Cum-Ex-Ermittlungen in NRWJustizminister will gefürchtete Kölner Chef-Fahnderin entmachten

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Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker (r) sitzt vor dem Landgericht auf dem Platz des Anklägers. Vor dem Bonner Landgericht hat der erste Strafprozess zu den hochumstrittenen "Cum-Ex"-Steuerdeals begonnen. Den beiden angeklagten Ex-Aktienhändlern wird besonders schwere Steuerhinterziehung vorgeworfen: Sie sollen zwischen 2006 und 2011 einen Steuerschaden von mehr als 440 Millionen Euro verursacht haben. +++ dpa-Bildfunk +++

Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker wird als Star-Ermittlerin gefeiert

Warum soll die Ermittlerin an Einfluss verlieren? Die geplante Neuaufstellung der Kölner Staatsanwaltschaft birgt politischen Sprengstoff.

Top-Banker und Finanzmanager fürchten die Chef-Ermittlerin aus Köln. Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker geht rigoros gegen Wirtschaftsbosse vor, die den Fiskus durch Cum-Ex-Geschäfte um einen zweistelligen Milliarden-Betrag betrogen haben sollen. In Medienberichten wird die Fahnderin oft als Star-Ermittlerin gefeiert. In der NRW-Justiz ist Brorhilker aber hochumstritten. Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ gibt es konkrete Pläne, die Chef-Fahnderin zu entmachten. Die Personalie beschäftigt in dieser Woche den Justizausschuss des Düsseldorfer Landtags.

Brorhilker leitet bislang ein Team von 30 Finanzfahndern. In den hochkomplexen Cum-Ex-Verfahren wird mittlerweile gegen 1700 Verdächtige ermittelt. Zu den Fällen der Kölner Spezialisten gehören die Ermittlungen gegen die früheren Chefs der Landesbanken WestLB und HSH Nordbank. Zuletzt brachten die Fahnder auch den Cum-Ex-Skandal um die Privatbank MM Warburg in Bonn vor Gericht. Das Verfahren wirft auch Fragen nach der Rolle von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf, der damals Erster Bürgermeister von Hamburg war.

Zweifel an Verstärkung

Die Vorgänge rund um die Warburg-Bank werden derzeit von einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss der Hamburger Bürgerschaft aufgearbeitet. Es geht darum aufzuklären, warum die Hamburger Finanzbehörde 2016 überraschend auf Millionen-Rückforderungen gegen die Bank verzichtet hatte, nachdem deren Cum-Ex-Geschäfte aufgeflogen waren. Gab es eine politische Einmischung von Scholz? Die Kölner Fahnder fanden brisantes Material, unter anderem in den E-Mail-Postfächern von engen Scholz-Mitarbeitern und in Terminkalendern. Ein Grund, warum die Ermittlungen der Kölner Fahnder in hohem Maße politisch aufgeladen sind.

01.06.2023, Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf: Minister Benjamin Limbach (Minister der Justiz Nordrhein Westfalen) redet bei einer Pressekonferenz in Düsseldorf. Bundesinnenministerin Nancy Faeser möchte sich vor Ort über die Arbeitsweise und Ergebnisse der bei der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft angesiedelten ZeOS informieren und über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern austauschen. Foto: David Young/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne)

Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ soll Brorhilker jetzt ein zweiter Hauptabteilungsleiter an die Seite gestellt werden. Der arbeitet bislang im NRW-Justizministerium, das von dem Grünen Benjamin Limbach geführt wird – und ist dort Referatschef für Jugendstrafrecht. Was steckt hinter der Personalie? Ist der Ministerialbeamte eine Verstärkung für das Team der Cum-Ex-Spezialisten?

Werner Pfeil, rechtspolitischer Sprecher der FDP im Düsseldorfer Landtag, bezweifelt das: „Hier müssen mehr im Wirtschaftsstrafrecht versierte Staatsanwälte zur Unterstützung herangezogen werden, statt die Abteilung aufzuspalten und zwei Leitungsköpfe zu installieren“, so Pfeil.  „Die Aufklärung der Cum-Ex-Verfahren, die der ehemalige Justizminister Biesenbach noch maßgeblich unterstützt hatte, scheinen beim derzeitigen Justizminister Limbach lange Zeit vergessen und jetzt durch falsche Maßnahmen untergraben zu werden“, sagte der Liberale dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Elisabeth Müller-Witt, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion im Landtag, sieht das ähnlich: „Es fehlt nicht an Häuptlingen, sondern an zusätzlichen Ermittlern, die die Aktenberge abarbeiten.“

Insider befürchten Machtkampf

Limbach hatte im Rechtsausschuss des Landtags harsche Kritik an den Kölner Cum-Ex-Ermittlungen geübt. Von dort seien Unterlagen zu spät nach Hamburg geschickt worden. Inzwischen hat die Kölner Staatsanwaltschaft einen neuen Chef bekommen. Der soll dem Justizministerium vorgeschlagen haben, Brorhilkers Abteilung aufzuteilen – obwohl Generalstaatsanwalt Thomas Harden nach Informationen unserer Zeitung dafür plädiert hatte, die Cum-Ex-Sparte bei der Chef-Fahnderin zu belassen.

Justiz-Insider befürchten, dass die Einführung einer Doppel-Spitze bei den Cum-Ex-Fahndern ein „Hauen und Stechen“ auslösen wird. Es wird befürchtet, dass die milliardenschweren Steuer-Betrügereien nicht mehr mit dem entsprechenden Nachdruck verfolgt werden könnten. Befürworter der Doppel-Spitze hoffen hingegen, dass die Rate der Anklagen deutlich zunimmt.

Brorhilker attackiert den Justizminister

Brorhilker zeigt sich unterdessen offenbar unbeeindruckt – und attackiert Justizminister Limbach. Wie unsere Zeitung erfuhr, soll sie einen 20-seitigen Bericht an den Hauptstaatsanwaltsrat, die höchste Personalvertretung, verfasst haben. Darin sind verschiedene Punkte aufgelistet, in denen Minister Limbach bei seiner Rede vor dem Rechtsausschuss zu den Cum-Ex-Ermittlungen nicht die ganze Wahrheit gesagt haben soll.

Eine Sprecherin des Justizministeriums erklärte unserer Zeitung, bei der Neuausstellung der Kölner Staatsanwaltschaft sei noch keine Entscheidung gefallen. „Der Leitende Oberstaatsanwalt in Köln hat dem Ministerium der Justiz Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz der Hauptabteilung H vorgeschlagen“, hieß es. Diese Vorschläge lägen „den zuständigen Fachabteilungen im Ministerium der Justiz zur Prüfung vor“. Aus Justizkreisen war allerdings zu erfahren, dass die Stelle eines zweiten Cum-Ex-Hauptabteilungsleiter bereits bewilligt wurde.

FDP-Rechtsexperte Pfeil will sich mit den „Ungereimtheiten“ nicht abfinden. Es stehe „der Verdacht im Raum, dass der Minister den Rechtsausschuss des Landtags nicht wahrheitsgemäß beziehungsweise nicht umfassend unterrichtet“ habe, sagte der Liberale. Justizminister Limbach müsse sich jetzt umfassend gegenüber dem Rechtsausschuss und dem Parlament erklären.

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