vorlagen, obwohl die Filme namentlich dokumentiert waren“, so Schneider. „Dass man diese Klage jetzt abweist, mit dem Hinweis, die Frau könnte sich die Infektion ja sonst wo eingefangen haben, finde ich wirklich unterirdisch. So geht man mit Frauen nicht um.“

Betroffene spricht von „verbaler Klatsche“

Die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf hatte zuvor Zweifel an der Berechtigung der Schadenersatzforderung ausgedrückt. Es würden Nachweise fehlen, dass die Zysten und die Wucherung der Betroffenen Jasmin Mahler (Name geändert) nicht entstanden wären, wenn sie rechtzeitig über die bakterielle Geschlechtskrankheit informiert worden wäre. Außerdem würden Nachweise fehlen, dass die Zysten direkt durch die Infektion ausgelöst wurden und es tatsächlich der Täter war, der sie mit der Krankheit ansteckte.

Mahler bezeichnet die Argumentation der Generalstaatsanwaltschaft gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ als „verbale Klatsche“. „Man fühlt sich nach dieser Tat nicht nur emotional schlecht, sondern auch körperlich dreckig.“ Die Forderung der Generalstaatsanwaltschaft, Mahler müsse nachweisen, sich nicht bei anderen Sexualkontakten angesteckt zu haben, habe sie schockiert. „Mein erster Gedanke war: Was denken die von mir?“, so Mahler. „Ich hatte während meinem Krankenhausaufenthalt keinen Partner. Vorher hatte ich keine Beschwerden. Trotzdem soll ich etwas beweisen, was ich gar nicht beweisen kann.“ Sollte ihre Forderung abgelehnt werden, will sie gegen die Entscheidung rechtlich vorgehen.  

Auch Mahlers Anwältin Stefanie Höke, die mehrere Opfer vertritt, kritisiert das Vorgehen der Generalstaatsanwaltschaft. „Wir haben über ein Jahr gefordert, dass die Frauen informiert werden. Da ist meines Erachtens vollkommen klar, dass Schmerzensgeldanspruch besteht.“ Die Staatsanwaltschaft habe immerhin einen Paragrafen übersehen, laut dem Opfer zu informieren seien. Das Land müsse Verantwortung für das Handeln der damals zuständigen Staatsanwaltschaft Bielefeld übernehmen. „Ich erwarte durch die Thematisierung im Ausschuss, dass man hier unbürokratisch vorgeht und die Opfer nicht ein weiteres Mal zu Opfern macht.“

Anzeige gegen Staatsanwaltschaft Bielefeld

Jasmin Mahler lag im Dezember 2019 wegen einer halbseitigen Gesichtslähmung und hohen Entzündungswerten im Hirnwasser auf der Neurologie des Klinikums Bethel in Bielefeld. Dort wurde sie mehrfach von dem Assistenzarzt Philipp G. betäubt und vergewaltigt. Insgesamt verging sich G. im Krankenhaus an mindestens 32 Frauen. 

Zwei Tage nach seiner Festnahme im September 2020 beging G. Suizid. Die Staatsanwaltschaft Bielefeld stellte wenig später Verfahren gegen seine Vorgesetzte ein, ohne die betroffenen Frauen zu informieren. Das geschah erst im Januar 2022, nachdem die Staatsanwaltschaft Duisburg die Ermittlungen übernommen hatte. Dutzende Frauen erstatteten Anzeige gegen G.s Vorgesetzte. 

Jasmin Mahler und eine weitere Betroffene zeigten auch die Staatsanwaltschaft Bielefeld an; Sie leiden an denselben bakteriellen Infektionskrankheiten, die auch bei der Obduktion von Philipp G. festgestellt wurde. Kurz nach ihrem Krankenhausaufenthalt erkrankte Mahler an schweren Entzündungen, die mutmaßlich durch die Geschlechtskrankheiten ausgelöst wurden. Erst als sie über ihre Anwältin von den Krankheiten des Täters erfuhr, konnten Ärzte ihre Beschwerden behandeln, so Mahler. 

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